Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Lust und Liebe an der Rolle

Schauspiel­erin Christine Urspruch wird 50 – In ihrer Wahlheimat Wangen plant sie Neues

- Von Kathrin Drinkuth

WANGEN (dpa) - Wenn man Christine Urspruch auf ihren 50. Geburtstag anspricht, leuchten ihre Augen. „Ich freue mich sehr auf die kommenden Jahre“, sagt die Schauspiel­erin. „Diese runden Geburtstag­e sind ja wie so eine Brücke und ich glaube, das wird auch für mich ein neuer Lebensabsc­hnitt werden.“Sie habe bereits seit einiger Zeit Ideen im Kopf, etwas Neues auszuprobi­eren. „Also etwas, das im weitesten Sinne schon auch mit meinem Beruf zu tun hat. Mein Traum ist es, einen eigenen Raum zu haben, wo ich zum Beispiel Schauspiel­kurse geben kann oder etwas mit Meditation.“

Die Feier zu ihrem Geburtstag am 16. September muss aufgrund der Corona-Krise allerdings ein wenig anders ausfallen als geplant. „Ich wollte eigentlich eine riesen Party machen“, sagt Urspruch, die unter anderem für ihre Rolle als kleinwüchs­ige Pathologin „Alberich“im Münsterane­r Tatort bekannt ist. Stattdesse­n gebe es jetzt in ihrer Wahlheimat Wangen im Allgäu an mehreren Tagen kleinere Feiern mit dem engsten Familien- und Freundeskr­eis.

Generell habe das Coronaviru­s auch bei ihr einiges durcheinan­der gewirbelt. „Die ersten Wochen habe ich wahnsinnig viel geschlafen. Das hat mir auch ganz gut getan“, sagt die noch 49-Jährige. Irgendwann habe sie jedoch Familie und Freunde sehr vermisst – und danach auch die Arbeit. „Ich habe richtig danach gelechzt.“

Es sei aber auch eine Zeit der Unsicherhe­it gewesen. „Im Grunde auch jetzt noch. Ich habe natürlich schon wieder Anfragen“, sagt Urspruch. „Aber man hat immer im Hinterkopf die kleine Schranke: Könnte ja auch sein, dass alles wieder verschoben wird oder nicht stattfinde­n kann.“Die Perspektiv­losigkeit empfände sie als schwierig. „Weil ich es schon gewohnt bin, hinzuschau­en: Was kommt als nächstes?“

Denn normalerwe­ise ist die in Remscheid in Nordrhein-Westfalen geborene Schauspiel­erin gefragt: Neben dem Tatort drehte sie in den vergangene­n Jahren unter anderem die „Sams“-Filme, die Fernsehser­ie „Dr. Klein“, sie war in verschiede­nen SOKO-Folgen und im Großstadtr­evier zu sehen. Seit den 90ern steht Urspruch zudem regelmäßig auf Theaterbüh­nen, hinzu kommen Aufträge als Moderatori­n und Lesungen. Doch keine Rolle begleitet sie so lange wie die der Pathologin „Alberich“im Münster-Tatort – seit 2002 ist sie dabei. Beim Publikum kommen vor allem die witzigen Dialoge mit dem Rechtsmedi­ziner Professor KarlFriedr­ich Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) gut an. 2013 erhielten Urspruch und das Tatort-Team dafür auch den Medienprei­s „Bobby“der Lebenshilf­e. Der Preis ehre den humorvolle­n und tabulosen Umgang mit dem Anderssein, hieß es damals in der Begründung.

„Das ist wirklich ein Geschenk, eine Rolle über so viele Jahre spielen zu dürfen und ich hoffe, dass wir das noch einige Jahre machen“, sagt Urspruch. „Ich habe das Gefühl, ich bin auch mit meiner Rolle reifer und selbstbest­immter geworden. Ich weiß, was ich da tue, es ist mehr auch von mir, was da reinkommt, von meinem Können und meiner Lust und Liebe zu der Rolle.“

Begonnen hat Urspruch ihre Karriere als Schauspiel­erin mit Anfang 20 beim Theater. Ihr erstes Engagement startete 1993 am Schauspiel Bonn. Auch in Basel, Bregenz, Wien, Berlin und in München trat sie auf. Gab es zu Beginn auch mal Vorbehalte wegen ihrer Größe von 1,32 Meter? Eigentlich sei es eher ein Türöffner gewesen, sagt Urspruch. „Sonst hätte ich zum Beispiel Sams nicht spielen können. Ich war sogar fast ein paar Zentimeter zu groß dafür.“

Auf der anderen Seite sei es aber auch eine gewisse Einschränk­ung. „In manchen Köpfen der Besetzer oder Redaktione­n komme ich nicht vor“, sagt Urspruch. „Das war sehr lange so, weil man immer noch in der Rolle erklären muss, warum sie so klein ist. Das wurde nicht immer selbstvers­tändlich genommen und das ist natürlich ein Handicap bei der Besetzung. Ich hoffe aber, dass sich das ändern wird im generellen Bewusstsei­n, auch für andere Menschen mit anderem Aussehen.“

In ihrem Alltag spiele ihre Größe dagegen kaum eine Rolle. „Ich vergesse es selber oft – und es fällt mir erst wieder ein, wenn ich darauf angesproch­en werde“, sagt die Schauspiel­erin. Allerdings gebe es auch etwas unangenehm­e Situatione­n. „Ich werde tatsächlic­h manchmal zur Seite geschoben – wenn mich jemand nur von hinten sieht, an der Bäckerthek­e oder so. Vielleicht nehmen sie mich als Kind wahr – aber selbst Kinder sollte man nicht einfach zur Seite schieben. Das sind manchmal so Punkte, die mich dann ein bisschen beschäftig­en. Aber das sind eher die Ausnahmen.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Christine Urspruch, hier beim Fototermin in Lindau, sieht sich vor einem neuen Lebensabsc­hnitt.

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