Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tattoo vereitelt Polizeikarriere
Hauptfeldwebel zieht Klage nach Empfehlung des Richters zurück
MÜNCHEN – Etwas zaghaft betritt Tobias F. an diesem Vormittag den Gerichtssaal – ein 32 Jahre alter Zeitsoldat, der Körper durchtrainiert, die Oberarme stattlich, das Kreuz breit wie eine Schrankwand. Und genau dort, auf seinem Rücken, hat sich Tobias F. vor einigen Jahren eine Tätowierung stechen lassen, von Schulter zu Schulter. „Blaue Augen Blaues Blut“steht dort in Frakturschrift, dazu in der Mitte ein eisernes Kreuz, ähnlich dem der Bundeswehr.
Dieses Tattoo ist der Grund, weshalb Tobias F. heute im Verwaltungsgericht München erschienen ist. Der Mann hat Klage gegen den Freistaat erhoben, nachdem dieser seine Bewerbung bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei abgelehnt hatte – mit dem Verweis auf die Tätowierung. Sie stehe nicht in Einklang mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, da ihr eine nationalsozialistische Botschaft zukomme, so die Begründung. Demgegenüber betont Tobias F., dass sein Tattoo keine politische Aussage habe, sondern er damit seine Verbundenheit zur Bundeswehr zum Ausdruck bringen wolle.
Es ist dies beileibe nicht die erste Tätowierung eines Polizeibewerbers oder Polizisten, mit der sich Gerichte beschäftigen. Jedoch dürfte es selten schnell gegangen sein wie an diesem Vormittag. Nach kaum einer halben Stunde mündlicher Verhandlung wendet sich der Vorsitzende Richter Dietmar Zwerger an Tobias F. und sagt: „Zusammengefasst sieht‘s nicht fürchterlich gut aus für Ihre Klage.“Er empfiehlt dem 32-Jährigen daher, selbige zurückzuziehen – ein Ratschlag, den der Soldat kurz darauf befolgt.
Der Hauptfeldwebel wollte nach seinem Ausscheiden bei der Bundeswehr im Frühjahr 2021 eigentlich zur Bereitschaftspolizei in Bamberg. Doch sie lehnte seine Bewerbung ab – wegen des Tattoos. Hintergrund ist das Bayerische Beamtengesetz, das Richtlinien zum „äußeren Erscheinungsbild“gestattet. Polizistinnen und Polizisten im Freistaat sind demnach jegliche Tätowierungen untersagt, die im Dienst sichtbar wären – also an Kopf, Hals und Unterarmen. Dieses Verbot hat das Bundesverwaltungsgericht im Mai in dritter Instanz als rechtens erachtet. Anlass war die Klage eines 43-Jährigen aus Bayern, der sich den Schriftzug „Aloha“auf den Unterarm tätowieren lassen wollte – als Erinnerung an seine Flitterwochen auf Hawaii.
Andere Bundesländer sind hier weniger strikt; Baden-Württemberg beispielsweise erlaubt seinen Polizisten seit 2017 „dezente“Tattoos auch im sichtbaren Bereich. Mit dieser Lockerung reagiere man darauf, dass Tätowierungen nicht mehr „gesellschaftlich geächtet“seien, hieß es damals aus dem Innenministerium. Anders sieht es freilich mit Tattoos aus, deren Inhalte „gegen die
Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen sowie sexuelle, diskriminierende, gewaltverherrlichende oder ähnliche Motive darstellen“. Sie sind Polizistinnen und Polizisten in allen Bundesländern verboten – egal ob sichtbar oder nicht.
„Derartige Tätowierungen widersprechen diametral dem Anforderungsprofil für den Polizeivollzugsdienst, sodass beispielsweise eine Einstellung in diesen Fällen nicht möglich ist“, teilt das Bayerische Innenministerium auf Anfrage mit. Entsprechend blieb die Bewerbung von Tobias F. erfolglos, was dieser jedoch nicht akzeptieren wollte. „Es ist nicht meine Absicht, damit irgendetwas auszusagen“, sagt der 32-Jährige im Gerichtssaal über seine Tätowierung. „Es ist eher der Aspekt, dass man in der Armee war – und sich damit identifiziert.“
Die „Intention des Trägers“, so Richter Zwerger, sei jedoch nicht entscheidend. Vielmehr gehe es darum, welchen Eindruck das Tattoo auf Außenstehende habe. Hier verfüge der Dienstherr – in diesem Fall also die Polizei – über einen „Beurteilungsspielraum“, erläutert Zwerger. „Und der Dienstherr hat sich für eine strenge Auslegung entschieden. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.“
Der Richter verweist in dem Zusammenhang auf eine Entscheidung des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs. Dieser hatte 2018 geurteilt, dass die Ablehnung eines Polizeibewerbers wegen dessen Totenkopf-Tattoo auf dem Rücken zulässig war. „Sie sehen also“, sagt Zwerger zu Tobias F., „die Auslöseschwelle ist relativ gering“.
Nicht ins Gewicht fällt daher eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz. Dieses hatte auf Anfrage des Münchner Verwaltungsgerichts dargelegt, dass der Schriftzug „Blaue Augen Blaues Blut“in der rechten Szene nicht verbreitet sei und auch keinen direkten Bezug zur rechten Ideologie habe. Inwiefern eine abermalige Bewerbung von Tobias F. eine Chance hätte, wenn dieser seine Tätowierung entfernen ließe, will Richter Zwerger von der Vertreterin des Freistaats wissen. „Dann würden wir das neu bewerten, aber natürlich war die Tätowierung einmal vorhanden“, antwortet sie. „Deshalb kann ich das noch nicht sagen.“
Dieser Weg scheint für den 32Jährigen jedoch ohnehin keine Option. „Für mich ist das kein Weltuntergang“, kommentiert er den Ausgang des Verfahrens. „Mir stehen noch andere Türen offen.“