Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit Überblick zum guten Kauf
Wer sich ein Elektrofahrrad anschaffen möchte, hat die Qual der Wahl – Experten warnen vor vermeintlichen Schnäppchen
Pedelecs boomen, die Zuwachsraten steigen jährlich – wie machen sich Anfänger mit den auch E-Bikes genannten Elektrofahrrädern vertraut? „Einen ersten Überblick bieten die zahlreichen Informationsangebote im Internet, etwa von ADAC oder ADFC“, sagt René Filippek. „Im Bahnhofsbuchhandel finden sich eine ganze Reihe von ausgewiesenen Fachmagazinen zum Thema Elektrofahrrad, die gezielt gerade auch Einsteiger ansprechen“, weiß der Experte des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).
Dass ein von einem E-Motor unterstütztes Fahrrad deutlich teurer ist als ein traditionell ausschließlich mit Muskelkraft angetriebenes, versteht sich von selbst. „Der Durchschnittsverkaufspreis für ein normales Fahrrad liegt bei 850, der für ein E-Bike bei etwa 2300 Euro“, sagt Gunnar Fehlau. Der Journalist vom Pressedienst Fahrrad (pd-f) gibt die Zeitschrift „Fahrstil“heraus.
Filippek zieht die untere Grenze mit 1800 Euro tiefer, warnt aber wie Fehlau gleichzeitig vor vermeintlichen Baumarkt-Schnäppchen. „Davon sollte man die Finger lassen, wegen der mangelnden Qualität, und auch, weil hier der Ansprechpartner fehlt, wenn es nach dem Kauf ein Problem gibt.“Und die kommen bei diesen Angeboten nicht selten vor.
Derjenige, der billig kaufe, der kaufe letztlich zweimal, sagt Robin Schmitt. „Ein Auto kauft man ja auch nicht beim Discounter, sondern beim
Fachhändler, der auch Ansprechund Servicepartner ist“, so der Chefredakteur der Zeitschrift „E-Mountainbike“. „Für solide Technik muss man mindestens 2500, für ein voll gefedertes E-Bike eher gar 4000 Euro in die Hand nehmen.“Schmitt rät, weitere 200 bis 300 Euro für Helm, Fahrradbekleidung und sonstiges Equipment miteinzuplanen.
Nach dem Budget ist der Einsatzzweck zu klären. Wer mit dem Rad zur Arbeit fahren wolle, vielleicht sogar im Winter, oder eventuell eine
Strecke mit langen Bergpassagen hat, der benötigt ein anders geartetes EBike, als wenn es im Sommer vielleicht drei-, viermal zum Biergarten gehen solle, skizziert Fehlau. Und Filippek ergänzt: „Die rustikale Optik eines Mountainbikes mag vielen gefallen, aber nicht jeder benötigt eines“. Alltagsradlern und Berufspendlern könnte da ein ab Werk mit Beleuchtung, Schutzblechen und Gepäckträger ausgerüstetes Trekkingrad dienlicher sein.
Neben diesen klassischen Entscheidungskriterien sollten aber auch die Komponenten, die das Elektrofahrrad vom normalen abheben, die Auswahl beeinflussen. Also EMotor und Akku. Mittelmotoren bieten die beste Performance, seien aber etwas teurer als Nabenmotoren, die wiederum konstruktionsbedingt bei steilen Anstiegen schnell an ihre Grenzen kommen, so Schmitt.
Als mit Abstand bester Antrieb gilt heute der auch am häufigsten verbaute Mittelmotor, aber auch hier gibt es von Anbieter zu Anbieter deutliche Unterschiede in der Leistungscharakteristik. „Die Motoren unterscheiden sich weniger auf der Qualitäts- als auf der Konzeptebene“, sagt Fehlau. Man könne sich das ein bisschen vorstellen wie beim Auto. Wo eine Mittelklasse-Limousine vielleicht eher etwas behäbig Gas annehme, während ein Porsche überaus sensibel auf den Tritt aufs Gaspedal reagiere.
Viele Motoren seien für den Einsatz im Mountainbike-Sport konstruiert, in einem Trekking-Bike aber überfordere die Kraft eines solchen Motors die allermeisten Nutzer. Ähnliches gilt für den Akku. „Ein großer, leistungsstarker Akku mag mir zwar die Sicherheit vermitteln, nicht liegen zu bleiben“, sagt Schmitt. „Bin ich aber nur auf kürzeren Strecken unterwegs, werde ich die Kapazität dieses Akkus nie vollständig nutzen können, muss aber dennoch den Mehrpreis und das höhere Gewicht in Kauf nehmen.“
Kurzum: Das auf dem Papier begeisterndste Pedelec kann dennoch das falsche sein, wenn man sich nur von der bunten Marketing-Sprache leiten lässt. Bei der Auswahl kann in der Regel auch ein Fachhändler helfen. „Nur der Händler kann meine Vorstellungen davon, was ich mit dem Rad anstellen will, in die entsprechende Technik übersetzen“, gibt Fehlau zu bedenken. Und die Probefahrt kann klären, ob man mit dem Gesamtpaket auch wirklich zurechtkommt. Auch für Schmitt ist die Expertise eines Fachmanns, egal, wo der nun sitzt, unerlässlich. (dpa)