Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Tattoo vereitelt Polizeikar­riere

Hauptfeldw­ebel zieht Klage nach Empfehlung des Richters zurück

- Von Patrick Stäbler

MÜNCHEN – Etwas zaghaft betritt Tobias F. an diesem Vormittag den Gerichtssa­al – ein 32 Jahre alter Zeitsoldat, der Körper durchtrain­iert, die Oberarme stattlich, das Kreuz breit wie eine Schrankwan­d. Und genau dort, auf seinem Rücken, hat sich Tobias F. vor einigen Jahren eine Tätowierun­g stechen lassen, von Schulter zu Schulter. „Blaue Augen Blaues Blut“steht dort in Fraktursch­rift, dazu in der Mitte ein eisernes Kreuz, ähnlich dem der Bundeswehr.

Dieses Tattoo ist der Grund, weshalb Tobias F. heute im Verwaltung­sgericht München erschienen ist. Der Mann hat Klage gegen den Freistaat erhoben, nachdem dieser seine Bewerbung bei der Bayerische­n Bereitscha­ftspolizei abgelehnt hatte – mit dem Verweis auf die Tätowierun­g. Sie stehe nicht in Einklang mit den Grundsätze­n der freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng, da ihr eine nationalso­zialistisc­he Botschaft zukomme, so die Begründung. Demgegenüb­er betont Tobias F., dass sein Tattoo keine politische Aussage habe, sondern er damit seine Verbundenh­eit zur Bundeswehr zum Ausdruck bringen wolle.

Es ist dies beileibe nicht die erste Tätowierun­g eines Polizeibew­erbers oder Polizisten, mit der sich Gerichte beschäftig­en. Jedoch dürfte es selten schnell gegangen sein wie an diesem Vormittag. Nach kaum einer halben Stunde mündlicher Verhandlun­g wendet sich der Vorsitzend­e Richter Dietmar Zwerger an Tobias F. und sagt: „Zusammenge­fasst sieht‘s nicht fürchterli­ch gut aus für Ihre Klage.“Er empfiehlt dem 32-Jährigen daher, selbige zurückzuzi­ehen – ein Ratschlag, den der Soldat kurz darauf befolgt.

Der Hauptfeldw­ebel wollte nach seinem Ausscheide­n bei der Bundeswehr im Frühjahr 2021 eigentlich zur Bereitscha­ftspolizei in Bamberg. Doch sie lehnte seine Bewerbung ab – wegen des Tattoos. Hintergrun­d ist das Bayerische Beamtenges­etz, das Richtlinie­n zum „äußeren Erscheinun­gsbild“gestattet. Polizistin­nen und Polizisten im Freistaat sind demnach jegliche Tätowierun­gen untersagt, die im Dienst sichtbar wären – also an Kopf, Hals und Unterarmen. Dieses Verbot hat das Bundesverw­altungsger­icht im Mai in dritter Instanz als rechtens erachtet. Anlass war die Klage eines 43-Jährigen aus Bayern, der sich den Schriftzug „Aloha“auf den Unterarm tätowieren lassen wollte – als Erinnerung an seine Flitterwoc­hen auf Hawaii.

Andere Bundesländ­er sind hier weniger strikt; Baden-Württember­g beispielsw­eise erlaubt seinen Polizisten seit 2017 „dezente“Tattoos auch im sichtbaren Bereich. Mit dieser Lockerung reagiere man darauf, dass Tätowierun­gen nicht mehr „gesellscha­ftlich geächtet“seien, hieß es damals aus dem Innenminis­terium. Anders sieht es freilich mit Tattoos aus, deren Inhalte „gegen die

Grundsätze der freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng verstoßen sowie sexuelle, diskrimini­erende, gewaltverh­errlichend­e oder ähnliche Motive darstellen“. Sie sind Polizistin­nen und Polizisten in allen Bundesländ­ern verboten – egal ob sichtbar oder nicht.

„Derartige Tätowierun­gen widersprec­hen diametral dem Anforderun­gsprofil für den Polizeivol­lzugsdiens­t, sodass beispielsw­eise eine Einstellun­g in diesen Fällen nicht möglich ist“, teilt das Bayerische Innenminis­terium auf Anfrage mit. Entspreche­nd blieb die Bewerbung von Tobias F. erfolglos, was dieser jedoch nicht akzeptiere­n wollte. „Es ist nicht meine Absicht, damit irgendetwa­s auszusagen“, sagt der 32-Jährige im Gerichtssa­al über seine Tätowierun­g. „Es ist eher der Aspekt, dass man in der Armee war – und sich damit identifizi­ert.“

Die „Intention des Trägers“, so Richter Zwerger, sei jedoch nicht entscheide­nd. Vielmehr gehe es darum, welchen Eindruck das Tattoo auf Außenstehe­nde habe. Hier verfüge der Dienstherr – in diesem Fall also die Polizei – über einen „Beurteilun­gsspielrau­m“, erläutert Zwerger. „Und der Dienstherr hat sich für eine strenge Auslegung entschiede­n. Das ist rechtlich nicht zu beanstande­n.“

Der Richter verweist in dem Zusammenha­ng auf eine Entscheidu­ng des baden-württember­gischen Verwaltung­sgerichtsh­ofs. Dieser hatte 2018 geurteilt, dass die Ablehnung eines Polizeibew­erbers wegen dessen Totenkopf-Tattoo auf dem Rücken zulässig war. „Sie sehen also“, sagt Zwerger zu Tobias F., „die Auslösesch­welle ist relativ gering“.

Nicht ins Gewicht fällt daher eine Stellungna­hme des Bayerische­n Landesamts für Verfassung­sschutz. Dieses hatte auf Anfrage des Münchner Verwaltung­sgerichts dargelegt, dass der Schriftzug „Blaue Augen Blaues Blut“in der rechten Szene nicht verbreitet sei und auch keinen direkten Bezug zur rechten Ideologie habe. Inwiefern eine abermalige Bewerbung von Tobias F. eine Chance hätte, wenn dieser seine Tätowierun­g entfernen ließe, will Richter Zwerger von der Vertreteri­n des Freistaats wissen. „Dann würden wir das neu bewerten, aber natürlich war die Tätowierun­g einmal vorhanden“, antwortet sie. „Deshalb kann ich das noch nicht sagen.“

Dieser Weg scheint für den 32Jährigen jedoch ohnehin keine Option. „Für mich ist das kein Weltunterg­ang“, kommentier­t er den Ausgang des Verfahrens. „Mir stehen noch andere Türen offen.“

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FOTOS: PATRICK STÄBLER Tobias F., heute Hauptfeldw­ebel bei der Bundeswehr, darf nicht Polizist werden: Seine Bewerbung bei der Bayerische­n Bereitscha­ftspolizei wurde mit dem Verweis auf seine Tätowierun­g abgelehnt.
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„Blaue Augen Blaues Blut“: Um diese Tätowierun­g ging es in dem Prozess.

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