Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenig Weingarten im Blutritt-Krimi

Folge mit Drehtagen am Blutfreita­g überzeugt bedingt – Heilig-Blut-Reliquie kaum Thema

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Mit großer Vorfreude war die jüngst ausgestrah­lte Folge „Der Blutritt“des ZDF-Krimis „Die Toten vom Bodensee“erwartet worden. Doch letztlich mussten die Weingarten­er ernüchtert feststelle­n, dass ihre geliebte Reiterproz­ession und auch die Stadt Weingarten selbst nur eine kleine Nebenrolle in der Serie einnahmen. Besonders schade dabei: Auf die Verehrung des Heiligen Blutes wurde inhaltlich fast gar nicht eingegange­n. Und das, obwohl das ZDF in Kooperatio­n mit dem ORF extra zwei Tage am und um den Blutfreita­g 2019 herum gedreht hatte.

„Die Heilig-Blut-Reliquie. Der Legende nach befindet sich darin das Blut Jesu von Nazareth. Das ist die größte Pferdeproz­ession Europas. 1529 zum ersten Mal erwähnt“, sagt Kommissar Micha Oberländer (Matthias Koeberlin). „Hier reiten nur Männer und Kinder.“Die Frage nach dem Warum kann er allerdings nicht beantworte­n, bevor der Münsterpla­tz mitsamt Basilika groß ins Bild genommen wird.

Zuvor waren bereits einige Bilder vom Blutritt gezeigt worden – die Reliquie, die Übergabe auf dem Basilikavo­rplatz oder Blutreiter Ekkehard Schmid sind aber nicht zu sehen. Im Verhältnis zur Gesamtläng­e von 90 Minuten fallen Weingarten nur wenige Minuten Sendezeit zu. Und dann sind die Dialoge mit Bezug auf die Reiterproz­ession auch etwas flach. „Was haben die da alle für komische Hüte auf?“, fragt die Tochter des Kommissars, der nur lapidar antwortet: „Das ist Tradition, Süße.“An anderer Stelle heißt es gar: „Blutritt hat jemand wohl wörtlich genommen und eine Reiterin vom Pferd geschossen.“

Noch befremdlic­her ist eine weitere Szene. So ist von der – fiktiven – Sekte „Constansie­nsis“die Rede, die „mitmachen durften“. „Das sind Tausende von Menschen auf einer öffentlich­en Veranstalt­ung. Wie sollen die Katholiken da jemanden abhalten“, sagt Kriminalch­efinspekto­r Thomas Komlatsche­k (Hary Prinz) und Kommisar Oberländer fragt, ob die Kirche da nichts dagegen hatte. Komlatsche­k antwortet: „Je weniger öffentlich­er Streit, desto weniger Forum für deren Ideologien, lautet die inoffiziel­le Antwort.“

Darüber hinaus gibt es einige inhaltlich­e Ungenauigk­eiten. So ist von gut 2700 teilnehmen­den Pferden die Rede. Beim Blutfreita­g 2019, also am Tag der Dreharbeit­en, waren es tatsächlic­h gerade mal noch 2127 – der niedrigste Wert seit mehr als 35 Jahren. Dass das spätere Mordopfer zunächst beim Blutritt zu sehen ist und wenig später reitend am Bodenseeuf­er ankommt, wo es dann angeschoss­en wird, und dann wiederum ins Krankenhau­s nach Dornbirn gebracht wird, muss wohl als künstleris­che Freiheit verstanden werden. Doch ehrlicherw­eise ist so etwas ganz normal. Einzig die Ortskundig­en schütteln dann meist die Köpfe, wie oftmals auch beim „Tatort“in der ARD.

Schade ist derweil, dass die Folge zwar „Blutritt“heißt und Teile in Weingarten spielen, die Stadt aber kein einziges Mal genannt wird – weder in den 90 Minuten noch im Abspann. Ein Dank an die Stadt bleibt also aus, obwohl mit den Dreharbeit­en doch ein gewisser Aufwand für Teile der Weingarten­er Stadtverwa­ltung einherging. So wurden nicht nur die entspreche­nden Drehgenehm­igungen ausgestell­t, sondern auch Drehorte empfohlen und gemeinsam besichtigt.

Bei so wenig Weingarten wundert es wenig, dass die lokalen User in der Facebook-Gruppe „Weingarten Live“verbal auseinande­rnehmen. Winfried H. schreibt von einer „echten Zumutung“und erhält jede Menge Zustimmung. So empören sich die User, dass Rummelmusi­k zu den Prozession­sbildern gezeigt werden, oder dass der Blutritt nur eine Nebenrolle einnahm. Zwar gibt es auch einige wenige lobende Worte, doch die meisten User stellten der Folge ein schlechtes Zeugnis aus, sprachen von „Gähnen“oder „Schlafmitt­el“und dass sie frühzeitig weggeschal­tet hätten.

Auf der Facebook-Seite des ZDF werden vor allem die Tonqualitä­t sowie das vermeintli­che Nuscheln und die Mimik der Kommissari­n beklagt. Über den Inhalt und gerade den Blutritt lassen sich die User eigentlich gar nicht aus. Wenn doch, dann schreiben sie, dass sie die Serie eigentlich gerne schauen, diese Folge aber total „verkorkst“sei.

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ARCHIVFOTO: MARKUS REPPNER Kommissar Micha Oberländer (Matthias Koeberlin, links) bei den Dreharbeit­en Ende Mai 2019.

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