Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
14 Nothelfer erwacht zum Leben
Blick hinter die Kulissen beim Schwarzwald-Tatort – Ehemalige Mitarbeiter spielen mit
WEINGARTEN - Beinahe mutet es an wie früher. Vor dem Haupteingang des ehemaligen Krankenhauses 14 Nothelfer in Weingarten stehen ein paar Männer und Frauen beisammen und rauchen eine Zigarette. Die elektrische Schiebetür ist nicht verschlossen, sondern öffnet sich automatisch. Im Eingangsbereich herrscht reges Treiben und die Cafeteria ist gut besucht. Über die Gänge laufen Männer und Frauen in weißen Kitteln, die Intensivstation ist mit medizinischen Geräten ausgestattet und die Patientenakten stapeln sich. Doch all das ist nicht real. All das ist nur eine Filmkulisse. Für die perfekte Illusion erwacht das stillgelegte Krankenhaus 14 Nothelfer wieder zum Leben. Ein Blick hinter die Kulissen des Schwarzwald-Tatortes.
Offen und transparent zeigt sich die SWR-Produktion an den zweieinhalb Drehtagen in Weingarten von Dienstag bis Donnerstag, die den Auftakt zu den gesamten Dreharbeiten, die in Freiburg und Baden-Baden weitergehen werden, bilden. Auf den Parkplätzen vor und hinter dem Haus stehen rund ein Dutzend Fahrzeuge mit Ausrüstung und Technik sowie ein kleiner Foodtruck für das Catering. Einzig ein paar kleine orangene Pylonen vor dem Haupteingang signalisieren, dass es hier eigentlich nicht weiter geht. „Wir sind eine öffentlich-rechtliche Produktion. Da gehört Transparenz mit dazu“, sagt Produktionsleiter Jürgen Weissenrieder.
So spricht er auch offen darüber, dass das Krankenhaus im fertigen Tatort dann nicht 14 Nothelfer, sondern Breisgau-Klinik heißen wird. Schließlich spiele der Tatort ja in Freiburg und Umgebung. Daher prangt über dem Eingang dann auch die Aufschrift „Breisgau-Klinik“. Und das setzt sich im Gebäude fort. So liegen in der Cafeteria Flyer mit derselben Aufschrift aus und selbst die Pläne zur Orientierung im Gebäude
tragen den Namen der fiktiven Klinik.
Das mehr als 40 Personen starke Produktionsteam, das bis Donnerstag in einem Hotel am Ravensburger Bahnhof untergebracht war, hat an alles gedacht. Da die meisten medizinischen Geräte nach der Schließung des 14 Nothelfer in die realen Schwesterkliniken nach Friedrichshafen und Tettnang gebracht wurden, musste die Produktion sich diese an anderer Stelle ausleihen und auf die ehemalige Intensivstation bringen.
Diese wurde für den Dreh etwas ausgeweitet beziehungsweise verlagert. So werden einige Szenen im Flur vor der nun ebenfalls geschlossenen Entbindungsstation aufgenommen. Das Schild „Kreißsaal – Frauenheilkunde, Geburtshilfe“wurde abgenommen. Im Gegenzug wurde in der verglasten Tür der Schriftzug „Intensivstation“aufgeklebt. Während solche kleineren Ausbesserungen ganz normal sind, sei der logistische Aufwand, das gesamte Equipment von Baden Baden nach Weingarten zu bringen, doch außergewöhnlich hoch gewesen, meint Weissenrieder.
Doch lohne sich der Aufwand angesichts der erfolgreichen Dreharbeiten. Das unterstreicht auch
Schauspieler Hans-Jochen Wagner, der Hauptkommissar Friedemann Berg spielt: „Der Vorteil ist, dass es leer steht und in gutem Schuss ist. Manchmal dreht man in einem länger leerstehenden Haus, das in einem weitaus schlechteren Zustand ist.“Und auch Regisseurin Franziska Schlotterer ist vom 14 Nothelfer angetan. „Es ist schon ungewöhnlich, dass der Drehort so weit entfernt ist“, sagt sie. „Hier finden wir super Bedingungen vor, weil das Krankenhaus noch sehr modern und gut ausgestattet ist und wir niemandem im Weg stehen.“
Denn genau das hatte letztlich überhaupt den Ausschlag zugunsten Weingartens gegeben. Eigentlich hatte das Team in den Kliniken in Bad Krozingen und Lahr drehen wollen. Doch weil sie dort coronabedingt nach ersten Zusagen doch noch Absagen erhielten, mussten sie umdisponieren und kamen ganz kurzfristig auf das 14 Nothelfer (die SZ berichtete). „Das ist nicht nur eine Notunterkunft“, betont Schlotterer. „Es bietet so viele Motive, wie den Parkplatz, den großzügigen Eingangsbereich oder die Cafeteria.“Ebenfalls erwähnenswert: 17 ehemalige Mitarbeiter des Weingartener Krankenhaus wirken als Komparsen, also als
Statisten ohne Redeanteil, als Ärzte und Krankenschwestern mit.
Corona selbst wird inhaltlich im Tatort mit dem Arbeitstitel „Was wir erben“, bei dem eine wohlhabende Industriellen-Witwe mit großem Erbe nach einem mysteriösen Sturz ins Krankenhaus kommt, nicht aufgegriffen. Und doch ist das Virus omnipräsent und erschwert den Dreh erheblich. So wurde das Drehbuch noch einmal komplett überarbeitet. Szenen wurden, wenn möglich, ins Freie oder in größere Räumlichkeiten verlegt. Auch achtet ein Hygienebauftragter penibel auf die Einhaltung aller Regeln. Eine Reinigungskraft desinfiziert regelmäßig den jeweiligen Drehort, der dann auch noch stündlich gelüftet wird, um die Aerosole aus dem Raum zu bekommen. Allein dadurch gibt es einen Verzug von eineinhalb Stunden pro Tag. Die Arbeit wird durch das Virus also nicht weniger. Um dem halbwegs entgegen zu steuern, wurden die Drehtage von 24 auf 26 erhöht. „Corona ist einfach etwas ganz anderes. Da kommt noch so viel mehr dazu“, sagt Weissenrieder, der schon seit 39 Jahren Filmproduktionen organisiert. „Das ist mehr oder weniger ein Staffellauf. Die einzelnen Fachbereiche können nicht parallel arbeiten.“
Alle im Team müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen, der alle zwei Stunden ausgetauscht wird. Bei der Aufzeichnung in engeren Räumen müssen alle Anwesenden – mit Ausnahme der Schauspieler – sogar FFP2-Masken aufziehen. Auch werden die Hauptdarsteller und wichtige andere Protagonisten zweimal pro Woche auf das Virus getestet. Doch haben alle am Set vollstes Verständnis für diese Auflagen. „Man gewöhnt sich an alles“, sagt Hans-Jochen Wagner, der vor allem dankbar ist. Schließlich musste ein für dieses Jahr geplanter Schwarzwald-Tatort bereits abgesagt und auf 2021 verschoben werden. „Es ist ein Luxus, dass überhaupt gedreht wird. Ich bin froh, dass ich wieder arbeiten kann.“