Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die grüne Schlüsselposition
NRW-Grüne räumen bei Kommunalwahl ab – Auch Laschet hofft auf Aufwind
DÜSSELDORF (dpa) - Gegen die Grünen kann in Nordrhein-Westfalen nach der Kommunalwahl am Sonntag kaum noch „durchregiert“werden. Als stärkste Kraft haben sie den Rat in Köln erobert, der größten Stadt des Landes – ebenso wie in den Universitätsstädten Bonn und Münster. In mehreren weiteren kreisfreien Städten und Kreisen sind sie nun zweitstärkste Fraktion und könnten mit der CDU mächtige Mehrheiten bilden.
Ein Ergebnis mit beträchtlicher Strahlkraft, meint der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Stefan Marschall. „Die Grünen sind nicht nur irgendeine kleine Bündnispartei auf Ebene der Kommunen, sondern sie sind mittlerweile eine Schlüssel-Partei geworden, an der man bei der Bildung von Kooperationen und Bündnissen nur schwer vorbei kommt“, sagte er am Montag.
Eine neue Rolle für die Grünen im einwohnerstärksten Bundesland, die auch bundesweit mit großem Interesse verfolgt werden dürfte. Nicht nur bei der Kommunalwahl haben sie nun einen Sprung um über acht Punkte auf 20 Prozent geschafft. Seit der Bundestagswahl 2017 sind sie von ihrem damaligen 8,9-ProzentErgebnis in den Umfragen auf 19 Prozent nach oben geschnellt.
Der Durchmarsch der NRW-Grünen in den 23 kreisfreien Städten und 31 Kreisen – überall sind sie nun zweistellig – wird die politische Diskussion um Schwarz-Grün nach der nächsten Bundestagswahl befeuern. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der CDU-Bundesvorsitzender und Kanzlerkandidat werden möchte, gilt seit Langem als Politiker, der auch mit Grünen könnte, obwohl er die FDP vorziehen würde.
Erst vergangene Woche hatte Laschet davor gewarnt, bei der Aufstellung
für das Spitzenamt allein darauf zu achten, ob der Kandidat „ins Portfolio der FDP passt“. Schließlich sei unklar, ob die es wieder in den Bundestag schaffe. Der CDU-Vorstand müsse die christlich-soziale, die liberale und die konservative Wurzel der CDU abbilden – ein Anforderungsprofil, mit dem der 59-Jährige eher sich selbst beschrieben haben mag als seine Konkurrenten, den ehemaligen Fraktionschef Friedrich Merz und den Außenpolitiker Norbert Röttgen.
Vor den Sitzungen der CDU-Bundesgremien in Berlin zeigte sich Laschet am Montag erleichtert. Dass die CDU in NRW stärkste Kraft geblieben sei, gebe auch „Rückenwind für den Kurs der Mitte“. Das ging natürlich in Richtung Merz. Laschet will die Wahl des Parteivorsitzenden Anfang Dezember zur Richtungsentscheidung machen: Sein Mitte-Kurs in Abgrenzung zum Wirtschaftsexperten
Merz, der auf eine klarere Betonung des konservativen Profils setzt. Politikwissenschaftler Marschall spürt nach der Kommunalwahl jedoch weder Rücken- noch Gegenwind für Laschet. Zwar sei die CDU in NRW stärkste Kraft geblieben, habe aber mit 34,3 Prozent gleichzeitig ihr schlechtestes Kommunalwahlergebnis der Nachkriegszeit eingefahren. „Das wirkt erstmal nicht wie ein Sieg. Das hält aber niemanden ab, das so zu interpretieren.“
Für Laschet dürften die Ergebnisse eine Stabilisierung im Machtkampf um den CDU-Vorsitz sein – aber kein Durchbruch. Offen bleibt nach wie vor, was er tun will, um seine miesen Umfragewerte zur Kanzlerkandidatur zu verbessern. Nach einer repräsentativen Kantar-Umfrage für „Bild am Sonntag“liegt der Aachener mit 8 Prozent nur auf dem letzten Rang, hinter Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder (31 Prozent), Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (14 Prozent) und Merz (13 Prozent).
Vergleichsweise düster sieht es dagegen für die SPD aus. Auch sie erzielte ihr historisch schlechtestes Kommunalwahlergebnis in NRW – blieb mit 24,3 Prozent allerdings noch zehn Punkte hinter der CDU. Dennoch hielt Parteichef Norbert Walter-Borjans im ARD-„Morgenmagazin“an seiner Interpretation fest: „Das Tal haben wir mit der Europawahl durchschritten.“In NRW war die SPD dabei im vergangenen Mai auf 19,2 Prozent abgestürzt.
Bemerkenswert aus Sicht des Politikwissenschaftlers ist das magere Abschneiden der AfD mit nur fünf Prozent. Damit habe die Partei im generell eher liberalen, weltoffenen Einwandererland NRW erneut nicht annähernd an ostdeutsche Erfolge anknüpfen könne. Marschall stellte fest: „Nordrhein-Westfalen ist kein Stammland der AfD.“