Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schweizer lassen nach Konstanz liefern
Autos, Rollrasen, Kajak – Eidgenossen holen sich ihre bestellte Ware selbst ab
KONSTANZ (lsw) - Wenn Schweizer in Deutschland Ware bestellen möchten, sind die Portokosten mitunter sehr hoch – manche Firmen liefern auch gar nicht in die Schweiz. Eine Konstanzerin hat dafür die Lösung: Sie bietet eidgenössischen Kunden eine deutsche Lieferadresse.
Angefangen hat alles mit ein paar Kartons in ihrer Wohnung. „Ein Bekannter hatte gefragt, ob wir eine Kiste Wein für ihn annehmen könnten“, sagt Mandy Klein. Etwas später kommt noch eine Anfrage, dann noch eine und noch eine. Zunächst macht die Konstanzerin das aus reiner Hilfsbereitschaft – denn für Schweizer sind die Portokosten für Pakete aus Deutschland mitunter hoch. Doch als ihre Wohnung immer voller wird, entsteht eine Geschäftsidee: Mandy Klein bietet Eidgenossen seitdem eine deutsche Lieferadresse.
Die ersten drei Jahre betreibt sie ihr Unternehmen weiterhin von ihrer Wohnung aus. „Ich habe auch schon neben einer Stoßstange geschlafen.“Zuletzt sei der Platz aber eng geworden und rund 150 bis 200 Menschen durch die Wohnung gelaufen, manche hätten sogar mitten in der Nacht geklingelt. Als 2013 in der Konstanzer Innenstadt ein Ladengeschäft frei wird, übernimmt es Klein. 2014 folgte eine zweite Filiale im Industriegebiet, später noch ein Geschäft in Singen. Heute hat die Unternehmerin 20 Mitarbeiter an den drei Standorten.
Und so funktioniert ihre Geschäftsidee: Wenn ein Schweizer in Deutschland etwas bestellen will, kann er das Paket zu Klein schicken lassen. Die 50-Jährige nimmt die Ware an und verlangt dafür entsprechende Gebühren: Ein Brief kostet beispielsweise 1,50 Euro, ein kleines Paket 3 Euro, ein Fahrrad 20 Euro, – und wer ein Auto zu Klein liefern lassen will, zahlt 50 Euro. Die Lagerfristen sind dabei unterschiedlich: Für alle Sendungen bis fünf Euro gelten 14 Kalendertage, ein Auto wird dagegen pro Tag abgerechnet.
Und das ist längst nicht das Kurioseste, was die Unternehmerin schon für die Eidgenossen angenommen hat: Es seien auch ein Rollrasen, Kajaks und ein Tieflader dabei gewesen – und einmal ein halbes Flugzeug, aus dem der Kunde einen Flugsimulator gemacht habe, sagt Klein.
Inzwischen hat die Idee auch Nachahmer gefunden – es gibt mehrere weitere Mitbewerber in der Bodenseeregion. Doch wie groß die Nische überhaupt ist und wie viel Umsatz
mit solchen Lieferadressen gemacht wird, lasse sich schwer einschätzen, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden, Utz Geiselhart.
„Das ist sicherlich ein kleines Spektrum. Die Unternehmen gibt es ja nur entlang der Schweizer Grenze.“Da ihre Anzahl überschaubar sei, gebe es auch keinen entsprechenden
Verband, in dem sie organisiert seien. „Das sind häufig Ein-Mann-Unternehmen.“
Auch Mandy Klein will über ihren Umsatz keine genauen Angaben machen. „Man kann gut davon leben, aber stinkereich werde ich nicht“, sagt sie lachend. Genug Bedarf sieht sie aber: „Es gibt über sieben Millionen Schweizer.“Ihre Kunden kämen auch nicht nur aus der eidgenössischen Grenzregion, sondern aus dem ganzen Land. Hinzu kämen weitere Besteller aus anderen Ländern, beispielsweise aus den USA, Ungarn und Japan. Sie ordern die Ware in Deutschland, und Klein schickt sie ihnen zu, wenn die Firmen in ihr Land nicht liefern.
Aber ist das eigentlich alles rechtlich zulässig? Ja, sagt Mark Eferl vom Hauptzollamt in Singen. Grundsätzlich könne man sich alles liefern lassen, was legal sei. Allerdings müsse man die geltenden Zollbestimmungen beachten. Dazu heißt es auch bei den Schweizer Kollegen: „Wenn Sie aus dem Ausland zurückkehren oder wenn Sie in die Schweiz reisen, dürfen Sie Waren bis zu einem Gesamtwert von 300 Franken mehrwertsteuerfrei einführen (Wertfreigrenze), sofern diese für Ihren privaten Gebrauch oder zum Verschenken bestimmt sind.“