Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Bad Waldsee will Große Kreisstadt werden
Gemeinderat erteilte dem Antrag zur Statusaufwertung geschlossene Zustimmung – Gesamtkosten: 168 000 Euro
BAD WALDSEE - Bad Waldsee ist auf dem Weg zur Großen Kreisstadt einen großen Schritt weitergekommen. Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am Montag im Haus am Stadtsee einstimmig die Weichen gestellt und der Verwaltung die Zustimmung gegeben, den Antrag zur Ernennung zur Großen Kreisstadt beim Innenministerium des Landes einzureichen. Dies soll nach Angaben der Verwaltung „umgehend“nach dem Beschluss geschehen. Ziel ist die Ernennung zum 1. Januar 2022. Ebenfalls einstimmig beschlossen wurde der Beitritt Bad Waldsees zum Städtetag Baden-Württemberg bereits zum 1. Januar 2021.
Soll Bad Waldsee eine Große Kreisstadt werden oder nicht? Mit dieser Frage haben sich bereits die vorige Stadtspitze sowie der Gemeinderat auseinandergesetzt, die Statusänderung aber jeweils nicht als Priorität angesehen. Vor allem auf die zusätzlichen Aufgaben sowie auf die Kostenfrage wurde meist verwiesen. Noch im Herbst vergangenen Jahres haben sich die Fraktionssprecher verhalten über den möglichen Schritt hin zur Großen Kreisstadt geäußert (die SZ berichtete). Das alles hat sich nun geändert – das neue Führungsduo im Rathaus hat sich mit Elan dem Thema gewidmet und alle Fakten dazu ausgearbeitet und sowohl Kosten, Zusatzaufgaben als auch die Vorteile ausführlich dargelegt und nicht nur damit die Statusaufwertung vorangetrieben. Auch der Gemeinderat zeigte sich am Montag enthusiastisch und stand geschlossen hinter den Antragsplänen der Verwaltung.
Bürgermeister Matthias Henne – extra für diesen Tagesordnungspunkt am Rednerpult stehend – machte noch einmal deutlich, welche Vorteile die Ernennung zur Großen Kreisstadt mit sich bringen würde. So fielen unter anderem die Stichworte „wichtige Weichenstellung“, „bedeutender Meilenstein“und „langfristige Aufwertung“. Zudem
biete die Statusänderung ein stärkeres politisches Gewicht sowie größere Gestaltungsspielräume und eine verbesserte Wahrnehmung der Stadt nicht nur auf Landes- und Bundesebene, sondern auch in der Region. Auch werde der Zugang zu Informationen verbessert, die Identität der Stadt werde gestärkt („Große Kreisstadt ist ein Markenzeichen“) und es würden sich Standortvorteile in den Bereichen Wohnen und Wirtschaft ergeben. Nicht zu vergessen, dass Bad Waldsee neben Ravensburg, Weingarten, Leutkirch und Wangen die fünfte Große Kreisstadt im Landkreis wäre und die erste der ehemaligen fünf Donaustädte mit diesem Titel. Zudem, so stellte Henne heraus, wäre Bad Waldsee erst die dritte Bäderstadt in Baden-Württemberg, die zur Großen Kreisstadt ernannt wird.
Die Aufwertung bedeutet nach weiteren Ausführungen des Bürgermeisters auch einen Ausbau des Bürgerservice vor Ort. Zudem würden sich Aufgaben und Kompetenzen verlagern. So gebe es etwa künftig ein „hausinternes Controlling“im Rathaus als direkte Stabsstelle des Bürgermeisters, der nach der Statusänderung ein Oberbürgermeister wäre. Der Titel Erste Beigeordnete würde sich, wie mehrfach berichtet, ab 1. Januar 2022 ebenfalls ändern, Waldsee hätte dann eine Bürgermeisterin (jeweils bei gleicher Besoldung, daran ändert sich durch den Stadttitel nichts).
Die Voraussetzungen, um den Antrag zur Ernennung zur Großen Kreisstadt zu stellen, sind schon lange geschaffen, wie Henne betonte. Die erforderliche Anzahl an Einwohnern liege bereits „seit fünf Jahren über der magischen Grenze“. Notwendig ist, dass eine Stadt über einen Zeitraum von drei Jahren mehr als 20 000 Einwohner hat. Diese Marke wurde erstmals bereits im Jahr 2015 mit 20 011 Einwohnern überschritten. Maßgeblich ist die amtliche Einwohnerzahl zum 30. Juni 2020: Zu diesem Zeitpunkt hatte Bad Waldsee 20 140 Einwohner.
Wie der Bürgermeister weiter ausführte, erfülle Bad Waldsee nicht nur „formal“alle Voraussetzungen, sondern unter anderem auch als Mittelzentrum mit überregionaler Strahlkraft sowie als Gesundheitsstadt, Moorheilbad und Kneippkurort. Die nördlichste Stadt im Landkreis Ravensburg, die 926 erstmals geschichtlich erwähnt worden sei, würde mit der Aufwertung nicht nur Vorteile für die heutige, sondern auch für nachfolgende Generationen erhalten.
Es habe in den vergangenen Wochen „intensive Vorbereitungen“und zahlreiche Vorgespräche mit dem Landkreis, dem Regierungspräsidium und auch dem Innenministerium – dort sei jeweils große Unterstützung signalisiert worden – gegeben. Eine Ernennung zum 1. Januar 2022 ist nach Angaben der Stadt daher realistisch.
Die Erste Beigeordnete Monika Ludy machte klar, dass Bad Waldsee als Große Kreisstadt dann sogenannte Untere Verwaltungsbehörde sei. Durch die Verwaltungsgemeinschaft Bad Waldsee-Bergatreute nehme die Stadt bereits seit vielen Jahren Aufgaben
als Untere Verwaltungsbehörde wahr. Mit der Erklärung zur Großen Kreisstadt würden lediglich folgende Aufgaben hinzukommen: Wohngeldstelle und Ausländerbehörde. Zudem müsste Bad Waldsee ein eigenes Rechnungsprüfungsamt einrichten. Rechtsaufsichtsbehörde wäre künftig nicht mehr das Landratsamt, sondern das Regierungspräsidium Tübingen.
Die Wohngeldstelle und Ausländerbehörde sollen die ersten Jahre vorerst auf den Landkreis Ravensburg übertragen werden: Gesamtkosten 162 835 Euro (Wohngeldstelle 44 279 Euro und Ausländerbehörde 118 556 Euro). Für das Rechnungsprüfungsamt, das dann unmittelbar dem Bürgermeister untersteht, entstehen Kosten in Höhe von 100 000 Euro. Dem Rechnungsprüfungsamt könne laut Stadt auch etwa die Prüfung der Organisation und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung übertragen werden. Die Erfahrung anderer Großer Kreisstädte zeige, dass die Rechnungsprüfung im eigenen Haus einen Mehrwert mit sich bringe. Gesamtsumme der Zusatzkosten: 263 000 Euro.
Auf der Einnahmenseite erhält die Stadt nach weiteren Angaben von Ludy Zuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz (4,69 Euro pro Einwohner), in Summe 95 000 Euro zusätzlich pro Jahr. Somit würden sich die Gesamtzusatzkosten auf 168 000 Euro verringern. Für Unvorhergesehenes werde der Betrag auf 200 000 Euro erhöht.
Weitere Kosten entstehen der Stadt dadurch, dass die Ortsschilder, die übrigens erst im Februar mit dem neuen Zusatz „Staatlich anerkanntes Heilbad“versehen und neu angebracht wurden, erneut ausgetauscht werden müssen. Laut Ludy handele es sich um rund 100 Schilder, die Stadt rechnet mit Kosten in Höhe von 25 000 Euro.
Die anschließende Debatte im Gremium war recht schnell erledigt. Alle Sprecher der Fraktionen und Gruppierungen sprachen sich für den Antrag zur Ernennung zur Großen Kreisstadt und der Übertragung von Aufgaben ans Landratsamt aus. Sonja Wild (CDU) etwa betonte unter anderem den „Imagegewinn für unsere Stadt“und den verbesserten Bürgerservice. Auch Bernhard Schultes (FW) hob hervor, dass die Titeländerung nicht wegen des Gemeinderats oder des Bürgermeistertitels wichtig sei, sondern die Entscheidung wegen der Bürger getroffen werde. Lucia Vogel (Grüne) sprach an, dass auch die Grünen in „vielen Gesprächen“überzeugt worden seien, dass die Statusaufwertung große Vorteile für die weitere Entwicklung der Stadt habe, jedoch mahnte sie vor „Wachstum um jeden Preis“. Rita König (SPD) sagte, dass dies auch ein wichtiger Schritt sei, um die Marke Bad Waldsee voranzubringen. Dementsprechend stimmten alle Räte dem Vorhaben zu.
Sollte nun der Antrag planmäßig vom Land bewilligt werden, soll es im Jahr 2022 nach Angaben von Henne einen großen Festakt geben, die Urkunde werde am 1. Januar durch den Ministerpräsidenten übergeben.