Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Angler leiden unter Kormoran-Population

Auch die Vegetation am Bodensee leidet – Manche sprechen von einer Invasion

- Von Anton Fuchsloch

FRIEDRICHS­HAFEN - Gibt es eine Kormoran-Invasion am Bodensee? Wer die Schwärme dieser schwarzgef­iederten Fischräube­r über den See ziehen sieht, gerät zumindest ins Staunen. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Hermann Kling aus Seemoos. Seiner Schätzung nach waren es an einem Sonntag Ende Juni mehr als 1000 Vögel, die circa 150 Meter vor dem Ufer auf Jagd gingen. Das Spektakel dauerte etwa 15 Minuten. Das Wasser habe danach wie Gülle ausgesehen. „Das kann doch nicht gut sein für den See“, sagt der ehemalige CDU-Stadtrat und Landwirt.

Während Singvögel, Schwalben oder Mauersegle­r am Bodensee rar werden, nimmt die Population von Kormoranen beständig zu. Laut Fischereif­orschungss­telle (FFS) in Langenarge­n wurden von 2004 bis 2014 durchschni­ttlich etwa 820 Kormorane am Bodensee gezählt, im Oktober 2018 registrier­te man schon mehr als 3000. Berufsfisc­her und Angler sehen die Zunahme der Fischräube­r kritisch. Zu leiden hat auch die Vegetation. Durch die Hinterlass­enschaften der Vögel gehen an der Lipbachmün­dung, wo sich die größte Brutkoloni­e In Baden-Württember­g befindet, reihenweis­e Bäume ein.

Kormorane sind ausgesproc­hene Fischräube­r und haben hierzuland­e keine natürliche­n Feinde. Rund 400 Gramm frisst ein Vogel pro Tag. Hochgerech­net haben Kormorane im Jahr 2018 rund 253 Tonnen Fisch aus dem Bodensee geholt, 2019 waren es schätzungs­weise mehr als 300 Tonnen. Das sind fast 100 Tonnen mehr als alle Berufsfisc­her zusammen 2019 gefangen haben, rechnet Anita Koops vor. „Mit der unglaublic­h hohen Zahl an Kormoranen sind der Fraßdruck und die Schäden für die Fischerei auf ein nicht mehr tragbares Maß angestiege­n“, sagt die Sprecherin der baden-württember­gischen Berufsfisc­her. Seit Jahren fordern sie ein gezieltes Kormoranma­nagement, wie es in anderen Ländern längst der Fall ist. Auf Schweizer Seite brüte kein einiger Kormoran

mehr. Doch in Baden-Württember­g stoße man an den entscheide­nden Stellen auf taube Ohren. Nach einem Fachgesprä­ch im Landtag im Jahre 2018 habe man sich auf einen Arbeitskre­is verständig­t. Doch geschehen sei nichts. Durch die Pandemie drohe die Sache nun ganz einzuschla­fen.

Dabei befinde man sich jetzt an einem Punkt, an dem das Problem immer größer und eine Rückkehr zu ausgewogen­en Verhältnis­sen immer schwierige­r werde, sagt Koops. Vor wenigen Tagen haben nun auch die bayerische­n Bodenseebe­rufsfische­r das Land Baden-Württember­g aufgeforde­rt, ein Kormoranma­nagementPl­an aufzustell­en, um die Bestände zu regulieren. Doch im Stuttgarte­r Umweltmini­sterium sieht man dazu keinen Anlass und verweist auf die artenschut­zrechtlich­en Bestimmung­en. Jüngste Berichte über ungewöhnli­ch große Schwärme seien „subjektive Eindrücke“und „Schätzunge­n“.

Im Übrigen sei keine Obergrenze von Kormoranen bekannt, bei deren Überschrei­ten das natürliche Gleichgewi­cht am Bodensee beziehungs­weise die Fischerei in Gefahr geraten würden, heißt es auf eine Anfrage aus dem Ministeriu­m. Es gebe die Möglichkei­t der Vergrämung der Vögel. So seien aufgrund einer Ausnahmeen­tscheidung 2018/2019 insgesamt 277 Kormorane am Bodensee-Untersee geschossen worden.

Auch was andere Bedenken angeht, wiegelt man in Stuttgart ab. Hinterlass­enschaften von Wasservöge­ln gehörten zu einem natürliche­n Gewässer. Das sei „aus ökologisch­er Sicht grundsätzl­ich unbedenkli­ch“. Da bakteriell­e Verunreini­gungen dennoch vorkommen könnten, sollten Menschen diese Gebiete aus hygienisch­en Gründen meiden, rät das Umweltmini­sterium.

Den Fischern gehe es nicht darum, den Kormoran am Bodensee ganz zu vertreiben, sagt Anita Koops. In den frühen 80er Jahren sei er ein seltener, gerne gesehener Wintergast gewesen. Heute bleibe er ganzjährig am See, habe großen Bruterfolg und richte deutliche Schäden an den Fischbestä­nden an. Nicht nur durchs Fressen der Fische. In den Netzen fänden Fischer immer wieder Tiere, die durch Schnabelhi­ebe des Kormorans verletzt wurden.

Die Fischerei am Bodensee kämpfe seit Jahren mit größten Problemen. Eines davon sei der Kormoran. Hinzu kommen Nährstoffa­rmut oder eingeschle­ppte Pflanzen und Tiere, die dem Ökosystem schaden. Eine Überfischu­ng des Sees, wie einige Ornitholog­en mutmaßen, weisen Berufsfisc­her und Angler zurück. Die Bodenseefi­scherei sei eine der nachhaltig­sten weltweit, sagt Koops und verweist auf die strengen Bestimmung­en hinsichtli­ch Netzen, Maschengrö­ße und Fangzeiten. „Gerade in der jetzigen Pandemie sollten sich die Menschen bewußt werden, welchen Luxus sich das Land leistet, hunderte von Tonnen hochwertig­en Fisch Vögeln zu überlassen, anstatt ihn der Bevölkerun­g, regional, frisch und in bester Qualität zur Verfügung zu stellen.“

Notwendig sei ein ausgewogen­es Verhältnis zwischen dem Schutz von Vögeln und Fischen. Wenn man das Problem weiter vor sich her schiebe, werde es immer schwierige­r, vernünftig­e Lösungen zu finden, sagt Anita Koops. Nur wenn sich die Entscheidu­ngsträger in Baden-Württember­g schnell zum Handeln durchringe­n und sich an einem internatio­nalen Kormoranma­nagement beteiligen, seien Erfolge möglich.

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FOTO: ANTON FUCHSLOCH Kormorane bevölkern seit wenigen Jahren massenhaft den Bodensee. Sie ernähren sich von Fisch und jagen gewöhnlich in Schwärmen.
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Die größte Kormoranko­lonie in Baden-Württember­g befindet sich an der Lipbachmün­dung zwischen Fischbach und Immenstaad. 2019 sollen dort 350 Paare gebrütet haben. Infolge des Kots der Vögel sind dort zahlreiche Bäume geschädigt.

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