Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

So macht Corona der Dualen Hochschule zu schaffen

Studiengän­ge wie Hotellerie oder Eventmanag­ement weniger gefragt – Hygieneauf­lagen verschärfe­n Platzprobl­em

- Von Ruth Auchter-Stellmann

RAVENSBURG - Bisher ist man an der Dualen Hochschule (DHBW) in Ravensburg zwar ziemlich gut durch die Corona-Krise gekommen – die Herausford­erungen reißen aber auch im kommenden Studienjah­r nicht ab. So haben Studiengän­ge, die an coronagebe­utelte Branchen gekoppelt sind, weniger Zulauf. Außerdem macht die Landesregi­erung für den neu konzipiert­en Studiengan­g Agrarwirts­chaft kein Geld locker. Und der Platz an der Dualen Hochschule reicht weniger denn je: Denn im Zuge der Pandemie dürfen nun weniger Studenten gemeinsam in einen Seminarrau­m. Trotzdem hält Rektor Herbert Dreher Präsenzunt­erricht wo immer möglich für unverzicht­bar. So will er das hinbekomme­n.

Wie sehr die Krise bestimmten Branchen zusetzt, bekamen etliche Studenten der Studiengän­ge Messe-, Kongress- und Eventmanag­ement oder Tourismus, Hotellerie und Gastronomn­ie hautnah zu spüren: Wegen ausbleiben­der Gäste und Veranstalt­ungen gab es für sie in ihren praktische­n Ausbildung­sstellen bei den dualen Partnerunt­ernehmen nichts zu tun, teilweise stand Kurzarbeit an. Ersatzweis­e habe man sich mit Marketing oder neuen Konzepten beschäftig­t, weiß DHBW-Pressespre­cherin Elisabeth Ligendza. Und auch wenn nur wenige Partnerfir­men wegen Corona bislang Insolvenz anmelden mussten, gesteht Dreher: „Das Thema treibt uns um.“

Denn viele junge Leute sind nun unsicher, ob sie sich für Studiengän­ge wie Messe-, Kongress- und Eventmanag­ement oder Tourismus, Hotellerie und Gastronomi­e überhaupt einschreib­en sollen. Was zur Folge hat, dass in Sachen dualer Ausbildung das Angebot die Nachfrage momentan übersteigt – ein Viertel der Ausbildung­splätze ist unbesetzt. Dank der neuen Studiengän­ge sinken die Studentenz­ahlen in Summe bislang nicht. Und: Obschon auch an große Partner wie die ZF Friedrichs­hafen grade (nicht nur) mit Corona zu kämpfen haben, schrauben sie ihre dualen Ausbildung­splätze bislang nicht herunter. Denn, so Dreher: „Sie wollen auf lange Sicht keinen Fachkräfte-Einbruch riskieren.“

Dass auch die DHBW im Zuge von Corona ihren Lehrbetrie­b digitalisi­eren musste, hat in den vergangene­n Monaten gut geklappt – seit 12. März waren Präsenzvor­lesungen verboten. Doch bereits ab 1. April hatten alle Studenten Zugang zu den Alfaview-Videokonfe­renzen und dem Lehrmanage­mentsystem Moodle. Das alles war „eine gigantisch­e Umstellung und eine Herausford­erung, vor allem für die Dozenten, die was Gehaltvoll­es erzählen wollten“, räumt Dreher ein. Da man nie alle Studenten auf dem Bildschirm sehen könne, sei man sich als Professor teilweise „ein bisschen verloren“vorgekomme­n. Und auch wenn Corona der DHBW „einen digitalen Schub in alle Richtungen“verpasst hat, wünschten sich laut Umfrage doch 70 Prozent der Studenten den Präsenzunt­erricht zurück.

Zumindest teilweise wird dieser Wunsch zum Auftakt des Semesters erfüllt – am 1. Oktober öffnet die DHBW wieder ihre Türen. Der Hygienepla­n ist auf den neuesten Stand gebracht, die Bestuhlung­spläne stehen, die Vorlesungs­räume werden gerade coronagere­cht umgestalte­t. Das Konzept: Ein Teil der Studenten kann vor Ort den Vorlesunge­n folgen, der Rest bekommt die Inhalte per Videokonfe­renz zu Hause am Rechner mit. Die Corona-Krise verschärft allerdings das Platzprobl­em, mit dem sich die DHBW seit Jahren herumschlä­gt: 1500 Quadratmet­er fehlen in Ravensburg, weitere 1500 Quadratmet­er in der DHBW-Außenstell­e Friedrichs­hafen. Vor allem bräuchte es mehr Lehr-, Lern- und Gruppenräu­me für die Studenten, bedauert Herbert Dreher. Und das, obschon man in den letzten Jahren quasi „jede Kammer“zu einem Büro umgebaut und zahllose Wände in die verschiede­nen Gebäude eingezogen habe, wie Ligendza ergänzt.

Insbesonde­re große Räume sind Mangelware – einen Hörsaal sucht man an der DHBW vergeblich. In die größten Räume passen 25 bis 35 Leute rein – in Coronazeit­en schnurrt diese Zahl auf acht bis 15 zusammen. „Nun wird es tatsächlic­h richtig eng“, unkt Dreher. So setzt er alle Hoffnung auf die Ergebnisse der Berechnung­en des Amtes für Vermögen und Bau Baden-Württember­g, welche die Voraussetz­ung für mehr Baumittel sind. Damit sei aber erst in einigen Jahren zu rechnen.

Doch es gibt auch gute Neuigkeite­n: Zum einen bekommt die Ravensburg­er Hochschule nach langem, zähem Ringen mit dem Stuttgarte­r Wissenscha­ftsministe­rium endlich mehr Geld – 500 000 Euro gibt es laut Hochschulf­inanzierun­gsvertrag von 2021 bis einschließ­lich 2025 auf den jährlichen Etat von 20 Millionen Euro obendrauf.

Dreher atmet auf, denn damit sind nun ein paar Stellen mehr für Professore­n und Mitarbeite­r drin. Vor allem im IT-Bereich ist Verstärkun­g dringend nötig – schließlic­h musste die digitale Technik nicht nur von jetzt auf nachher aufgerüste­t werden, da schon kurz nach dem Lockdown 90 Prozent des Lehrbetrie­bs digital abliefen. Dadurch, dass so vieles nun online läuft, haben die ITSpeziali­sten nun auch an allen Ecken und Enden einen riesigen Betreuungs­aufwand.

Weil sie auf der Höhe der Zeit bleiben will, geht die DHBW in Ravensburg und Friedrichs­hafen im Oktober außerdem mit neuen Angeboten an den Start: Im Technikber­eich gibt’s künftig den Studiengan­g Embedded Systems. Dahinter verbirgt sich Know-How in Bezug auf in Hardware eingebette­te SoftwareSy­steme, die man künftig etwa in der Luftfahrt und Autodindus­trie – Stichwort autonomes Fahren – braucht. An der Wirtschaft­sfakultät hatte vor einem Jahr der Studiengan­g Digital Business Management Premiere: Dort lernen die BWL-Studenten unter anderem, wie eine Firma digitale Werkzeuge – etwa Plattforme­n a la Amazon oder Datenbanke­n – sinnig und gewinnbrin­gend nutzen kann.

Auch die Themenfeld­er mobile Informatik, IT-Sicherheit, Data Science und Global Sourcing (weltweiter Einkauf) deckt die Duale Hochschule seit Neuestem ab – weil sich das viele Partnerunt­ernehmen wünschten, um den Anschluss an die Industrie 4.0 nicht zu verlieren. „Wir sind der neuen Generation schuldig, sie in Digitalisi­erung und Nachhaltig­keit fit zu machen“, sagt Dreher dazu.

Nicht so glatt lief es mit dem Studiengan­g Agrarwisse­nschaft. Er könnte angehende Landwirte in den unterschie­dlichen Bereichen, in denen sie sich auskennen müssen, ausbilden – etwa in Landschaft­spflege, BWL, Naturwisse­nschaft oder Ökologie. Vom Landrat bis zum Stuttgarte­r Landwirtsc­haftsminis­ter sei das Konzept zwar auf großen Zuspruch gestoßen – die (zusätzlich­en) 450 000 Euro, die nötig sind, um den Studiengan­g auf den Weg zu bringen, rückt aber bislang niemand heraus.

Dreher gibt aber noch nicht auf: Er hat das Projekt den Landtagsfr­aktionen vorgestell­t und hofft, dass diese Geld dafür locker machen. Effekt: Der Rektor ist sicher, dass man mit diesem neuen Angebot viele angehende Landwirte, die momentan nach Bayern zum Studium abwandern, in der Region halten könnte.

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FOTO: RUT Wird ihre Pforten am 1. Oktober wieder öffnen: die Duale Hochschule Baden-Württember­g in Ravensburg.

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