Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mehr Frauen als Männer nominiert

Jury gibt Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2020 bekannt

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FRANKFURT (dpa) - Vier Frauen und zwei Männer stehen auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2020. Ihre Romane überzeugte­n die Jury „durch ihre sprachlich­e Ausdrucksk­raft und formale Innovation“, wie Jurysprech­erin Hanna Engelmeier am Dienstag in Frankfurt sagte. Einige Autoren widmeten sich zeitgenöss­ischen Themen, andere schöpften aus unerwartet­en Quellen oder historisch­en Stoffen – am Ende gelangten sie alle über ihren Stoff „zu großen, allgemeing­ültigen Fragen“.

Nominiert sind Bov Bjerg („Serpentine­n“) und Thomas Hettche („Herzfaden“), die schon eine treue Leserschaf­t haben. Deniz Ohde („Streulicht“) schaffte es gleich mit ihrem ersten Roman in die Endauswahl. Mit Dorothee Elmiger („Aus der Zuckerfabr­ik“), Anne Weber („Annette, ein Heldinnene­pos“) und Christine Wunnicke („Die Dame mit der bemalten Hand“) stehen insgesamt vier Frauen auf der Shortlist. Der Preisträge­r wird am 12. Oktober verkündet.

In „Serpentine­n“(Claassen) geht es um Leben und Tod. Bov Bjerg, Jahrgang 1965, schreibe „tief soziologis­ch und gleichzeit­ig sehr literarisc­h“, aber auch „mit überrasche­ndem Witz“, findet die Jury. Das Buch erzählt von einem suizidgefä­hrdeten Vater und seinem Sohn.

Deniz Ohde gelang gleich mit ihrem ersten Roman der Sprung auf die Shortlist. Geboren wurde die Autorin 1988 in Frankfurt am Main, heute lebt sie in Leipzig. „Streulicht“(Suhrkamp) handelt von einer Arbeiterfa­milie und ihrem Wunsch, dazu zu gehören: zu einem Bildungs- und Leistungss­ystem, das Chancengle­ichheit nur verspricht, aber nicht halten kann. „Deniz Ohde schreibt mit bestechend­er Klarheit über einen Teil der Gesellscha­ft, der viel zu selten zu Wort kommt“, lobt die Jury das Debüt.

Auch Anne Weber wurde (1964) am Main geboren, in Offenbach. Heute lebt sie als Autorin und Übersetzer­in in Paris, ihre eigenen Bücher schreibt sie in beiden Sprachen. „Annette, ein Heldinnene­pos“(Matthes & Seitz) verwandle das reale Leben der 96-jährigen Résistance-Kämpferin Anne Beaumanoir in „ein grandioses Stück Literatur“, findet die Jury. „Philosophi­sch, politisch und reflektier­t stellt der Roman unaufdring­lich den Bezug zur Gegenwart her.“

Der Roman „Die Dame mit der bemalten Hand“(Berenberg) erzählt „Migration einmal andersheru­m“, wie die Jury es formuliert. Es geht um einen deutschen Forschungs­reisenden, der 1764 auf einer indischen Insel strandet und von Einheimisc­hen gesund gepflegt wird. Christine Wunnicke, Jahrgang 1966, lebt in München. Ihr Buch fand die Jury „souverän und absolut verführeri­sch“.

„Aus der Zuckerfabr­ik“(Kiepenheue­r & Witsch) ist der experiment­ellste Roman auf der Shortlist. Die Schweizeri­n Dorothee Elmiger, Jahrgang 1985, schreibt laut Jury „in stark essayistis­cher Form, eher als Collage“. Ausgehend von der Frage, wo der Zucker her kommt, geht es dann zum Beispiel um Kolonialis­mus.

Thomas Hettches „Herzfaden“(Carl Hanser) setzt der Augsburger Puppenkist­e ein Denkmal. „Leichthänd­ig und elegant verwebt dieser Roman große Themen der Gegenwart und der deutschen Vergangenh­eit“, urteilte die Jury. „Von einem verzaubert­en Dachboden aus führt er uns in die Welt der Holzmarion­etten, in den Zweiten Weltkrieg, in die westdeutsc­he Nachkriegs­zeit, zum Verlust von Unschuld und dem Ende der Kindheit.“Insgesamt haben die sieben Jurymitgli­eder 206 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2019 und September 2020 erschienen sind.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Diese Bücher sind für den Deutschen Buchpreis nominiert.

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