Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
So macht Corona der Dualen Hochschule zu schaffen
Studiengänge wie Hotellerie oder Eventmanagement weniger gefragt – Hygieneauflagen verschärfen Platzproblem
RAVENSBURG - Bisher ist man an der Dualen Hochschule (DHBW) in Ravensburg zwar ziemlich gut durch die Corona-Krise gekommen – die Herausforderungen reißen aber auch im kommenden Studienjahr nicht ab. So haben Studiengänge, die an coronagebeutelte Branchen gekoppelt sind, weniger Zulauf. Außerdem macht die Landesregierung für den neu konzipierten Studiengang Agrarwirtschaft kein Geld locker. Und der Platz an der Dualen Hochschule reicht weniger denn je: Denn im Zuge der Pandemie dürfen nun weniger Studenten gemeinsam in einen Seminarraum. Trotzdem hält Rektor Herbert Dreher Präsenzunterricht wo immer möglich für unverzichtbar. So will er das hinbekommen.
Wie sehr die Krise bestimmten Branchen zusetzt, bekamen etliche Studenten der Studiengänge Messe-, Kongress- und Eventmanagement oder Tourismus, Hotellerie und Gastronomnie hautnah zu spüren: Wegen ausbleibender Gäste und Veranstaltungen gab es für sie in ihren praktischen Ausbildungsstellen bei den dualen Partnerunternehmen nichts zu tun, teilweise stand Kurzarbeit an. Ersatzweise habe man sich mit Marketing oder neuen Konzepten beschäftigt, weiß DHBW-Pressesprecherin Elisabeth Ligendza. Und auch wenn nur wenige Partnerfirmen wegen Corona bislang Insolvenz anmelden mussten, gesteht Dreher: „Das Thema treibt uns um.“
Denn viele junge Leute sind nun unsicher, ob sie sich für Studiengänge wie Messe-, Kongress- und Eventmanagement oder Tourismus, Hotellerie und Gastronomie überhaupt einschreiben sollen. Was zur Folge hat, dass in Sachen dualer Ausbildung das Angebot die Nachfrage momentan übersteigt – ein Viertel der Ausbildungsplätze ist unbesetzt. Dank der neuen Studiengänge sinken die Studentenzahlen in Summe bislang nicht. Und: Obschon auch an große Partner wie die ZF Friedrichshafen grade (nicht nur) mit Corona zu kämpfen haben, schrauben sie ihre dualen Ausbildungsplätze bislang nicht herunter. Denn, so Dreher: „Sie wollen auf lange Sicht keinen Fachkräfte-Einbruch riskieren.“
Dass auch die DHBW im Zuge von Corona ihren Lehrbetrieb digitalisieren musste, hat in den vergangenen Monaten gut geklappt – seit 12. März waren Präsenzvorlesungen verboten. Doch bereits ab 1. April hatten alle Studenten Zugang zu den Alfaview-Videokonferenzen und dem Lehrmanagementsystem Moodle. Das alles war „eine gigantische Umstellung und eine Herausforderung, vor allem für die Dozenten, die was Gehaltvolles erzählen wollten“, räumt Dreher ein. Da man nie alle Studenten auf dem Bildschirm sehen könne, sei man sich als Professor teilweise „ein bisschen verloren“vorgekommen. Und auch wenn Corona der DHBW „einen digitalen Schub in alle Richtungen“verpasst hat, wünschten sich laut Umfrage doch 70 Prozent der Studenten den Präsenzunterricht zurück.
Zumindest teilweise wird dieser Wunsch zum Auftakt des Semesters erfüllt – am 1. Oktober öffnet die DHBW wieder ihre Türen. Der Hygieneplan ist auf den neuesten Stand gebracht, die Bestuhlungspläne stehen, die Vorlesungsräume werden gerade coronagerecht umgestaltet. Das Konzept: Ein Teil der Studenten kann vor Ort den Vorlesungen folgen, der Rest bekommt die Inhalte per Videokonferenz zu Hause am Rechner mit. Die Corona-Krise verschärft allerdings das Platzproblem, mit dem sich die DHBW seit Jahren herumschlägt: 1500 Quadratmeter fehlen in Ravensburg, weitere 1500 Quadratmeter in der DHBW-Außenstelle Friedrichshafen. Vor allem bräuchte es mehr Lehr-, Lern- und Gruppenräume für die Studenten, bedauert Herbert Dreher. Und das, obschon man in den letzten Jahren quasi „jede Kammer“zu einem Büro umgebaut und zahllose Wände in die verschiedenen Gebäude eingezogen habe, wie Ligendza ergänzt.
Insbesondere große Räume sind Mangelware – einen Hörsaal sucht man an der DHBW vergeblich. In die größten Räume passen 25 bis 35 Leute rein – in Coronazeiten schnurrt diese Zahl auf acht bis 15 zusammen. „Nun wird es tatsächlich richtig eng“, unkt Dreher. So setzt er alle Hoffnung auf die Ergebnisse der Berechnungen des Amtes für Vermögen und Bau Baden-Württemberg, welche die Voraussetzung für mehr Baumittel sind. Damit sei aber erst in einigen Jahren zu rechnen.
Doch es gibt auch gute Neuigkeiten: Zum einen bekommt die Ravensburger Hochschule nach langem, zähem Ringen mit dem Stuttgarter Wissenschaftsministerium endlich mehr Geld – 500 000 Euro gibt es laut Hochschulfinanzierungsvertrag von 2021 bis einschließlich 2025 auf den jährlichen Etat von 20 Millionen Euro obendrauf.
Dreher atmet auf, denn damit sind nun ein paar Stellen mehr für Professoren und Mitarbeiter drin. Vor allem im IT-Bereich ist Verstärkung dringend nötig – schließlich musste die digitale Technik nicht nur von jetzt auf nachher aufgerüstet werden, da schon kurz nach dem Lockdown 90 Prozent des Lehrbetriebs digital abliefen. Dadurch, dass so vieles nun online läuft, haben die ITSpezialisten nun auch an allen Ecken und Enden einen riesigen Betreuungsaufwand.
Weil sie auf der Höhe der Zeit bleiben will, geht die DHBW in Ravensburg und Friedrichshafen im Oktober außerdem mit neuen Angeboten an den Start: Im Technikbereich gibt’s künftig den Studiengang Embedded Systems. Dahinter verbirgt sich Know-How in Bezug auf in Hardware eingebettete SoftwareSysteme, die man künftig etwa in der Luftfahrt und Autodindustrie – Stichwort autonomes Fahren – braucht. An der Wirtschaftsfakultät hatte vor einem Jahr der Studiengang Digital Business Management Premiere: Dort lernen die BWL-Studenten unter anderem, wie eine Firma digitale Werkzeuge – etwa Plattformen a la Amazon oder Datenbanken – sinnig und gewinnbringend nutzen kann.
Auch die Themenfelder mobile Informatik, IT-Sicherheit, Data Science und Global Sourcing (weltweiter Einkauf) deckt die Duale Hochschule seit Neuestem ab – weil sich das viele Partnerunternehmen wünschten, um den Anschluss an die Industrie 4.0 nicht zu verlieren. „Wir sind der neuen Generation schuldig, sie in Digitalisierung und Nachhaltigkeit fit zu machen“, sagt Dreher dazu.
Nicht so glatt lief es mit dem Studiengang Agrarwissenschaft. Er könnte angehende Landwirte in den unterschiedlichen Bereichen, in denen sie sich auskennen müssen, ausbilden – etwa in Landschaftspflege, BWL, Naturwissenschaft oder Ökologie. Vom Landrat bis zum Stuttgarter Landwirtschaftsminister sei das Konzept zwar auf großen Zuspruch gestoßen – die (zusätzlichen) 450 000 Euro, die nötig sind, um den Studiengang auf den Weg zu bringen, rückt aber bislang niemand heraus.
Dreher gibt aber noch nicht auf: Er hat das Projekt den Landtagsfraktionen vorgestellt und hofft, dass diese Geld dafür locker machen. Effekt: Der Rektor ist sicher, dass man mit diesem neuen Angebot viele angehende Landwirte, die momentan nach Bayern zum Studium abwandern, in der Region halten könnte.