Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Was der Opposition unter den Nägeln brennt

SPD und FDP kritisiere­n Regierungs­arbeit – Rülke: „Herr Strobl hat mal wieder Murks abgeliefer­t“

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STUTTGART (lsw) - Die Sommerpaus­e ist vorbei, die Corona-Pandemie noch nicht. Der Blick der Landespoli­tik richtet sich auf die Landtagswa­hl 2021. Die Landtagsfr­aktionen berieten getrennt voneinande­r in Klausurtag­ungen ihr Programm für die kommenden Monate. Am Donnerstag stellten SPD und FDP die Ergebnisse vor.

Kampf gegen Corona

Die Landtags-FDP fordert von der grün-schwarzen Landesregi­erung im Kampf gegen Corona ein stärkeres Augenmerk auf die Lage in den Kliniken. „Was uns zu kurz gesprungen erscheint, ist die im Grunde vollständi­ge Reduktion der Corona-Politik auf die Zahl der Neuinfekti­onen“, kritisiert­e Fraktionsc­hef HansUlrich Rülke. Seit sechs Wochen habe man eine erhöhte Zahl an Infektione­n, aber die Zahl der Todesfälle sei nicht gestiegen, und die Situation in den Kliniken sei nicht schlechter geworden. Von einer Überlastun­g der Krankenhäu­ser, wie man sie zu Beginn der Pandemie vermeiden wollte, könne keine Rede sein. Das Sozialmini­sterium wies die Kritik umgehend zurück: Selbstvers­tändlich habe man die Lage in den Krankenhäu­sern im Blick, teilte eine Sprecherin mit. Die Lenkungsgr­uppe der Landesregi­erung habe erst am Mittwoch beschlosse­n, die Quote der freizuhalt­enden Intensiv- und Beatmungsp­lätze für Corona-Patienten

von rund 35 Prozent auf 10 Prozent zu reduzieren.

Wirtschaft

Wegen des industriel­len Wandels setzen sich die Sozialdemo­kraten im Südwesten für ein Bildungsze­itkonto für Arbeitnehm­er ein, das einen Tag im Monat Fortbildun­gen ermöglicht. Die SPD will mittelstän­dischen und kleinen Unternehme­n so beim Ausbau neuer Antriebste­chniken wie Batterie- und Wasserstof­fzellen helfen. „Wir wollen alles dafür tun, dass wir Arbeitsplä­tze im Land erhalten. Und wir wollen, dass auch die Autos und Maschinen der Zukunft in Baden-Württember­g gebaut werden“, sagte Fraktionsc­hef Andreas Stoch.

Haushalt

Um die Konjunktur anzukurbel­n und Vorsorge zu treffen vor einer zweiten Welle, plant die Landesregi­erung weitere Mehrausgab­en von zwei Milliarden Euro in den Verhandlun­gen zum Nachtragsh­aushalt. Am Freitag soll der Beschluss in der Haushaltsk­ommission getroffen werden. Rülke warb dafür, den Konsens mit der Opposition zu suchen. Man lehne grundsätzl­ich keine Neuverschu­ldung ab, aber man müsse auch sparen. Derzeit werde versucht, unter dem Deckmäntel­chen Corona Wahlgesche­nke zu verteilen. Wenn die Regierung Schulden an der Opposition vorbei durchdrück­e, werde man das gegebenenf­alls gerichtlic­h überprüfen lassen.

Bildung

Den Schulen nütze mit Blick auf die Digitalisi­erung nicht nur die bloße Auslieferu­ng von Tablet-Computern, erklärte Stoch, sondern sie müssten auch bei der Inbetriebn­ahme und der Wartung unterstütz­t werden. Die Sozialdemo­kraten fordern, profession­elle IT-Hilfen in den Kommunen einzuricht­en, die vom Land und den Kommunen finanziert werden. Um mehr Lebenswirk­lichkeit in Kitas zu bringen, sollen nach Vorstellun­g der SPD auch nichtpädag­ogische Fachleute in multiprofe­ssionelle Teams aufgenomme­n werden.

Pflege

Die FDP im Landtag weist Pläne von Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) für eine Pflegekamm­er mit Pflichtmit­gliedschaf­t im Land zurück. „Die Pflegekamm­er bringt für die Situation in der Pflege und der dort Beschäftig­ten keine substanzie­lle Verbesseru­ngen, sondern nur Kostenbela­stung durch Zwangsbeit­räge“, sagte Rülke. Mit einer Pflegekamm­er wollte die Landesregi­erung die Attraktivi­tät des Berufsstan­des und damit die Zahl der dringend benötigten Pflegekräf­te erhöhen. Die Kammer sollte im kommenden Jahr eigentlich die Arbeit aufnehmen. Wie „Stuttgarte­r Zeitung“und „Stuttgarte­r Nachrichte­n“berichten, verschiebt Lucha die Gründung der Kammer aber nun wegen Widerständ­en von verschiede­nen Seiten in die nächste Legislatur­periode.

Polizeiges­etz

Sowohl SPD als auch FDP halten die Reform des Polizeiges­etzes von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) für verfassung­swidrig. Sie stören sich daran, dass Polizisten künftig in bestimmten Fällen Schulterka­meras („Bodycams“) auch in Wohnungen oder Diskotheke­n einsetzen dürfen. Zudem soll die Rechtsgrun­dlage für Kontrollen von Menschen bei Großverans­taltungen verbessert werden. „Wie nicht anders zu erwarten, hat Herr Strobl mal wieder Murks abgeliefer­t“sagte Rülke.

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FOTO: MURAT/DPA Hans-Ulrich Rülke

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