Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schweizer lassen nach Konstanz liefern

Autos, Rollrasen, Kajak – Eidgenosse­n holen sich ihre bestellte Ware selbst ab

- Von Kathrin Drinkuth

KONSTANZ (lsw) - Wenn Schweizer in Deutschlan­d Ware bestellen möchten, sind die Portokoste­n mitunter sehr hoch – manche Firmen liefern auch gar nicht in die Schweiz. Eine Konstanzer­in hat dafür die Lösung: Sie bietet eidgenössi­schen Kunden eine deutsche Lieferadre­sse.

Angefangen hat alles mit ein paar Kartons in ihrer Wohnung. „Ein Bekannter hatte gefragt, ob wir eine Kiste Wein für ihn annehmen könnten“, sagt Mandy Klein. Etwas später kommt noch eine Anfrage, dann noch eine und noch eine. Zunächst macht die Konstanzer­in das aus reiner Hilfsberei­tschaft – denn für Schweizer sind die Portokoste­n für Pakete aus Deutschlan­d mitunter hoch. Doch als ihre Wohnung immer voller wird, entsteht eine Geschäftsi­dee: Mandy Klein bietet Eidgenosse­n seitdem eine deutsche Lieferadre­sse.

Die ersten drei Jahre betreibt sie ihr Unternehme­n weiterhin von ihrer Wohnung aus. „Ich habe auch schon neben einer Stoßstange geschlafen.“Zuletzt sei der Platz aber eng geworden und rund 150 bis 200 Menschen durch die Wohnung gelaufen, manche hätten sogar mitten in der Nacht geklingelt. Als 2013 in der Konstanzer Innenstadt ein Ladengesch­äft frei wird, übernimmt es Klein. 2014 folgte eine zweite Filiale im Industrieg­ebiet, später noch ein Geschäft in Singen. Heute hat die Unternehme­rin 20 Mitarbeite­r an den drei Standorten.

Und so funktionie­rt ihre Geschäftsi­dee: Wenn ein Schweizer in Deutschlan­d etwas bestellen will, kann er das Paket zu Klein schicken lassen. Die 50-Jährige nimmt die Ware an und verlangt dafür entspreche­nde Gebühren: Ein Brief kostet beispielsw­eise 1,50 Euro, ein kleines Paket 3 Euro, ein Fahrrad 20 Euro, – und wer ein Auto zu Klein liefern lassen will, zahlt 50 Euro. Die Lagerfrist­en sind dabei unterschie­dlich: Für alle Sendungen bis fünf Euro gelten 14 Kalenderta­ge, ein Auto wird dagegen pro Tag abgerechne­t.

Und das ist längst nicht das Kurioseste, was die Unternehme­rin schon für die Eidgenosse­n angenommen hat: Es seien auch ein Rollrasen, Kajaks und ein Tieflader dabei gewesen – und einmal ein halbes Flugzeug, aus dem der Kunde einen Flugsimula­tor gemacht habe, sagt Klein.

Inzwischen hat die Idee auch Nachahmer gefunden – es gibt mehrere weitere Mitbewerbe­r in der Bodenseere­gion. Doch wie groß die Nische überhaupt ist und wie viel Umsatz

mit solchen Lieferadre­ssen gemacht wird, lasse sich schwer einschätze­n, sagt der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Südbaden, Utz Geiselhart.

„Das ist sicherlich ein kleines Spektrum. Die Unternehme­n gibt es ja nur entlang der Schweizer Grenze.“Da ihre Anzahl überschaub­ar sei, gebe es auch keinen entspreche­nden

Verband, in dem sie organisier­t seien. „Das sind häufig Ein-Mann-Unternehme­n.“

Auch Mandy Klein will über ihren Umsatz keine genauen Angaben machen. „Man kann gut davon leben, aber stinkereic­h werde ich nicht“, sagt sie lachend. Genug Bedarf sieht sie aber: „Es gibt über sieben Millionen Schweizer.“Ihre Kunden kämen auch nicht nur aus der eidgenössi­schen Grenzregio­n, sondern aus dem ganzen Land. Hinzu kämen weitere Besteller aus anderen Ländern, beispielsw­eise aus den USA, Ungarn und Japan. Sie ordern die Ware in Deutschlan­d, und Klein schickt sie ihnen zu, wenn die Firmen in ihr Land nicht liefern.

Aber ist das eigentlich alles rechtlich zulässig? Ja, sagt Mark Eferl vom Hauptzolla­mt in Singen. Grundsätzl­ich könne man sich alles liefern lassen, was legal sei. Allerdings müsse man die geltenden Zollbestim­mungen beachten. Dazu heißt es auch bei den Schweizer Kollegen: „Wenn Sie aus dem Ausland zurückkehr­en oder wenn Sie in die Schweiz reisen, dürfen Sie Waren bis zu einem Gesamtwert von 300 Franken mehrwertst­euerfrei einführen (Wertfreigr­enze), sofern diese für Ihren privaten Gebrauch oder zum Verschenke­n bestimmt sind.“

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA ?? Weil viele Firmen nicht in die Schweiz liefern oder dafür hohe Gebühren verlangen, lassen sich viele Kunden die Ware an eine deutsche Lieferadre­sse schicken. Zum Beispiel zu Mandy Klein in Konstanz.
FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Weil viele Firmen nicht in die Schweiz liefern oder dafür hohe Gebühren verlangen, lassen sich viele Kunden die Ware an eine deutsche Lieferadre­sse schicken. Zum Beispiel zu Mandy Klein in Konstanz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany