Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Streit um die Raucherpause
Gastronom will Nichtrauchern mehr Urlaub geben – Macht das Modell Schule?
RAVENSBURG - „Ich geh mal kurz eine rauchen.“Diesen Satz kennt wohl jeder – auch am Arbeitsplatz. Das kann zu Streit führen, schließlich macht der rauchende Kollege mehr Pausen als der Nichtraucher. Ein Gastronom aus Rheinland-Pfalz kennt dieses Problem unter seinen Mitarbeitern und hat sich deshalb ein ganz besonderes Arbeitsmodell überlegt. Helmut Glas gibt seinen Mitarbeitern mehr Urlaub, wenn diese nicht ständig zum Rauchen vor die Tür gehen. Doch ist das überhaupt erlaubt?
Dem Mehr an Urlaub liegt eine einfache Rechnung zugrunde: Helmut Glas hat zusammen mit seinen Angestellten alle Pausen der rauchenden Teammitglieder im Jahr addiert. Dabei kamen sie auf zehn bis 15 Arbeitstage, die die Raucher vor der Türe verschwinden. „Damit habe ich selbst nicht gerechnet und die Mitarbeiter auch nicht“, sagte Glas der „Schwäbischen Zeitung“.
Um die schlechte Stimmung wegen der ungerechten Pausenzeiten unter den Angestellten zu verbessern, folgte deshalb die ungewöhnliche Entscheidung: Jeder Nichtraucher soll fünf zusätzliche Urlaubstage im Jahr bekommen.
In Glas‘ Restaurant hat das funktioniert und auch andere Unternehmen haben ähnliche Vereinbarungen mit ihren rauchenden und nichtrauchenden Mitarbeitern getroffen. Thomas Ruß, Fachanwalt für Arbeitsrecht der Ulmer Kanzlei Filius findet das Modell interessant. „Ich halte diese Regel nicht von vornherein für ausgeschlossen, aber wie ein Arbeitsgericht das entscheiden würde, halte ich dennoch für offen.“
Für Arbeitgeber gibt es ohnehin einfachere Methoden, um Gerechtigkeit herzustellen. Denn diese könnten grundsätzlich verlangen, „dass Arbeitnehmer für Raucherpausen ausstempeln“, sagt Ruß. Arbeitgeber könnten sogar noch weitergehen und das Rauchen auf dem gesamten Betriebsgelände verbieten. Einen Anspruch auf Raucherpausen gebe es schließlich nicht.
Beim Automobilzulieferer ZF in Friedrichshafen können Arbeiter der Produktion nur während ihrer offiziellen Pausen rauchen – und nur außerhalb der Gebäude, wie ein Sprecher sagt. Angestellte, die überwiegend in Büros arbeiten, könnten sich hingegen frei einteilen, wann sie Pause machen möchten. Hier gelte: „Am Ende des Tages muss die Arbeit erledigt sein“, so der Sprecher.
Auch beim Sportartikelhersteller Vaude in Tettnang gibt es ähnliche Regelungen. Angestellte der Fertigung oder Logistik, die klassische Arbeitszeiten haben, müssen sich für die Pausen abmelden, sagt Sprecherin Birgit Weber. Angestellte, die mit sogenannter Vertrauensarbeitszeit beschäftigt sind, können hingegen frei entscheiden, wann sie Pause machen möchten.
Weber verweist außerdem auf das betriebliche Gesundheitsmanagement des Unternehmens. Demnach würden regelmäßig Rauchentwöhnungsprogramme für Angestellte angeboten.
Im Restaurant von Helmut Glas haben die fünf zusätzlichen Urlaubstage nicht nur zum Betriebsfrieden geführt, sondern auch zu mehr Gesundheit, da der Urlaub als Anreiz gesehen wird, um mit dem Rauchen aufzuhören. So hat etwa Küchenchef Steffen Grüning 15 Jahre lang geraucht – und ist nun seit neun Monaten Nichtraucher, erzählt Helmut Glas. Daran wird sich wohl auch so schnell nichts ändern. Den zusätzlichen Urlaub hat der Küchenchef nämlich schon fest verplant.