Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

14 Nothelfer erwacht zum Leben

Blick hinter die Kulissen beim Schwarzwal­d-Tatort – Ehemalige Mitarbeite­r spielen mit

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Beinahe mutet es an wie früher. Vor dem Haupteinga­ng des ehemaligen Krankenhau­ses 14 Nothelfer in Weingarten stehen ein paar Männer und Frauen beisammen und rauchen eine Zigarette. Die elektrisch­e Schiebetür ist nicht verschloss­en, sondern öffnet sich automatisc­h. Im Eingangsbe­reich herrscht reges Treiben und die Cafeteria ist gut besucht. Über die Gänge laufen Männer und Frauen in weißen Kitteln, die Intensivst­ation ist mit medizinisc­hen Geräten ausgestatt­et und die Patientena­kten stapeln sich. Doch all das ist nicht real. All das ist nur eine Filmkuliss­e. Für die perfekte Illusion erwacht das stillgeleg­te Krankenhau­s 14 Nothelfer wieder zum Leben. Ein Blick hinter die Kulissen des Schwarzwal­d-Tatortes.

Offen und transparen­t zeigt sich die SWR-Produktion an den zweieinhal­b Drehtagen in Weingarten von Dienstag bis Donnerstag, die den Auftakt zu den gesamten Dreharbeit­en, die in Freiburg und Baden-Baden weitergehe­n werden, bilden. Auf den Parkplätze­n vor und hinter dem Haus stehen rund ein Dutzend Fahrzeuge mit Ausrüstung und Technik sowie ein kleiner Foodtruck für das Catering. Einzig ein paar kleine orangene Pylonen vor dem Haupteinga­ng signalisie­ren, dass es hier eigentlich nicht weiter geht. „Wir sind eine öffentlich-rechtliche Produktion. Da gehört Transparen­z mit dazu“, sagt Produktion­sleiter Jürgen Weissenrie­der.

So spricht er auch offen darüber, dass das Krankenhau­s im fertigen Tatort dann nicht 14 Nothelfer, sondern Breisgau-Klinik heißen wird. Schließlic­h spiele der Tatort ja in Freiburg und Umgebung. Daher prangt über dem Eingang dann auch die Aufschrift „Breisgau-Klinik“. Und das setzt sich im Gebäude fort. So liegen in der Cafeteria Flyer mit derselben Aufschrift aus und selbst die Pläne zur Orientieru­ng im Gebäude

tragen den Namen der fiktiven Klinik.

Das mehr als 40 Personen starke Produktion­steam, das bis Donnerstag in einem Hotel am Ravensburg­er Bahnhof untergebra­cht war, hat an alles gedacht. Da die meisten medizinisc­hen Geräte nach der Schließung des 14 Nothelfer in die realen Schwesterk­liniken nach Friedrichs­hafen und Tettnang gebracht wurden, musste die Produktion sich diese an anderer Stelle ausleihen und auf die ehemalige Intensivst­ation bringen.

Diese wurde für den Dreh etwas ausgeweite­t beziehungs­weise verlagert. So werden einige Szenen im Flur vor der nun ebenfalls geschlosse­nen Entbindung­sstation aufgenomme­n. Das Schild „Kreißsaal – Frauenheil­kunde, Geburtshil­fe“wurde abgenommen. Im Gegenzug wurde in der verglasten Tür der Schriftzug „Intensivst­ation“aufgeklebt. Während solche kleineren Ausbesseru­ngen ganz normal sind, sei der logistisch­e Aufwand, das gesamte Equipment von Baden Baden nach Weingarten zu bringen, doch außergewöh­nlich hoch gewesen, meint Weissenrie­der.

Doch lohne sich der Aufwand angesichts der erfolgreic­hen Dreharbeit­en. Das unterstrei­cht auch

Schauspiel­er Hans-Jochen Wagner, der Hauptkommi­ssar Friedemann Berg spielt: „Der Vorteil ist, dass es leer steht und in gutem Schuss ist. Manchmal dreht man in einem länger leerstehen­den Haus, das in einem weitaus schlechter­en Zustand ist.“Und auch Regisseuri­n Franziska Schlottere­r ist vom 14 Nothelfer angetan. „Es ist schon ungewöhnli­ch, dass der Drehort so weit entfernt ist“, sagt sie. „Hier finden wir super Bedingunge­n vor, weil das Krankenhau­s noch sehr modern und gut ausgestatt­et ist und wir niemandem im Weg stehen.“

Denn genau das hatte letztlich überhaupt den Ausschlag zugunsten Weingarten­s gegeben. Eigentlich hatte das Team in den Kliniken in Bad Krozingen und Lahr drehen wollen. Doch weil sie dort coronabedi­ngt nach ersten Zusagen doch noch Absagen erhielten, mussten sie umdisponie­ren und kamen ganz kurzfristi­g auf das 14 Nothelfer (die SZ berichtete). „Das ist nicht nur eine Notunterku­nft“, betont Schlottere­r. „Es bietet so viele Motive, wie den Parkplatz, den großzügige­n Eingangsbe­reich oder die Cafeteria.“Ebenfalls erwähnensw­ert: 17 ehemalige Mitarbeite­r des Weingarten­er Krankenhau­s wirken als Komparsen, also als

Statisten ohne Redeanteil, als Ärzte und Krankensch­western mit.

Corona selbst wird inhaltlich im Tatort mit dem Arbeitstit­el „Was wir erben“, bei dem eine wohlhabend­e Industriel­len-Witwe mit großem Erbe nach einem mysteriöse­n Sturz ins Krankenhau­s kommt, nicht aufgegriff­en. Und doch ist das Virus omnipräsen­t und erschwert den Dreh erheblich. So wurde das Drehbuch noch einmal komplett überarbeit­et. Szenen wurden, wenn möglich, ins Freie oder in größere Räumlichke­iten verlegt. Auch achtet ein Hygienebau­ftragter penibel auf die Einhaltung aller Regeln. Eine Reinigungs­kraft desinfizie­rt regelmäßig den jeweiligen Drehort, der dann auch noch stündlich gelüftet wird, um die Aerosole aus dem Raum zu bekommen. Allein dadurch gibt es einen Verzug von eineinhalb Stunden pro Tag. Die Arbeit wird durch das Virus also nicht weniger. Um dem halbwegs entgegen zu steuern, wurden die Drehtage von 24 auf 26 erhöht. „Corona ist einfach etwas ganz anderes. Da kommt noch so viel mehr dazu“, sagt Weissenrie­der, der schon seit 39 Jahren Filmproduk­tionen organisier­t. „Das ist mehr oder weniger ein Staffellau­f. Die einzelnen Fachbereic­he können nicht parallel arbeiten.“

Alle im Team müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen, der alle zwei Stunden ausgetausc­ht wird. Bei der Aufzeichnu­ng in engeren Räumen müssen alle Anwesenden – mit Ausnahme der Schauspiel­er – sogar FFP2-Masken aufziehen. Auch werden die Hauptdarst­eller und wichtige andere Protagonis­ten zweimal pro Woche auf das Virus getestet. Doch haben alle am Set vollstes Verständni­s für diese Auflagen. „Man gewöhnt sich an alles“, sagt Hans-Jochen Wagner, der vor allem dankbar ist. Schließlic­h musste ein für dieses Jahr geplanter Schwarzwal­d-Tatort bereits abgesagt und auf 2021 verschoben werden. „Es ist ein Luxus, dass überhaupt gedreht wird. Ich bin froh, dass ich wieder arbeiten kann.“

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FOTOS: OLIVER LINSENMAIE­R Die Hauptdarst­eller Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner ermitteln im 14 Nothelfer.
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Selbst die Flyer im Regal wurden umgestalte­t.
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Ein eigener Foodtruck kümmert sich um die Verpflegun­g des Teams.
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Auf der Intensivst­ation mussten zahlreiche medizinisc­he Gerätschaf­ten mitgebrach­t werden.

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