Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hans Meinerts Bilder bringen Leben in die Marienkirche
Anlass für seine siebte Ausstellung in der Marienkirche ist das Priesterjubiläum von Pfarrer Benno Ohrnberger
WEINGARTEN - Wie zwei zarte Farbbänder reihen sich die Bilder und Zeichnungen von Hans Meinert seitlich in die Zentralperspektive der Marienkirche. „Gelitten – Gezeichnet – Gelebt“ist der Titel der Ausstellung, für die es wegen der Corona-Pandemie keine Eröffnungsfeier gab. Die Werke zeugen von Freundschaft und persönlicher Erfahrung.
Die Kirche St. Maria empfängt die Besucher vor allem werktags mit großer Stille. Die erste Ausstellung Meinerts in der Marienkirche hatte im Jahr 2005 Pfarrer Ohrnberger angeregt. Der Maler und Grafiker sang damals im Kirchenchor. Alle zwei Jahre kam danach in freundschaftlicher Zusammenarbeit eine Bilderschau zustande. Die Feier und Vernissage zum 40-jährigen Priesterjubiläum des Pfarrers musste nun leider wie so vieles ausfallen. „Es ist aber immer jemand da“, bemerkte der Künstler im Gespräch. Und wie gerufen betritt eine Frau mit Rollator die Kirche.
Man mag zögern, ob man sich nach links wendet, wo die Bilder rot, oder nach rechts, wo sie blau zu schimmern scheinen. Da den vorderen Teil der linken Kirchenwand der dauerhaft installierte Kreuzweg der Bildhauerin Gisela Bär einnimmt, empfiehlt sich der offenere Zugang rechts. Stimmungsvolle Zeichnungen und Bilder in Pastell, Öl oder Acryl sind hier auf blauen Sperrholzplatten nach unterschiedlichen Themen gruppiert: Traurige Stimmung, Faschingszeit, Mutter und Kind, Reisen, Familie, Alter. Manches erinnert in der Machart an den Ravensburger Künstler und Grafiker und Oskar Julius Weiss (1920 bis 1987), den Hans Meinert verehrt.
In den vergangenen Jahren ließ der 1938 in Bochum-Wattenscheid geborene Hans Meinert sich von Bleistiftskizzen vergangener Jahre zu größeren Acrylarbeiten inspirieren. So entstand ein „Franziskus spricht zu den Vögeln“mit einer ganz eigenen Dynamik. Aus regelmäßigen Aufenthalten in der Toskana hat der Künstler auch den uralten Olivenbaum mitgebracht, der in einer Acrylmalerei von 2019 einem alten Menschen Gesellschaft leistet. Mit seinen flötenden Mädchen verströmt eine Arbeit musikalische Konzentration und lässt die Frage aufkommen, wie Gemeinschaft entsteht. Das Problem der Gestaltung von Gemeinschaft und Gesellschaft treibt den Künstler an. Im Gespräch umriss er seine Motivation zum Zeichnen und Malen mit den Worten: „Ich male, um genauer zu sehen.“
Auf roten Hartfaserplatten gruppiert, verweisen elf Ideenskizzen auf die „Volksliederpassion“des Weingartener Musikprofessors Erno Seifriz (1932 bis 2012). Mit auf rauem Aquarellkarton aufgebrachter Pastellfarbe erzielt der Maler Meinert eine pointilistische Wirkung. Die von der Farbe Schwarz dominierte Darstellung dreier Leidensstationen berührt und tröstet gleichermaßen. Das Kreuz, das Jesus trägt, ist zutiefst menschlich aufgefasst. Aus seinem gebeugten Rücken leuchtet die Kraft unzerstörbaren Lebens. „Mich fragen manche, wie ich heute noch religiöse Bilder malen könne oder vergangenes Jahr ein Thema wie Flucht bearbeiten“, erzählte der Künstler. Flucht habe er selber erlebt. 1943 im Ruhrgebiet ausgebombt, musste die Familie nach Pommern. Nach dem Krieg legte er als Sechsjähriger den Rückweg praktisch zu Fuß zurück. Mit einem „Danke für die wunderbaren Bilder“, verabschiedete sich die Kirchenbesucherin mit Gehhilfe.
Noch bis zum 18. Oktober, täglich von 8 bis 18 Uhr, sind in der Kirche St. Maria in Weingarten Bilder von Hans Meinert zu sehen.