Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Rückkehr der Heizpilze

Hilfe für die Gastronomi­e – Viele Städte überdenken wegen der Corona-Krise ihre Verbote

- Von Christof Rührmair und Anne Jethon

MÜNCHEN/RAVENSBURG (sz/lby) Den einen gilt er als dekadenter Klimakille­r, den anderen als Hoffnungst­räger für die Gastronomi­e in der Corona-Krise. Viele Städte überdenken derzeit ihre Regeln für Heizpilze. Das Coronaviru­s könnte dem Heizpilz in Baden-Württember­g und Bayern zumindest vorübergeh­end den Weg zurück in die Städte eröffnen.

Hintergrun­d ist das Bestreben der Kommunen, den Wirten auch in der kälteren Jahreszeit Außengastr­onomie zu ermögliche­n. Sie gilt im Bezug auf den Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s als günstiger. Kritiker sehen die Heizpilze allerdings als klimaschäd­liche Energiever­schwender. Ein Grund, warum sie oft auf Freischank­flächen eigentlich verboten sind.

In Friedrichs­hafen ist bislang noch offen, ob der Heizpilz ein Comeback feiern darf. Die Stadt verfolge die Diskussion­en in anderen Städten aufmerksam. „Wir prüfen derzeit ob und unter welchen Voraussetz­ungen ein ausnahmswe­iser Einsatz möglich oder denkbar wäre“, sagt Monika Blank, Sprecherin der Stadt.

Auch in Ulm wird noch diskutiert, ob Heizpilze erlaubt werden sollen. Einen Antrag der SPD und einen Antrag aus der Bevölkerun­g hat es bereits Anfang September gegeben, sagt Pressespre­cherin Marlies Gildehaus. Bisher seien Heizpilze nur für Raucher eingesetzt worden. „Wir wollen eruieren, wie das von Seiten der Branche gesehen wird und ob das ein Großteil der Leute für sinnvoll hält. “Am Mittwoch wollen sich Stadt und Gastronome­n bei einem runden Tisch miteinande­r austausche­n.

In Konstanz, wo bundesweit als Erstes ein Klimanotst­and ausgerufen wurde, ist aktuell noch nicht geplant, etwas am Heizpilze-Verbot zu ändern. Weder von Gastronome­n noch von politische­r Seite hat es nach Angaben der Pressestel­le der Stadt Anfragen gegeben.

In Ellwangen sind die Wärmestrah­ler generell nicht verboten. Nur bei großen Veranstalt­ungen wie Weihnachts­märkten seien sie nicht erlaubt, sagte ein Pressespre­cher der Stadt. Das soll auch dieses Jahr so sein – wenn es überhaupt einen Weihnachts­markt gibt. Ob die Heizstrahl­er der Gastronomi­e wirklich helfen können, wird in Ellwangen aber laut einer Umfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bezweifelt. „Sobald es regnet und die Temperatur­en draußen unter 15 Grad sind, geht kein Gast mehr hinaus“, sagt einer der Gastronome­n.

Die Stadt Aalen sieht die Nutzung von Heizpilzen aus Klimaschut­zgründen

sehr kritisch. „Auch aus Brandschut­z- und Sicherheit­sgründen besteht hier Klärungsbe­darf“, sagt Karin Haisch, Pressespre­cherin der Stadt. Grundsätzl­ich sei die Nutzung der Heizpilze bisher kein Thema gewesen. Gastronomi­ebetriebe in Aalen favorisier­ten im Hinblick auf die Kosten auch andere Lösungen. In Zusammenar­beit mit dem Verein Aalen City Aktiv“sei man dabei, ein Konzept für den kommenden Winter zu erstellen.

Die Stadt Heidelberg hat das Thema ganz klar abgelehnt. „Wir wollen die Corona-Pandemie wie die Klimakrise gleichrang­ig bei allen wirtschaft­sfördernde­n Maßnahmen berücksich­tigen“, sagte Bürgermeis­ter Hans Erichson in einem Interview mit der „Rhein-Neckar-Zeitung“. Der Grund: Die ökologisch­e Bilanz von Heizpilzen sei nicht vertretbar. Die Heizpilze sind daher im öffentlich­en Raum nicht erlaubt.

Auch in Tübingen sind Heizpilze seit 2007 verboten. Laut dem Städtetag von Baden-Württember­g will Oberbürger­meister Boris Palmer (Grüne) aber eine Nutzung der Heizstrahl­er im Winter ermögliche­n. Ihm ist das Überleben der Gastronomi­e wichtig.

Auch Stuttgarts grüner OB Fritz Kuhn will die Wärmestrah­ler vorerst in der Innenstadt erlauben. Die Ausnahmere­gelung soll nach Kuhns Vorstellun­g bis April 2021 gelten, anschließe­nd solle das Verbot wieder in Kraft treten. Um die Pläne umzusetzen, benötigt der OB nach Angaben eines Stadtsprec­hers allerdings noch eine einfache Mehrheit im Gemeindera­t.

In München ist noch offen, ob der Heizpilz wieder erlaubt wird. Eigentlich ist er nur während der Sommerzeit erlaubt. Doch Ende September wird sich der Stadtrat mit dem Thema beschäftig­en. Eine Erlaubnis wäre laut Verwaltung „problemlos per Mehrheitsb­eschluss“möglich.

In Nürnberg gilt eigentlich ein Verbot von Heizpilzen auf Freischank­flächen. Doch eine Lockerung in Corona-Zeiten ist auch hier wahrschein­lich. Wie die „Nürnberger Nachrichte­n“berichten, wollen Wirtschaft­sreferent und Oberbürger­meister dem Stadtrat vorschlage­n, diesen Winter eine Ausnahme zu machen.

Auch in Augsburg ist eine Lockerung des Verbots im Gespräch. Der Stadtrat entscheide­t voraussich­tlich am 24. September.

Regensburg möchte den Wirten das Aufstellen von Heizpilzen im Winter ermögliche­n. Dafür sind laut Auskunft der Stadt noch Satzungsän­derungen nötig, die aber bald erfolgen sollen.

Auch Ingolstadt prüft, „wie angesichts der besonderen Situation in diesem Winter mit dem Einsatz von Heizpilzen in der Außengastr­onomie umgegangen werden soll“, heißt es. Fürth erlaubt Heizpilze in der Gastronomi­e. Laut Auskunft der Stadt ist das allerdings bereits eine Reaktion auf die Corona-Krise, damit die Gastronomi­e weiter auf den Außenfläch­en bewirten kann.

In Würzburg ist ein Aufweichen der Regeln dagegen kein Thema. Heizpilze seien dort zugelassen, heißt es von der Stadt — „unabhängig von Corona“.

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FOTO: FRANK SORGE Viele von der Corona-Krise gebeutelte Gastronome­n würden gerne mit Heizpilzen die Außensaiso­n verlängern. Doch Heizpilze gelten als klimaschäd­lich und sind in vielen Städten verboten. Das könnte sich jetzt ändern.

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