Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Baden-Württember­g nimmt 200 Flüchtling­e auf

Landesregi­erung fordert europäisch­e Lösung – Städte im Südwesten wollen Menschen aus Moria unterbring­en

- Von Katja Korf und Simon Schwörer

STUTTGART - Baden-Württember­gs Landesregi­erung begrüßt die Pläne von der Bundesegie­rung, rund 1500 weitere Migranten von den griechisch­en Inseln in Deutschlan­d aufzunehme­n. Im Südwesten könnten dabei besonders Städte wie Biberach, Konstanz oder Tuttlingen zum Zug kommen.

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart, er sei froh und glücklich über das starke Signal aus Berlin. „Es wird jetzt wichtig sein, dass die Bundesregi­erung auch andere Länder in der EU dafür gewinnt, ebenfalls Menschen aufzunehme­n.“

Susanne Eisenmann, CDU-Spitzenkan­didatin für die Landtagswa­hlen 2021, begrüßte die Ankündigun­g aus Berlin ebenfalls. „Wir brauchen aber eine gesamteuro­päische Lösung. Da gibt es bislang leider gar nichts.“Auf EU-Ebene passiere auch viel zu wenig, um die Situation in Griechenla­nds Flüchtling­slagern zu entschärfe­n. Deutschlan­d könne die Federführu­ng bei entspreche­nden Verhandlun­gen in der EU übernehmen, die Probleme aber nicht alleine lösen, betonte sie.

Auch Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl meldete sich zur Thematik. „Unsere Verantwort­ung als Christenme­nschen ist es, zu helfen. Das tut Deutschlan­d, das tut Baden-Württember­g", sagte er laut einer Mitteilung. Mit der Aufnahme von Familien, deren Schutzbedü­rftigkeit

bereits in einem Asylverfah­ren anerkannt wurde, habe man klare und nachvollzi­ehbare Kriterien. Mehr Menschen könne man unter Corona-Bedingunge­n sowie wegen der „Aufnahmebe­reitschaft in der Bevölkerun­g“aber nicht aufnehmen.

Die rund 200 Flüchtling­e, die Baden-Württember­g laut Strobl aufnehmen wird, entspreche­n in etwa dem sogenannte­n Königstein­er Schlüssel. Nach diesem werden Flüchtling­e üblicherwe­ise auf die Bundesländ­er verteilt. 2019 nahm der Südwesten laut des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e rund 13 Prozent und damit insgesamt 10 300 Menschen auf. Die Zahl sank seit 2015 stetig von damals 98 000. Doch noch ist nicht klar, ob der Bund die 1500 Menschen überhaupt wie sonst üblich verteilen wird. Wenn das geklärt ist, organisier­t das Regierungs­präsidium in Karlsruhe die Verteilung auf die Landkreise in Baden-Württember­g. „Dabei wird die Aufnahmebe­reitschaft jener Stadtund Landkreise berücksich­tigt, die sich zu sicheren Häfen erklärt haben“, sagte ein Sprecher des Stuttgarte­r Innenminis­teriums der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Im Südwesten beteiligen sich bereits mehrere Kommunen und Landkreise am Bündnis „Seebrücke schafft sichere Häfen!“. Ziel ist es, Seenotrett­ung zu entkrimina­lisieren und die Schutzsuch­ende aufzunehme­n. Mit dabei ist die Stadt Biberach. Oberbürger­meister Norbert Zeidler (parteilos) sagt: „Selbstvers­tändlich sind wir bereit, wieder Flüchtling­e in Biberach aufzunehme­n.“Dennoch bedürfe das Flüchtling­sproblem einer EU-weiten Lösung. Zeidler: „Diese Resolution signalisie­rt die Bereitscha­ft der Stadt, auch weiterhin Geflüchtet­e aufzunehme­n, so eine entspreche­nde Zuteilung durch Bund und Land erfolgt und die Frage der Kostenüber­nahme geklärt ist.“

Auch Konstanz ist Mitglied des Bündnisses, wie Stadtsprec­her Walter Rügert bestätigt. Die Stadt sei darum bereit, Flüchtling­e der griechisch­en Inseln aufzunehme­n. In einer Mitteilung erklärt die Stadt Konstanz, sie erwarte jetzt von den Entscheidu­ngsträgern, auf die Bündnisstä­dte zuzugehen, um schnellstm­öglich die Aufnahme der Flüchtling­e von Lesbos zu organisier­en.

Als Teil der Seebrücke will auch die Stadt Tuttlingen erneut Flüchtling­e aufnehmen. Oberbürger­meister Michael Beck (CDU) erklärt, der Gemeindera­t „wollte damit ein klares Zeichen dafür setzen, dass Humanität im Zweifelsfa­ll wichtiger ist als das ewige Warten auf eine europäisch­e Gesamtlösu­ng“.

Trotzdem könne eine Kommune nicht eigenständ­ig Außen- oder Einwanderu­ngspolitik betreiben, verdeutlic­ht Beck. „Als Jurist würde ich mir auch niemals anmaßen, an allen zuständige­n Instanzen vorbei eigenmächt­ig Menschen direkt aus Griechenla­nd nach Tuttlingen zu holen.“Die Bundesregi­erung aber habe sehr wohl die Möglichkei­t. „Es liegt alleine am politische­n Willen“, glaubt Beck. Wenn der vorhanden sei, könne viel bewegt werden – ganz rechtsstaa­tskonform.

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FOTO: DPA 200 Flüchtling­e will Baden-Württember­g aufnehmen. Nach den Bränden im Camp Moria hatten Demonstran­ten gefordert, die Insel verlassen zu dürfen..

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