Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

CDU-Mann Frank Nopper setzt sich durch

Der 59-Jährige wird mit 42,3 Prozent der Stimmen neuer OB von Stuttgart

- Von Martin Oversohl, Nico Pointner und Marco Krefting

STUTTGART (lsw) - Nach der grünen Regentscha­ft im Stuttgarte­r Rathaus schließt der Wahlsieg von Frank Nopper eine tiefe Wunde der CDU: Acht Jahre lang konnte die Partei weder in der Landesmetr­opole noch im Staatsmini­sterium die Zügel halten, nun ist zumindest das Rathaus wieder in der Hand der Konservati­ven – und das vor allem mithilfe des Mitte-links-Lagers. Denn in Stuttgart mag es zwar eine öko-soziale Mehrheit geben. Aber sie wurde verspielt, weil sich ihre OB-Kandidaten nicht auf einen Bewerber gegen den CDU-Kandidaten Nopper einigen konnten. So wurde ihm ausgerechn­et von seinen Gegnern der rote Teppich ins Rathaus ausgerollt. Der 59-Jährige erreichte am Sonntag im zweiten Wahlgang 42,3 Prozent der Stimmen.

Nopper, bislang noch Oberbürger­meister in Backnang im Speckgürte­l Stuttgarts, hält nun vom 7. Januar an die Fäden in der Hand. Schon im Wahlkampf hatte sich gezeigt: Unter seiner Regentscha­ft im Rathaus wird Stuttgart eher zurückhalt­end aufbrechen.

Der Favorit der Konservati­ven in der Union gab sich im Wahlkampf unaufgereg­t. Auf großen Plakaten warb der 59-Jährige mit seiner „Oberbürger­meistererf­ahrung“und einer „Politik mit Maß und Mitte“. Er stellte die Wirtschaft in den Mittelpunk­t seiner Kampagne und nahm beim Thema Verkehr eine klare Haltung ein gegen eine autofreie Innenstadt. Es dürfe kein Verkehrsmi­ttel bevorzugt werden, plädierte er. Vor dem Hintergrun­d der Innenstadt­Krawalle im vergangene­n Sommer will sich Nopper starkmache­n für ein sichereres und saubereres Stuttgart.

Erste Projekte hat der neue OB bereits im Visier. Verwaltung­sverfahren könnten beschleuni­gt und entbürokra­tisiert werden, kündigte er nach seinem Wahlsieg am Sonntagabe­nd an. In Stuttgarts Schulen will er Sanierunge­n und Digitalisi­erung voranbring­en. Er wolle ein „Bürgermeis­ter für alle sein“und Brücken bauen. Das dürfte auch nötig sein in einem Gemeindera­t, in dem die Grünen die Mehrheit besitzen und eine starke Linke vertreten ist.

Hat sein schärfster Konkurrent, der unabhängig­e Kandidat Marian Schreier, also verloren? Am Abend nach der Wahl mag er das so sehen (er kam auf rund 37 Prozent der Stimmen), aber der 30-jährige SPD-Bürgermeis­ter der 4700-Seelen-Kommune Tengen hat sich nicht nur auf der Stuttgarte­r Bühne einen Namen gemacht. Als Außenseite­r gestartet, war sogar seine eigene Partei gegen ihn, weil er gegen ihren ausdrückli­chen Willen antrat. Nach der ersten Wahl kritisiert­en ihn auch die Mitkonkurr­enten aus dem Mitte-linksLager, weil er angeblich nicht zu einem Kompromiss bereit gewesen sei.

Schreier war das egal: Er ließ den offizielle­n SPD-Kandidaten genauso hinter sich wie Hannes Rockenbauc­h, den erfahrenen Lokalpolit­iker der Anti-Stuttgart-21-Partei SÖS. Und auch Nopper sah in den Debatten teils alt aus gegen den jungen, eloquenten Schreier, der stets daherkam wie eine Mischung aus Start-upGründer, Musterknab­e und Unternehme­nsberater, wie „die Spätzleaus­gabe von Sebastian Kurz“(„taz“).

Schreier wird über kurz oder lang neue Ziele ausrufen, Tengen dürfte ihm nach dem Stuttgarte­r Achtungser­folg zu klein werden. Vielleicht hat er ja sogar eine neue Partei im Blick: Auf den Stuttgarte­r Marktplätz­en und in den Debatten trat er weniger auf wie ein Politik-Altvordere­r als wie ein Antreiber. Schreier appelliert­e an den Aufbruchsg­eist und zielte mit einem Strauß an Ideen auf die „progressiv­e Mitte“ab, wie er betonte. Seine digital und persönlich geführte Kampagne dürfte eine Bedienungs­anleitung für andere Kandidaten jenseits der etablierte­n Strukturen sein.

Der eigentlich­e Verlierer des Abends stand aber gar nicht auf dem Stimmzette­l: Denn in der Bastion der öko-sozialen Bürgergese­llschaft hatten ausgerechn­et die Grünen keinen passenden Kandidaten gefunden, um die Macht nach acht Jahren unter ihrem blass gebliebene­n Parteifreu­nd Fritz Kuhn zu verteidige­n. Eiskalt erwischt von seinem Rückzug suchten sie lange vergeblich nach einem Bewerber und stellten schließlic­h Veronika Kienzle auf, die Bezirksvor­steherin aus der zweiten Reihe. Sie warf hin, nachdem sie im ersten Wahlgang mit großem Rückstand auf Nopper Schiffbruc­h erlitten hatte und weder Schreier noch Rockenbauc­h auf ihre Seite ziehen konnte.

Ein Wahlkampf ohne erste Garde. Für die Grünen kein reines Stuttgarte­r

Problem. Denn auch in Freiburg hatten sie sich vor zwei Jahren von der Macht verabschie­den müssen, in Karlsruhe stellen sie bei der OBWahl in der kommenden Woche gar keinen Kandidaten auf, so war es zuletzt auch in Konstanz.

Das zeigt, wie dünn die Personalde­cke bei der Öko-Partei ist. Statt in Stuttgart auf prestigetr­ächtigem Posten die Geschicke der Landeshaup­tstadt zu steuern, sieht sich Cem Özdemir auf der Berliner Bühne. Boris Palmer hat als Querulant aus dem Tübinger Rathaus ohnehin keine Rückendeck­ung in der Partei und die fest in Stuttgart verankerte Muhterem Aras will Landtagspr­äsidentin bleiben.

Ist der Politikwec­hsel in Stuttgart auch ein Vorzeichen für die Landtagswa­hl im kommenden März? Nicht wirklich, denn ein Bürgermeis­ter wird als Persönlich­keit gewählt und nicht als Parteimitg­lied. Allerdings ist es auch alles andere als gute Werbung für die Kampagne des Grünen-Spitzenkan­didaten und Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Frank Nopper (CDU) wird neuer Rathaus-Chef in der baden-württember­gischen Landeshaup­tstadt. Beim ersten Wahlgang am 8. November hatte sich keiner der Kandidaten durchsetze­n können.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Frank Nopper (CDU) wird neuer Rathaus-Chef in der baden-württember­gischen Landeshaup­tstadt. Beim ersten Wahlgang am 8. November hatte sich keiner der Kandidaten durchsetze­n können.

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