Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit Fiebermessen und Vibration zum CDU-Parteitag
Die Parteispitze hält trotz Corona am Stuttgarter Wahltermin für einen neuen Chef fest
BERLIN - Die CDU ist an diesem Montag selbstzufrieden. Man habe bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen klar gewonnen, schwärmt Generalsekretär Paul Ziemiak. Zudem konnte sich Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer im Bundesvorstand mit Vorschlägen zu einem neuen Grundsatzprogramm und zur Frauenquote in der Partei durchsetzen. Dass die Erfolge dann aber doch nicht so hoch gewertet werden, sieht man daran, dass nicht die Chefin, sondern nur ihr General den Journalisten Rede und Antwort steht.
Wie bewertet die Bundes-CDU die Wahl in Nordrhein-Westfalen?
Hält die CDU trotz Corona am Parteitag in Stuttgart fest, bei dem auch der neue Parteivorsitzende gewählt werden soll?
Ja, allerdings soll der ursprünglich auf mehrere Tage angesetzte Jubiläumsparteitag zu 75 Jahren CDU stark eingekürzt und abgespeckt werden. Am 3. Dezember sollen Präsidium und Bundesvorstand tagen: Am nächsten Morgen soll der Parteitag beginnen und am Nachmittag enden. Auf dem Programm stehen demnach nur die Rede der scheidenden Parteichefin, die Aussprache darüber und die Wahl des Nachfolgers und des neuen Parteivorstands.
Wie soll ein Parteitag mit 1001 Delegierten unter Corona-Bedingungen funktionieren?
Indem es besondere Hygiene- und Abstandsvorschriften geben soll. So ist geplant, dass die Delegierten feste Plätze zugewiesen bekommen. Zudem soll jeder Teilnehmer ein „Badge“bekommen. Dieses Band soll per Vibration warnen, wenn man einem anderen Teilnehmer näher als 1,5 Meter kommt. Geplant sind überdies Einlasskontrollen mit Fiebermessung, zudem sollen Delegierte, Mitarbeiter und Journalisten räumlich getrennt werden. Alle Teilnehmer werden zudem aufgerufen, sich die Corona-Warn-App der Bundesregierung aufs Mobiltelefon zu laden. Da neben den parteitagsüblichen Tuschelrunden auch ausländische Gäste, Gastredner und auch die üblichen Stände von Sponsoren und Verbänden voraussichtlich fehlen, dürfte dieser Parteitag tatsächlich einen ganz anderen Charakter haben als frühere Treffen.
Was passiert, wenn Stuttgart vor dem Parteitag zum Corona-Hotspot wird?
Sollte das Gesundheitsamt den Parteitag in Stuttgart verbieten, gibt es zumindest mittelfristig noch einen Ausweichort, sagte Ziemiak. Sollte eine zweite Coronawelle Anfang Dezember ganz Deutschland erfassen, liegt der Parteitag Ziemiak zufolge „nicht mehr in meiner Entscheidungskompetenz, sondern in der der Behörden“. Was dann passiert, ist offen.
Warum ist der Parteitag für die CDU so wichtig?
Weil bei ihm geklärt werden soll, wer nach dem angekündigten Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer neuer CDU-Chef wird. Denkbar ist, dass der Parteichef dann auch Anspruch auf die Kanzlerkandidatur von CDU und CSU erheben könnte. Und die Zeit läuft: In nicht einmal einem Jahr ist Bundestagswahl.
Wird ein Mann CDU-Chef? Sehr wahrscheinlich, denn bislang gelten die drei Nordrhein-Westfalen Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen als aussichtsreiche Bewerber. Es gibt zwar weitere, aber die sind noch nicht öffentlich. Berichte, die Parteispitze wolle mit Agrarministerin Julia Klöckner eine Frau ins Rennen schicken, verwies die ins Reich der Märchen. Anders als voriges Jahr bei der Bundes-SPD sind übrigens bisher keine zentral geplanten Kandidatenvorstellungen vorgesehen.
Warum veranstaltet die CDU den Parteitag nicht virtuell?
Weil ein Präsenzparteitag bislang zwingend vorgegeben ist. Allerdings wolle man einen Weg finden, virtuelle Parteitage rechtssicher zu veranstalten. Nicht nur wegen Corona, sondern generell, betont Ziemiak.
Will die CDU Frauen künftig stärker fördern?
Das zumindest sieht ein Vorstoß von Kramp-Karrenbauer vor, hinter den sich am Montag der CDU-Vorstand gestellt hatte. Demnach will die Partei bis zum Jahr 2025 schrittweise eine Frauenquote von bis zu 50 Prozent einführen. Das soll bei Kreisvorständen ebenso gelten wie für die ersten zehn Listenplätze bei LandtagsBundestags- und Europawahlen. Doch ob das Ganze so kommt, ist noch offen. Über die neue Quote entscheiden soll der jetzige Parteitag coronabedingt noch nicht. Erst im kommenden Jahr soll die Quote beschlossen werden. Dann, wenn Kramp-Karrenbauer nicht mehr im Amt ist. Das Gleiche gilt für das neue Grundsatzprorgamm, das eigentlich in Stuttgart verabschiedet werden sollte.