Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Rückkehr der Heizpilze
Hilfe für die Gastronomie – Viele Städte überdenken wegen der Corona-Krise ihre Verbote
MÜNCHEN/RAVENSBURG (sz/lby) Den einen gilt er als dekadenter Klimakiller, den anderen als Hoffnungsträger für die Gastronomie in der Corona-Krise. Viele Städte überdenken derzeit ihre Regeln für Heizpilze. Das Coronavirus könnte dem Heizpilz in Baden-Württemberg und Bayern zumindest vorübergehend den Weg zurück in die Städte eröffnen.
Hintergrund ist das Bestreben der Kommunen, den Wirten auch in der kälteren Jahreszeit Außengastronomie zu ermöglichen. Sie gilt im Bezug auf den Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus als günstiger. Kritiker sehen die Heizpilze allerdings als klimaschädliche Energieverschwender. Ein Grund, warum sie oft auf Freischankflächen eigentlich verboten sind.
In Friedrichshafen ist bislang noch offen, ob der Heizpilz ein Comeback feiern darf. Die Stadt verfolge die Diskussionen in anderen Städten aufmerksam. „Wir prüfen derzeit ob und unter welchen Voraussetzungen ein ausnahmsweiser Einsatz möglich oder denkbar wäre“, sagt Monika Blank, Sprecherin der Stadt.
Auch in Ulm wird noch diskutiert, ob Heizpilze erlaubt werden sollen. Einen Antrag der SPD und einen Antrag aus der Bevölkerung hat es bereits Anfang September gegeben, sagt Pressesprecherin Marlies Gildehaus. Bisher seien Heizpilze nur für Raucher eingesetzt worden. „Wir wollen eruieren, wie das von Seiten der Branche gesehen wird und ob das ein Großteil der Leute für sinnvoll hält. “Am Mittwoch wollen sich Stadt und Gastronomen bei einem runden Tisch miteinander austauschen.
In Konstanz, wo bundesweit als Erstes ein Klimanotstand ausgerufen wurde, ist aktuell noch nicht geplant, etwas am Heizpilze-Verbot zu ändern. Weder von Gastronomen noch von politischer Seite hat es nach Angaben der Pressestelle der Stadt Anfragen gegeben.
In Ellwangen sind die Wärmestrahler generell nicht verboten. Nur bei großen Veranstaltungen wie Weihnachtsmärkten seien sie nicht erlaubt, sagte ein Pressesprecher der Stadt. Das soll auch dieses Jahr so sein – wenn es überhaupt einen Weihnachtsmarkt gibt. Ob die Heizstrahler der Gastronomie wirklich helfen können, wird in Ellwangen aber laut einer Umfrage der „Schwäbischen Zeitung“bezweifelt. „Sobald es regnet und die Temperaturen draußen unter 15 Grad sind, geht kein Gast mehr hinaus“, sagt einer der Gastronomen.
Die Stadt Aalen sieht die Nutzung von Heizpilzen aus Klimaschutzgründen
sehr kritisch. „Auch aus Brandschutz- und Sicherheitsgründen besteht hier Klärungsbedarf“, sagt Karin Haisch, Pressesprecherin der Stadt. Grundsätzlich sei die Nutzung der Heizpilze bisher kein Thema gewesen. Gastronomiebetriebe in Aalen favorisierten im Hinblick auf die Kosten auch andere Lösungen. In Zusammenarbeit mit dem Verein Aalen City Aktiv“sei man dabei, ein Konzept für den kommenden Winter zu erstellen.
Die Stadt Heidelberg hat das Thema ganz klar abgelehnt. „Wir wollen die Corona-Pandemie wie die Klimakrise gleichrangig bei allen wirtschaftsfördernden Maßnahmen berücksichtigen“, sagte Bürgermeister Hans Erichson in einem Interview mit der „Rhein-Neckar-Zeitung“. Der Grund: Die ökologische Bilanz von Heizpilzen sei nicht vertretbar. Die Heizpilze sind daher im öffentlichen Raum nicht erlaubt.
Auch in Tübingen sind Heizpilze seit 2007 verboten. Laut dem Städtetag von Baden-Württemberg will Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) aber eine Nutzung der Heizstrahler im Winter ermöglichen. Ihm ist das Überleben der Gastronomie wichtig.
Auch Stuttgarts grüner OB Fritz Kuhn will die Wärmestrahler vorerst in der Innenstadt erlauben. Die Ausnahmeregelung soll nach Kuhns Vorstellung bis April 2021 gelten, anschließend solle das Verbot wieder in Kraft treten. Um die Pläne umzusetzen, benötigt der OB nach Angaben eines Stadtsprechers allerdings noch eine einfache Mehrheit im Gemeinderat.
In München ist noch offen, ob der Heizpilz wieder erlaubt wird. Eigentlich ist er nur während der Sommerzeit erlaubt. Doch Ende September wird sich der Stadtrat mit dem Thema beschäftigen. Eine Erlaubnis wäre laut Verwaltung „problemlos per Mehrheitsbeschluss“möglich.
In Nürnberg gilt eigentlich ein Verbot von Heizpilzen auf Freischankflächen. Doch eine Lockerung in Corona-Zeiten ist auch hier wahrscheinlich. Wie die „Nürnberger Nachrichten“berichten, wollen Wirtschaftsreferent und Oberbürgermeister dem Stadtrat vorschlagen, diesen Winter eine Ausnahme zu machen.
Auch in Augsburg ist eine Lockerung des Verbots im Gespräch. Der Stadtrat entscheidet voraussichtlich am 24. September.
Regensburg möchte den Wirten das Aufstellen von Heizpilzen im Winter ermöglichen. Dafür sind laut Auskunft der Stadt noch Satzungsänderungen nötig, die aber bald erfolgen sollen.
Auch Ingolstadt prüft, „wie angesichts der besonderen Situation in diesem Winter mit dem Einsatz von Heizpilzen in der Außengastronomie umgegangen werden soll“, heißt es. Fürth erlaubt Heizpilze in der Gastronomie. Laut Auskunft der Stadt ist das allerdings bereits eine Reaktion auf die Corona-Krise, damit die Gastronomie weiter auf den Außenflächen bewirten kann.
In Würzburg ist ein Aufweichen der Regeln dagegen kein Thema. Heizpilze seien dort zugelassen, heißt es von der Stadt — „unabhängig von Corona“.