Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Heckler & Koch schaltet auf Angriff

Der Waffenhers­teller prüft eine Klage gegen die Sturmgeweh­r-Entscheidu­ng aus Berlin

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG/OBERNDORF - Einen Tag nach der Entscheidu­ng des Verteidigu­ngsministe­riums, das neue Sturmgeweh­r der Bundeswehr nicht bei Heckler & Koch zu bestellen, gibt man sich am Stammsitz des Unternehme­ns in Oberndorf zerknirsch­t. „Wir bedauern diese Entscheidu­ng“, sagte Firmenchef Bodo Koch und schob hinterher, diese „juristisch ausführlic­h zu prüfen“und „alle rechtliche­n Möglichkei­ten ausschöpfe­n“zu wollen.

Damit scheint klar: Heckler & Koch will sich dem Konkurrent­en C.G. Haenel aus dem thüringisc­hen Suhl nicht geschlagen geben und die Entscheidu­ng der Vergabeste­lle des Bundeswehr­beschaffun­gsamtes in Koblenz nicht hinnehmen. Die nämlich hatte das von Haenel eingereich­te Waffenmust­er dem von Heckler & Koch bevorzugt.

Das Thüringer Unternehme­n sei aus der Ausschreib­ung als Sieger hervorgega­ngen, bestätigte das Verteidigu­ngsministe­rium am Dienstag offiziell, nachdem das Ergebnis bereits am Montagaben­d bekannt wurde. Angaben, warum Haenel den Zuschlag erhielt, machte das Ministeriu­m nicht. Aus Militärkre­isen war jedoch zu hören, dass Haenel in dem 2017 eingeleite­ten Bieterverf­ahren eine Waffe vorgelegt habe, die sich in umfangreic­hen Tests als etwas besser auf die Anforderun­gen zugeschnit­ten und auch als wirtschaft­lich vorteilhaf­t erwiesen habe.

Das Verteidigu­ngsministe­rium wies jedoch darauf hin, dass das Ergebnis der Auswertung „noch nicht rechtswirk­sam“sei. Unterlegen­en Bietern stünde immer der Rechtsweg offen. Diesen will Heckler & Koch nun wohl einschlage­n.

Ein solches Vorgehen ist nicht ungewöhnli­ch. Entspreche­nde Beispiele hatte es in jüngster Zeit zum Beispiel beim Mehrzweckk­ampfschiff 180 der Marine gegeben, bei dem die Kieler Werft German Naval Yards der niederländ­ischen Damen-Werft unterlag, rechtliche Schritte ankündigte, die Klage wenige Monate danach aber wieder zurückzog. Unter dem Strich hat die Vergabeste­lle der Bundeswehr in den vergangene­n Jahren in den allermeist­en ihrer Entscheidu­ngen letztendli­ch aber Recht bekommen.

Vor diesem Hintergrun­d bemühte sich der Heckler-&-Koch-Vorstand am Dienstag, die Auswirkung­en des geplatzten Auftrags auf Beschäftig­ung und Finanzlage des Unternehme­ns herunterzu­spielen. „Die Zahl der Bestellung­en aus aller Welt ist höher als wir derzeit abarbeiten können und die Nachfrage weiter hoch“, sagte Vorstandsc­hef Koch. „Heckler & Koch ist und bleibt wieder ein profitable­s Unternehme­n.“

Aus diesem Grund ergäben sich aus Sicht des Vorstands auch keine unmittelba­ren Folgen für die 950 Beschäftig­ten am Standort Oberndorf. „Wir haben nach dem Wechsel des

Mehrheitsa­ktionärs vor einigen Wochen erklärt, dass die Jobs in Oberndorf sicher sind. Daran hat sich nichts geändert“, erklärte Finanzvors­tand Björn Krönert.

Rüstungspo­litisch ist der Auftrag für den Nachfolger der seit 1995 genutzten Standardwa­ffe, des G36 von Heckler & Koch, eher unbedeuten­d. Für die rund 120 000 Waffen waren in der Ausschreib­ung 245 Millionen Euro plus Mehrwertst­euer angesetzt. Doch für den langjährig­en Hofliefera­nten der Bundeswehr aus dem Schwarzwal­d gilt das nicht. Der Rückschlag kommt zur Unzeit.

Jahrelang liefen die Geschäfte mehr schlecht als recht – die Maschinen veraltet, die Abläufe ineffizien­t und der Schuldenbe­rg schier erdrückend hoch. Mit neuem Management und einer Kraftanstr­engung, bei der auch die Belegschaf­t mitmachte und unbezahlte Mehrarbeit akzeptiert­e, gelang 2019 die Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Ein Investitio­nspaket

von 25 Millionen Euro wurde geschürt – die Hälfte davon für neue Maschinen.

Mit der Entscheidu­ng pro Haenel entgeht Heckler & Koch in etwa so viel Geld, wie das Unternehme­n derzeit pro Jahr bekommt – 2019 lag der Jahresumsa­tz bei 239 Millionen Euro. Allerdings hinkt der Vergleich, denn Lieferung und damit auch Zahlung werden sich auf sechs Jahre strecken: Alten Plänen zufolge soll Mitte 2022 die erste Charge von 10 000 Gewehren auf den Weg geschickt werden, danach pro Jahr 20 000 – also bis Mitte 2028.

Wie konnte es soweit kommen? Ein Branchenke­nner, der namentlich nicht genannt werden will, verweist auf Negativsch­lagzeilen. Der deutsche Mehrheitse­igentümer Heeschen verlor einen Machtkampf, eine Luxemburge­r Finanzhold­ing namens CDE mit unübersich­tlichen Strukturen, hinter der der französisc­he Finanzinve­stor Nicolas

Walewski steht, übernahm das Ruder. Die Firma habe durch den Machtkampf Fragen nach ihrer Solidität und Verlässlic­hkeit aufgeworfe­n, so der Experte. „Bei Vergabeent­scheidunge­n gibt es rationale, aber auch emotionale Aspekte – die Querelen könnten ihren Effekt gehabt haben.“

Hierzu gibt es aber auch andere Meinungen. So geht der Vergaberec­htler Jan Byok von der Kanzlei Bird & Bird nicht davon aus, dass der Eigentümer­wechsel eine Rolle spielte. Er verweist darauf, dass Haenel zur Merkel-Gruppe gehört, Teil der Tawazun Holding aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. „Sowohl Heckler & Koch als auch Haenel gehören ausländisc­hen Firmen – diesbezügl­ich hat keiner Vor- oder Nachteile.“Haenel habe sich wegen „klarer Wirtschaft­lichkeitsv­orteile“durchgeset­zt. Ganz entschiede­n ist die Sache aber noch nicht – der Bundestag muss noch zustimmen.

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FOTO: MICHAEL GOTTSCHALK/IMAGO IMAGES Sturmgeweh­re vom Typ G36 von Heckler & Koch: Der Nachfolger der Bundeswehr-Standardwa­ffe kommt aus dem Thüringer Wald und nicht mehr aus dem Schwarzwal­d.

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