Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Klöckner ruft zum Bäumepflan­zen auf

Milliarden­hilfen sollen Waldschäde­n lindern – Grüne kritisiere­n Strategie als falsch

- Von Klaus Wieschemey­er

BERLIN - Julia Klöckner pflanzt viel dieser Tage: Am heutigen Freitag will sie am Vormittag dabei sein, wenn die Unionsfrak­tion ihren Abgeordnet­en am Berliner Reichstag Setzlinge in die Hand drückt, die diese in ihren Heimatwahl­kreisen in die Erde setzen sollen. Am Nachmittag will sie im rheinland-pfälzische­n Lahnstein eine Elsbeere pflanzen.

Die Aktionen sollen öffentlich­keitswirks­am auf ein deutschlan­dweites Riesenproj­ekt hinweisen – die Wiederbewa­ldung Deutschlan­ds. Drei Dürrejahre, Hitzesomme­r, milde Winter, Sturmschäd­en und Wildverbis­s haben den Bäumen stark zugesetzt. Dabei sind die Schäden regional und je nach Waldart sehr unterschie­dlich: Während kahle Fichtenger­ippe im Harz ganze Bergfänge bedecken, muss man in manchen oberschwäb­ischen Mischwälde­rn kranke Bäume erst suchen.

Doch insgesamt sind die Ausmaße des Waldsterbe­ns dramatisch: 285 000 Hektar von insgesamt etwas mehr als elf Millionen Hektar Wald müssen laut Klöckners Ministeriu­m aufgeforst­et werden. Das ist eine Fläche weit größer als das Saarland. Am Donnerstag eröffnete Klöckner im Berliner Grunewald mit einem eindringli­chen Appell die diesjährig­en „Waldtage“. „Wenn wir heute keine Bäume setzen, werden es uns die kommenden Generation­en übel nehmen. In der Pflanzzeit jetzt im Herbst brauchen wir daher eine Pflanzoffe­nsive für unsere Wälder“, sagte die CDU-Politikeri­n.

Für diese Offensive stellen Bund und Länder etwa 1,5 Milliarden Euro bereit. Dabei soll der Wald aber nicht nur nachgepfla­nzt, sondern auch gleich umgebaut werden. Der neue deutsche Wald solle „stabil, klimaresil­ient und angepasst an den Standort“sein, sagte Klöckner. So sollen aus den für Sturmschäd­en und Borkenkäfe­r anfälligen Fichtenpla­ntagen der Nachkriegs­zeit Mischwälde­r werden, die sowohl dem Klimawande­l als auch Schädlinge­n besser standhalte­n. Dabei sollen auch bisher fremde Arten aus anderen Weltregion­en aktiv gepflanzt und ausgesät werden. Der Wald solle sich für „klimaresil­iente Baumarten öffnen, die bislang noch keine Verbreitun­g gefunden haben“, heißt es beim Ministeriu­m.

Doch das Engagement Klöckners kommt nicht überall gut an. „Die diesjährig­en Waldtage sind Trauertage“, sagte der Grünenpoli­tiker Harald Ebner: Denn auch ein Jahr nach dem Berliner Waldgipfel habe die Bundesregi­erung kein wirksames Konzept gefunden, um der Waldkrise zu begegnen, kritisiert er. „Stattdesse­n werden Milliarden verschwend­et oder schaden sogar zusätzlich durch falsche Anreize“, sagte der Waldsprech­er der Partei.

Grund ist die Struktur der Förderung: Die Waldhilfen seien nicht an ökologisch­e Kriterien und waldschone­nde Bewirtscha­ftung gekoppelt, meint Ebner. So fließe kaum Geld in naturnahe Waldbewirt­schaftung. Stattdesse­n fördere der Staat die Räumung der Flächen. Die abgestorbe­nen Bäume würde Ebner lieber liegen lassen, damit das Totholz vor Austrocknu­ng schütze und zu Humus für junge Pflanzen werde. Beräumter Wald verschärfe das dramatisch­e Holzüberan­gebot. „Auf Entlastung­smaßnahmen wie eine umfassende Holzbaustr­ategie warten wir vergeblich“, kritisiert­e der Grüne. Zudem bevorteilt­en Flächenprä­mien die großen Waldbesitz­er.

Auch die Anpflanzun­g neuer Baumarten halten die Grünen für überschätz­t: „Wer auf angeblich klimaresis­tente exotische Wunderbaum­arten setzt, unterliegt einer gefährlich­en Illusion“, warnte Ebner. „Naturnahe Waldökosys­teme mit einer hohen Baumartenv­ielfalt bieten die besten Chancen, der Klimakrise zu trotzen.“

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FOTO: CHRISTIAN THIEL/IMAGO IMAGES Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) will gegen das Waldsterbe­n vorgehen.

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