Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schritt für Schritt aus dem Corona-Tal
Die jüngsten Konjunkturdaten sind ermutigend – Deutschlands Wirtschaft weiter auf Erholungskurs
WIESBADEN (dpa) - Die deutsche Wirtschaft kommt nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes zusehends aus dem Corona-Tief. Nach dem tiefen Einbruch im zweiten Quartal „konnte sich die deutsche Wirtschaft in den Sommermonaten Juli und August wieder etwas erholen“, fassten die Wiesbadener Statistiker am Dienstag jüngste Konjunkturdaten zusammen. „Frühindikatoren deuten eine weitere Erholung an“, sagte Albert Braakmann, Leiter der Abteilung „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Preise“.
Nach Mitteilung des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hellten sich die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten im September überraschend auf. Der vom ZEW erhobene Indikator stieg um 5,9 Punkte auf 77,4 Zähler. „Dies zeigt, dass die Expertinnen und Experten weiterhin von einer spürbaren Erholung der deutschen Wirtschaft ausgehen“, kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach. „Die ins Stocken geratenen Brexit-Verhandlungen und die steigenden Corona-Infektionszahlen konnten die positive Stimmung nicht bremsen.“
Das Bundesamt beobachtet in vielen Branchen eine V-förmige Entwicklung – also einen deutlichen Anstieg etwa von Produktion und Absatz nach dem herben Absturz vor allem im April. Damit sich der Aufschwung in dieser Form fortsetze, „wäre es wichtig, eine zweite CoronaWelle zu vermeiden“, sagte Bundesamts-Experte Braakmann.
In weiten Teilen der deutschen Wirtschaft sei trotz zuletzt teils kräftiger Zuwächse das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht. „Weiter schwierig ist die Lage in konsumentennahen Dienstleistungsbereichen“, führte Braakmann aus.
So arbeitet sich etwa das besonders hart von den coronabedingten Einschränkungen betroffene Gastgewerbe zwar allmählich aus dem Corona-Loch. Von Juni auf Juli 2020 verbuchte die Branche preisbereinigt 21,9 Prozent Umsatzplus. Es klafft aber immer noch eine Lücke von 26,8 Prozent zu den realen Erlösen des Vorjahresmonats. Und auch gegenüber Februar 2020 – dem Monat, bevor die Pandemie Wirtschaft und Gesellschaft
in Deutschland ausbremste – sind die Umsätze noch um 28,7 Prozent niedriger.
Dass viele Unternehmen in der mittelständisch geprägten deutschen Wirtschaft bislang vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind, hat nach Einschätzung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) auch mit der Vorsorge aus den Boomjahren nach der Finanzkrise 2008/09 zu tun. „Viele Unternehmen haben in den vergangenen guten Jahren vorbildlich gewirtschaftet, Gewinne wurden überwiegend im Unternehmen gelassen“, bilanzierte DSGV-Präsident Helmut Schleweis. Dies komme den Betrieben zugute.
Mit einer Eigenkapitalquote von 39 Prozent sei der Mittelstand ausreichend kapitalisiert, um Verlusten begegnen zu können. „Die hohe finanzielle Stabilität ermöglicht vielen Unternehmen, temporäre Verluste aus eigener Kraft über ihr Eigenkapital zu kompensieren“, befand Schleweis. Daher rechne er derzeit auch nicht mit einer großen Welle an Unternehmensinsolvenzen.