Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wenig Weingarten im Blutritt-Krimi
Folge mit Drehtagen am Blutfreitag überzeugt bedingt – Heilig-Blut-Reliquie kaum Thema
WEINGARTEN - Mit großer Vorfreude war die jüngst ausgestrahlte Folge „Der Blutritt“des ZDF-Krimis „Die Toten vom Bodensee“erwartet worden. Doch letztlich mussten die Weingartener ernüchtert feststellen, dass ihre geliebte Reiterprozession und auch die Stadt Weingarten selbst nur eine kleine Nebenrolle in der Serie einnahmen. Besonders schade dabei: Auf die Verehrung des Heiligen Blutes wurde inhaltlich fast gar nicht eingegangen. Und das, obwohl das ZDF in Kooperation mit dem ORF extra zwei Tage am und um den Blutfreitag 2019 herum gedreht hatte.
„Die Heilig-Blut-Reliquie. Der Legende nach befindet sich darin das Blut Jesu von Nazareth. Das ist die größte Pferdeprozession Europas. 1529 zum ersten Mal erwähnt“, sagt Kommissar Micha Oberländer (Matthias Koeberlin). „Hier reiten nur Männer und Kinder.“Die Frage nach dem Warum kann er allerdings nicht beantworten, bevor der Münsterplatz mitsamt Basilika groß ins Bild genommen wird.
Zuvor waren bereits einige Bilder vom Blutritt gezeigt worden – die Reliquie, die Übergabe auf dem Basilikavorplatz oder Blutreiter Ekkehard Schmid sind aber nicht zu sehen. Im Verhältnis zur Gesamtlänge von 90 Minuten fallen Weingarten nur wenige Minuten Sendezeit zu. Und dann sind die Dialoge mit Bezug auf die Reiterprozession auch etwas flach. „Was haben die da alle für komische Hüte auf?“, fragt die Tochter des Kommissars, der nur lapidar antwortet: „Das ist Tradition, Süße.“An anderer Stelle heißt es gar: „Blutritt hat jemand wohl wörtlich genommen und eine Reiterin vom Pferd geschossen.“
Noch befremdlicher ist eine weitere Szene. So ist von der – fiktiven – Sekte „Constansiensis“die Rede, die „mitmachen durften“. „Das sind Tausende von Menschen auf einer öffentlichen Veranstaltung. Wie sollen die Katholiken da jemanden abhalten“, sagt Kriminalchefinspektor Thomas Komlatschek (Hary Prinz) und Kommisar Oberländer fragt, ob die Kirche da nichts dagegen hatte. Komlatschek antwortet: „Je weniger öffentlicher Streit, desto weniger Forum für deren Ideologien, lautet die inoffizielle Antwort.“
Darüber hinaus gibt es einige inhaltliche Ungenauigkeiten. So ist von gut 2700 teilnehmenden Pferden die Rede. Beim Blutfreitag 2019, also am Tag der Dreharbeiten, waren es tatsächlich gerade mal noch 2127 – der niedrigste Wert seit mehr als 35 Jahren. Dass das spätere Mordopfer zunächst beim Blutritt zu sehen ist und wenig später reitend am Bodenseeufer ankommt, wo es dann angeschossen wird, und dann wiederum ins Krankenhaus nach Dornbirn gebracht wird, muss wohl als künstlerische Freiheit verstanden werden. Doch ehrlicherweise ist so etwas ganz normal. Einzig die Ortskundigen schütteln dann meist die Köpfe, wie oftmals auch beim „Tatort“in der ARD.
Schade ist derweil, dass die Folge zwar „Blutritt“heißt und Teile in Weingarten spielen, die Stadt aber kein einziges Mal genannt wird – weder in den 90 Minuten noch im Abspann. Ein Dank an die Stadt bleibt also aus, obwohl mit den Dreharbeiten doch ein gewisser Aufwand für Teile der Weingartener Stadtverwaltung einherging. So wurden nicht nur die entsprechenden Drehgenehmigungen ausgestellt, sondern auch Drehorte empfohlen und gemeinsam besichtigt.
Bei so wenig Weingarten wundert es wenig, dass die lokalen User in der Facebook-Gruppe „Weingarten Live“verbal auseinandernehmen. Winfried H. schreibt von einer „echten Zumutung“und erhält jede Menge Zustimmung. So empören sich die User, dass Rummelmusik zu den Prozessionsbildern gezeigt werden, oder dass der Blutritt nur eine Nebenrolle einnahm. Zwar gibt es auch einige wenige lobende Worte, doch die meisten User stellten der Folge ein schlechtes Zeugnis aus, sprachen von „Gähnen“oder „Schlafmittel“und dass sie frühzeitig weggeschaltet hätten.
Auf der Facebook-Seite des ZDF werden vor allem die Tonqualität sowie das vermeintliche Nuscheln und die Mimik der Kommissarin beklagt. Über den Inhalt und gerade den Blutritt lassen sich die User eigentlich gar nicht aus. Wenn doch, dann schreiben sie, dass sie die Serie eigentlich gerne schauen, diese Folge aber total „verkorkst“sei.