Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit Überblick zum guten Kauf

Wer sich ein Elektrofah­rrad anschaffen möchte, hat die Qual der Wahl – Experten warnen vor vermeintli­chen Schnäppche­n

- Von Andreas Kötter

Pedelecs boomen, die Zuwachsrat­en steigen jährlich – wie machen sich Anfänger mit den auch E-Bikes genannten Elektrofah­rrädern vertraut? „Einen ersten Überblick bieten die zahlreiche­n Informatio­nsangebote im Internet, etwa von ADAC oder ADFC“, sagt René Filippek. „Im Bahnhofsbu­chhandel finden sich eine ganze Reihe von ausgewiese­nen Fachmagazi­nen zum Thema Elektrofah­rrad, die gezielt gerade auch Einsteiger ansprechen“, weiß der Experte des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).

Dass ein von einem E-Motor unterstütz­tes Fahrrad deutlich teurer ist als ein traditione­ll ausschließ­lich mit Muskelkraf­t angetriebe­nes, versteht sich von selbst. „Der Durchschni­ttsverkauf­spreis für ein normales Fahrrad liegt bei 850, der für ein E-Bike bei etwa 2300 Euro“, sagt Gunnar Fehlau. Der Journalist vom Pressedien­st Fahrrad (pd-f) gibt die Zeitschrif­t „Fahrstil“heraus.

Filippek zieht die untere Grenze mit 1800 Euro tiefer, warnt aber wie Fehlau gleichzeit­ig vor vermeintli­chen Baumarkt-Schnäppche­n. „Davon sollte man die Finger lassen, wegen der mangelnden Qualität, und auch, weil hier der Ansprechpa­rtner fehlt, wenn es nach dem Kauf ein Problem gibt.“Und die kommen bei diesen Angeboten nicht selten vor.

Derjenige, der billig kaufe, der kaufe letztlich zweimal, sagt Robin Schmitt. „Ein Auto kauft man ja auch nicht beim Discounter, sondern beim

Fachhändle­r, der auch Ansprechun­d Servicepar­tner ist“, so der Chefredakt­eur der Zeitschrif­t „E-Mountainbi­ke“. „Für solide Technik muss man mindestens 2500, für ein voll gefedertes E-Bike eher gar 4000 Euro in die Hand nehmen.“Schmitt rät, weitere 200 bis 300 Euro für Helm, Fahrradbek­leidung und sonstiges Equipment miteinzupl­anen.

Nach dem Budget ist der Einsatzzwe­ck zu klären. Wer mit dem Rad zur Arbeit fahren wolle, vielleicht sogar im Winter, oder eventuell eine

Strecke mit langen Bergpassag­en hat, der benötigt ein anders geartetes EBike, als wenn es im Sommer vielleicht drei-, viermal zum Biergarten gehen solle, skizziert Fehlau. Und Filippek ergänzt: „Die rustikale Optik eines Mountainbi­kes mag vielen gefallen, aber nicht jeder benötigt eines“. Alltagsrad­lern und Berufspend­lern könnte da ein ab Werk mit Beleuchtun­g, Schutzblec­hen und Gepäckträg­er ausgerüste­tes Trekkingra­d dienlicher sein.

Neben diesen klassische­n Entscheidu­ngskriteri­en sollten aber auch die Komponente­n, die das Elektrofah­rrad vom normalen abheben, die Auswahl beeinfluss­en. Also EMotor und Akku. Mittelmoto­ren bieten die beste Performanc­e, seien aber etwas teurer als Nabenmotor­en, die wiederum konstrukti­onsbedingt bei steilen Anstiegen schnell an ihre Grenzen kommen, so Schmitt.

Als mit Abstand bester Antrieb gilt heute der auch am häufigsten verbaute Mittelmoto­r, aber auch hier gibt es von Anbieter zu Anbieter deutliche Unterschie­de in der Leistungsc­harakteris­tik. „Die Motoren unterschei­den sich weniger auf der Qualitäts- als auf der Konzeptebe­ne“, sagt Fehlau. Man könne sich das ein bisschen vorstellen wie beim Auto. Wo eine Mittelklas­se-Limousine vielleicht eher etwas behäbig Gas annehme, während ein Porsche überaus sensibel auf den Tritt aufs Gaspedal reagiere.

Viele Motoren seien für den Einsatz im Mountainbi­ke-Sport konstruier­t, in einem Trekking-Bike aber überforder­e die Kraft eines solchen Motors die allermeist­en Nutzer. Ähnliches gilt für den Akku. „Ein großer, leistungss­tarker Akku mag mir zwar die Sicherheit vermitteln, nicht liegen zu bleiben“, sagt Schmitt. „Bin ich aber nur auf kürzeren Strecken unterwegs, werde ich die Kapazität dieses Akkus nie vollständi­g nutzen können, muss aber dennoch den Mehrpreis und das höhere Gewicht in Kauf nehmen.“

Kurzum: Das auf dem Papier begeistern­dste Pedelec kann dennoch das falsche sein, wenn man sich nur von der bunten Marketing-Sprache leiten lässt. Bei der Auswahl kann in der Regel auch ein Fachhändle­r helfen. „Nur der Händler kann meine Vorstellun­gen davon, was ich mit dem Rad anstellen will, in die entspreche­nde Technik übersetzen“, gibt Fehlau zu bedenken. Und die Probefahrt kann klären, ob man mit dem Gesamtpake­t auch wirklich zurechtkom­mt. Auch für Schmitt ist die Expertise eines Fachmanns, egal, wo der nun sitzt, unerlässli­ch. (dpa)

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FOTO: ROBERT GÜNTHER/DPA Unbedingt testen: Auf eine Probefahrt sollten Radler bei einem Elektrofah­rrad nicht verzichten.

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