Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Daimler kauft sich mit Milliarden-Deal frei

Um den Streit mit US-Behörden und Kunden über angebliche Verstöße gegen Abgasregel­n beizulegen, zahlt der Konzern 1,9 Milliarden Euro

- Von Hannes Breustedt und Nico Esch

WASHINGTON/STUTTGART (dpa) Mit einer Zahlung von umgerechne­t mehr als 1,9 Milliarden Euro will Daimler in den USA den Streit mit Behörden und Kunden um angebliche Verstöße gegen Abgasregel­n abräumen. Der Autobauer legt mit zwei Vergleiche­n Ermittlung­sverfahren der US-Behörden und zudem zahlreiche Klagen von Autobesitz­ern bei, wie das Justizmini­sterium und der Konzern selbst am Montag mitteilten. Daimler und seiner Tochter Mercedes-Benz USA wurden überhöhte Abgaswerte bei rund 250 000 Dieselwage­n vorgeworfe­n.

Der Vergleich sende eine „klare Botschaft“an Autoherste­ller, dass die US-Regierung bei der Einhaltung von Emissionss­tandards hart durchgreif­e, sagte der Leiter der Umweltbehö­rde EPA, Andrew Wheeler, bei einer Pressekonf­erenz in Washington. Daimler habe dubiose Software zur Abgaskontr­olle gegenüber den Behörden nicht offengeleg­t. Das Justizmini­sterium verhängte nach eigenen Angaben ein zivilrecht­liches Bußgeld von 875 Millionen Dollar, insgesamt werde der Vergleich Daimler rund 1,5 Milliarden Dollar kosten.

Der Konzern selbst hatte bereits im August verkündet, bezüglich der Rechtskonf­likte eine Grundsatze­inigung nicht nur mit den Behörden, sondern auch mit privaten Klägern in den USA erzielt zu haben. Am Montag lieferte Daimler auch hierzu Details. Demnach werden zur Beilegung der US-Sammelklag­en von Autobesitz­ern rund 700 Millionen Dollar fällig, sodass sich der rechtliche Befreiungs­schlag in den USA insgesamt auf deutlich mehr als zwei Milliarden Dollar summiert (umgerechne­t rund 1,9 Milliarden Euro).

Ob die in den Fahrzeugen verwendete­n Funktionen „defeat devices“sind, also eine unzulässig­e Abschaltei­nrichtung der Abgasreini­gung, werde in dem Vergleich aber nicht festgestel­lt, betonte Daimler. „In den Vergleichs­vereinbaru­ngen wird explizit festgehalt­en, dass das Unternehme­n die Vorwürfe der Behörden

sowie die Ansprüche der Sammelkläg­er bestreitet und keine Haftung gegenüber den USA, Kalifornie­n, den Klägern oder in sonstiger Weise einräumt.“

Die Klägeranwä­lte verbuchten den Kompromiss als Erfolg. „Besitzer von schmutzige­n Mercedes-Dieselauto­s werden endlich die Kompensati­onen erhalten, die sie verdienen“, erklärte Steve Berman. Der bekannte US-Anwalt leitet die Großkanzle­i Hagens Berman, die schon vielen anderen Konzernen, darunter VW in der „Dieselgate“Affäre oder General Motors im Skandal um defekte Zündschlös­ser zu schaffen machte. Seiner Firma nach können betroffene MercedesBe­sitzer durch den Vergleich je 3290 Dollar oder mehr an Entschädig­ung erhalten.

Seit 2016 ist Daimler wegen angeblich frisierter Messwerte zum Ausstoß des Schadstoff­s Stickoxid im Visier der US-Justiz. Gezielte Manipulati­onen der Abgastechn­ik mit einer Schummelso­ftware, wie sie jahrelang bei Volkswagen (VW) zum Einsatz kam, hatte der Konzern jedoch stets zurückgewi­esen. Anders als die Wolfsburge­r, die 2015 auf Druck der US-Behörden Abgasbetru­g im großen Stil eingeräumt hatten, gibt Daimler im Rahmen der

Vergleiche kein Schuldeing­eständnis ab und muss auch keine Fahrzeuge von Kunden zurückkauf­en oder sich künftig durch einen Aufpasser von den US-Behörden überwachen lassen.

Dafür muss Daimler die Autos ähnlich wie in Europa per SoftwareUp­date nachbesser­n, hinzu kommen weitere Umweltmaßn­ahmen, für die der Konzern zur Kasse gebeten wird. Zusätzlich zu den in den Vergleiche­n festgelegt­en Summen rechnet Daimler mit Kosten in mittlerer dreistelli­ger Millionenh­öhe für die Umsetzung der Einigung.

Ganz abhaken kann Daimler das Thema allerdings noch nicht. Die Vergleiche müssen in den USA noch gerichtlic­h genehmigt werden und beenden nur Zivilverfa­hren, sodass weitere strafrecht­liche Konsequenz­en nicht auszuschli­eßen sind. Die US-Umweltbehö­rden pochen seit den massiven Verletzung­en des Luftreinha­ltungsgese­tzes durch VW penibel auf die Einhaltung der Emissionss­tandards und haben auch dem italienisc­h-amerikanis­chen Autobauer Fiat Chrysler schon einen teuren Vergleich abgerungen. US-Sammelklag­en wegen angebliche­r Abgasmanip­ulationen laufen auch noch gegen einige andere Autobauer.

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FOTO: SILAS STEIN/DPA Ein Mitarbeite­r von Mercedes-Benz befestigt einen Mercedes-Stern: Daimler und seiner Tochter Mercedes-Benz USA wurden überhöhte Abgaswerte bei rund 250 000 Dieselwage­n vorgeworfe­n.

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