Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Efeu, die kostenlose Klimaanlage
Die Urlaubsplanung der letzten Monate wurde ja aus den bekannten Gründen bei vielen Menschen durcheinandergewirbelt. Alternativ boten sich daher kurze Ausflüge in die nähere Umgebung gut an. So habe auch ich endlich die Zeit gefunden, das Efeu-Labyrinth im neu gestalteten Meditationsgarten des Klosters Roggenburg zu besichtigen. Was sich zunächst langweilig anhört, entpuppte sich bei genauerer Betrachtung und Auseinandersetzung mit dieser eher unscheinbaren Pflanze als sehr interessant.
Vor 200 Jahren haben Gartenliebhaber damit begonnen, verschiedenste Variationen hervorzubringen. Das Resultat sind mehr als 500 Sorten mit den unterschiedlichsten Blättern: gezackt, gefiedert, zahlreiche Grüntöne, marmoriert und panaschiert. Erstaunlich diese Vielfalt! 300 davon werden in dem bayrischen Kloster kultiviert.
Unsere Vorfahren verehrten das Efeu als heilige Pflanze und deren Bedeutung für die Heilkunde war über Jahrhunderte von großem Wert. Mit der Wahl zur Arzneipflanze des Jahres 2010 sollte das Efeu in unser heutiges Bewusstsein hervorgeholt werden. Ich finde jedoch, es fristet noch immer ein Nischendasein und wir unterschätzen die vielfältige Einsetzbarkeit und deren Nutzen für unsere Gärten. Denn als mehrjährige Pflanze gedeiht es in Sonne und Schatten. Als Bodendecker unterdrückt es lästige Unkräuter und hält sogar Schnecken fern. Blüte und Frucht des Efeus sind bei Insekten und Vögeln beliebt. Zur Fassadenbegrünung erklimmt und verschönert es mit seinen Haftwurzeln eintönige Mauern. Als immergrüne Art kühlt es hitzespeichernde Steinwände in Großstädten und kahle Sichtschutzmauern in Neubaugebieten. Wir Menschen profitieren von dem angenehmen Mikroklima einer solchen begrünten Wand, wenn die Efeublätter beim Verdunsten von Wasser die Umgebungsluft abkühlen. Eine solche kostenlose Klimaanlage sollten wir unbedingt mehr wertschätzen.