Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Keine Brutstätte des Terrorismus“
Juristin Grabesch über deutsche Gefängnisse
Was beobachten Sie stattdessen? Menschen werden aus allen sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhängen rausgerissen, suchen nach Bezugspersonen. Das Umfeld Gefängnis führt dazu, dass Menschen sich vom Staat abwenden. Nun sitzen Gefangene aber auch in Haft, weil sie lernen müssen, sich an Gesetze zu halten. Eine gewünschte Verhaltensänderung erreicht man aber selten durch Bestrafung, sondern indem man Vorbild ist – das weiß man auch aus der Erziehung. Heißt konkret: Der Staat sollte sich in den Haftanstalten an Gesetze halten, was oft nicht der Fall ist.
Sie arbeiten auch als Strafverteidigerin. Was haben Sie in der Hinsicht schon erlebt?
Da gibt es unendlich viele Beispiele. Ein häufiges: Ein Gefangener hat einen Antrag gestellt, aber der ist nicht vorhanden – und es wird ihm auch nicht bestätigt, dass er ihn eingereicht hat. Das mag wie eine Kleinigkeit
Die skandinavischen Länder setzen auf noch mehr Resozialisierung im Strafvollzug.
Das ist in jedem Fall der richtige Weg, aus einem simplen Grund: Man wird damit wenig Schaden anrichten und kann gleichzeitig mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich die Menschen eher von der Radikalisierung gegen den Staat abwenden.
Wie steht Deutschland denn im Vergleich zu anderen Ländern da, was die Rückfallquote von straffällig gewordenen Menschen angeht?
Ich habe schon oft versucht, solche Vergleiche anzustellen, kann das aber nicht, weil uns die Zahlen fehlen. Man kann noch nicht einmal die einzelnen deutschen Bundesländer unterscheiden. Der Strafvollzug blockiert oft den Zugang für unabhängige Forschung. Auch wenn Studien nützlich wären, um politische Entscheidungen zu treffen.