Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Jetzt geht’s ans Eingemachte!“
Performance-Aktion Maria 2.0: Suche nach einer neuen Kultur in der katholischen Kirche
WEINGARTEN – „Jetzt geht’s ans Eingemachte“, lautete die Aufforderung an die zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich am Montag für die Performance-Aktion zu Maria 2.0 im Tagungshaus Weingarten der Akademie der Diözese RottenburgStuttgart entschieden hatten. Worum ging es bei diesem fünfstündigen Seminar, das sich mit dem Frauenbild in der katholischen Kirche unter anders- und neuartigen Vorzeichen auseinandersetzte.
Wie ließe sich eine neue Kultur von Autorität, Macht und Freiheit erreichen, nachdem sich an den Rollenbildern von Frauen innerhalb der Kirche bis heute herzlich wenig geändert hat. Eine große Aufbruchsstimmung habe vor 23 Jahren hier mit 100 Frauen zu eben diesem Thema geherrscht, erinnerte sich Pastoralreferentin Barbara Janz-Spaeth. Jetzt sei sie ernüchtert und frage sich, woran es liegen könne, dass sich alte Strukturen so schwer aufbrechen lassen, dass Explosives so gut unter Verschluss bleibt, oder ob kein Nachdenken mehr stattfindet.
Tagungsleiterin Ilonka Czerny erläuterte die Vorgeschichte, die in der Kunsthalle Tübingen den Anstoß gegeben hat. Zwölf Frauen und Männer hätten dort Leonardo da Vincis berühmtes „Abendmahl“nachempfunden und als Fotografie festgehalten. Den Part Jesu wollte keiner übernehmen, daher erscheint dieser Platz als Silhouette.
Dass es um viel geht, insbesondere um Gleichberechtigung und Gleichstellung, machte die Performance „Gleich kocht’s über“von Künstlerin und Playing Artist Gabi Erne deutlich. Sie hatte sich ganz in Weiß vor ihren Küchengerätschaften aufgebaut. Leere Einmachgläser, die gefüllt werden wollten – nur mit was? Eben nicht mehr mit dem brav und sorgsam Geernteten der Großmutter, sondern ihr ging es ums wirklich Eingemachte.
Im Zeitraffer las sie Textstellen vom endlos langen Band einer Kassenrolle ab. Aus Zeiten, in der Frauen keinerlei Rechte hatten außer der Schlüsselgewalt über die Speisekammer. Fernhalten sollten sie sich vom Heiligen, während Erne frohen Mutes Chili als Zeichen für scharfe Lust und Verstand, Senfkörner für den
Aufbruch von Frauen in den 1920erJahren ins Glas kippte. Das klein gehäckselte und mit Weinessig aufgegossene Surrogat vermittle Frauen in der Zeit des Dritten Reichs lediglich noch eine Ahnung von der dereinst herrschenden Energie. Sie führte dieses intensive Spiel mit vielen „Bings“und Schlagwörtern wie Ebenbürtigkeit, unnatürliche Gleichstellung mit Männern oder dem Gefasel vom typischen Frauenbild fort.
Absolut ironisch gemeint, wenn sie Johannes Paul II. zitiert, wie er in seinem Brief an die Frauen 1995 vom unschätzbaren Wert für die Gesellschaft spricht und der enormen Bereitschaft, sich in den menschlichen Beziehungen zu verausgaben. Höhnisch muss das in heutigen Ohren klingen, dass Frauen ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise leisteten, indem sie Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben. Ihnen dafür im Gegenzug die Tür zur Priester- und Diakoninnenweihe verschlossen bleibt. Also ab mit dem Brief in die Spaghettimaschine, etwas billigen Rotwein dazu, viel Zucker und dann gen Rom. Ob’s hilft? Wenn die zugeschaltete emeritierte
Theologin Hildegard König in ihrem Vortrag „Charismen eindünsten“die jahrtausendealte Apostelgeschichte mit einschlägigen Belegen zur Stellung der Frauen rekapituliert. Das allerdings in einer ungewohnten Herangehensweise mittels Notizen zum bewährten Umgang mit leicht verderblichen Früchten. Beispiel: „Aussortieren: Frauen als Lehrerinnen in der Gemeinde, die sich nach Timotheus um 100 nach Christus still verhalten sollen. Oder beim Vakuumieren von festgefahrenen Rollenbildern, bevor die so gefüllten Gläser dann kühl und dunkel gelagert in Vergessenheit geraten. Die kirchliche Vorratshaltung nicht mehr den alten Männern überlassen, so Königs Fazit.
Und die Teilnehmer – was durften sie noch selbst tun in Corona-Zeiten? Power Writing auf Papierrollen, das verschlossen in Einmachgläsern und einem Gang in Richtung Kapelle dort seinen Platz fand, um Erlebtes und Erfahrenes loszulassen. Fragen taten sich auf, wie mit den Dingen umzugehen sei. Diskutiert werden konnte allerdings nicht. Ilonka Czerny gab in ihrem Vortrag einen Einblick in das Werk des Künstlers und „Pomologen“
Daniel Bräg, der sich explizit mit dem Einmachen und Konservieren heute kaum noch existierender Obstsorten beschäftigt. Durchaus unter der Prämisse, was soll mit dem Alten geschehen. Wegwerfen, stehen lassen oder versuchen, die verstaubten Glasdeckel zu lüften? Notfalls mit Hammer und Zange sahen sich die Teilnehmer in der Endrunde mit eingemachten Kirschen, Pflaumen, Mirabellen, Gewürzgurken oder Tomaten konfrontiert. Das Abgestandene wollte keiner mehr so recht haben.
Lieber einen von Erne frisch gepressten grünen Smoothie als Zeichen der Hoffnung, nur die stirbt ja bekanntlich zuletzt. Was es nun wirklich braucht, um eine neue Kultur ins Leben zu rufen, konnte Maria 2.0 wenn überhaupt anreißen. In keiner der vielen Religionen würden Frauen bis heute zu ihrem Recht kommen.
Gehofft wurde, dass Maria 2.0 sich verweigere, denn ohne Frauen könne die Kirche nicht existieren. Zu brav und idealistisch bei aller zu lobenden Kreativität der Performances lauteten einige am Schluss geäußerten Kommentare dieses ersten Anlaufs zu möglicher Veränderung.