Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Klöckner ruft zum Bäumepflanzen auf
Milliardenhilfen sollen Waldschäden lindern – Grüne kritisieren Strategie als falsch
BERLIN - Julia Klöckner pflanzt viel dieser Tage: Am heutigen Freitag will sie am Vormittag dabei sein, wenn die Unionsfraktion ihren Abgeordneten am Berliner Reichstag Setzlinge in die Hand drückt, die diese in ihren Heimatwahlkreisen in die Erde setzen sollen. Am Nachmittag will sie im rheinland-pfälzischen Lahnstein eine Elsbeere pflanzen.
Die Aktionen sollen öffentlichkeitswirksam auf ein deutschlandweites Riesenprojekt hinweisen – die Wiederbewaldung Deutschlands. Drei Dürrejahre, Hitzesommer, milde Winter, Sturmschäden und Wildverbiss haben den Bäumen stark zugesetzt. Dabei sind die Schäden regional und je nach Waldart sehr unterschiedlich: Während kahle Fichtengerippe im Harz ganze Bergfänge bedecken, muss man in manchen oberschwäbischen Mischwäldern kranke Bäume erst suchen.
Doch insgesamt sind die Ausmaße des Waldsterbens dramatisch: 285 000 Hektar von insgesamt etwas mehr als elf Millionen Hektar Wald müssen laut Klöckners Ministerium aufgeforstet werden. Das ist eine Fläche weit größer als das Saarland. Am Donnerstag eröffnete Klöckner im Berliner Grunewald mit einem eindringlichen Appell die diesjährigen „Waldtage“. „Wenn wir heute keine Bäume setzen, werden es uns die kommenden Generationen übel nehmen. In der Pflanzzeit jetzt im Herbst brauchen wir daher eine Pflanzoffensive für unsere Wälder“, sagte die CDU-Politikerin.
Für diese Offensive stellen Bund und Länder etwa 1,5 Milliarden Euro bereit. Dabei soll der Wald aber nicht nur nachgepflanzt, sondern auch gleich umgebaut werden. Der neue deutsche Wald solle „stabil, klimaresilient und angepasst an den Standort“sein, sagte Klöckner. So sollen aus den für Sturmschäden und Borkenkäfer anfälligen Fichtenplantagen der Nachkriegszeit Mischwälder werden, die sowohl dem Klimawandel als auch Schädlingen besser standhalten. Dabei sollen auch bisher fremde Arten aus anderen Weltregionen aktiv gepflanzt und ausgesät werden. Der Wald solle sich für „klimaresiliente Baumarten öffnen, die bislang noch keine Verbreitung gefunden haben“, heißt es beim Ministerium.
Doch das Engagement Klöckners kommt nicht überall gut an. „Die diesjährigen Waldtage sind Trauertage“, sagte der Grünenpolitiker Harald Ebner: Denn auch ein Jahr nach dem Berliner Waldgipfel habe die Bundesregierung kein wirksames Konzept gefunden, um der Waldkrise zu begegnen, kritisiert er. „Stattdessen werden Milliarden verschwendet oder schaden sogar zusätzlich durch falsche Anreize“, sagte der Waldsprecher der Partei.
Grund ist die Struktur der Förderung: Die Waldhilfen seien nicht an ökologische Kriterien und waldschonende Bewirtschaftung gekoppelt, meint Ebner. So fließe kaum Geld in naturnahe Waldbewirtschaftung. Stattdessen fördere der Staat die Räumung der Flächen. Die abgestorbenen Bäume würde Ebner lieber liegen lassen, damit das Totholz vor Austrocknung schütze und zu Humus für junge Pflanzen werde. Beräumter Wald verschärfe das dramatische Holzüberangebot. „Auf Entlastungsmaßnahmen wie eine umfassende Holzbaustrategie warten wir vergeblich“, kritisierte der Grüne. Zudem bevorteilten Flächenprämien die großen Waldbesitzer.
Auch die Anpflanzung neuer Baumarten halten die Grünen für überschätzt: „Wer auf angeblich klimaresistente exotische Wunderbaumarten setzt, unterliegt einer gefährlichen Illusion“, warnte Ebner. „Naturnahe Waldökosysteme mit einer hohen Baumartenvielfalt bieten die besten Chancen, der Klimakrise zu trotzen.“