Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schweizer Lieferkett­engesetz scheitert

Kantone lehnen schärfere Haftungsre­geln für Firmen im Ausland ab – Rüstungsbe­triebe können weiter auf öffentlich­e Finanzieru­ng setzen

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GENF (AFP) - Die Schweizer haben sich in einer Volksabsti­mmung gegen eine Initiative ausgesproc­hen, mit der das Land eines der strengsten Lieferkett­engesetze der Welt bekommen sollte. Die Vorlage sei von einer Mehrheit der Kantone abgelehnt worden und damit gescheiter­t, berichtete am Sonntag die Schweizer Nachrichte­nagentur SDA. Auch eine zweite Initiative für ein Verbot, Geld in die Produktion von Kriegswaff­en zu investiere­n, scheiterte demnach.

Die „Konzernver­antwortung­sinitiativ­e“wollte Unternehme­n mit Sitz in der Schweiz dazu zwingen, die Einhaltung von Menschenre­chten und Umweltstan­dards in allen Produktion­sschritten weltweit zu garantiere­n, also auch bei ihren Tochterfir­men, Zulieferer­n und Geschäftsp­artnern im Ausland. Für Versäumnis­se hätten sie vor Schweizer Gerichten verantwort­lich gemacht werden können. Hinter der Initiative standen 130 Nichtregie­rungsorgan­isationen; sie hatte Unterstütz­er im gesamten politische­n Spektrum, von Gewerkscha­ften bis hin zu kirchliche­n Gruppen.

Die Initiative erhielt laut SDA zwar den Zuspruch von 50,7 Prozent der Wähler. Jedoch muss zum Erfolg von Volksbegeh­ren auch eine Mehrheit der 23 Schweizer Kantone für die Initiative­n stimmen. In drei Kantonen werden jeweils zwei halbe Wahlkreise ausgezählt. Nur in 8,5 Kantonen votierten die Wähler für die Initiative, die damit die Mehrheit deutlich verfehlte. 46,7 Prozent der Wahlberech­tigten gaben in dieser Abstimmung ihre Stimme ab.

Das Parlament, das die Initiative ablehnte, hatte einen Gegenentwu­rf präsentier­t. Der Vorschlag sieht ebenfalls vor, dass Unternehme­n zu Menschenre­chts- und Umweltschu­tz weltweit verpflicht­et werden, ohne sie jedoch rechtlich verantwort­lich zu machen. Dieser Vorschlag wird nun voraussich­tlich in Kraft treten.

Die Grünen-Politikeri­n und Befürworte­rin der Lieferkett­eninitiati­ve, Lisa Mazzone, zeigte sich enttäuscht über den Ausgang. Dennoch freue sie sich, dass das ganze Land eine breite Debatte geführt habe, „die die Frage nach den Werten aufwirft, die wir in einer globalen Wirtschaft­sgemeinsch­aft vertreten wollen“, erklärte sie.

Ebenfalls zur Abstimmung stand die sogenannte Kriegsgesc­häfteiniti­ative. Sie wäre selbst für das pazifistis­che Alpenland ein besonderer Schritt gewesen: Nationalba­nk, Stiftungen sowie Einrichtun­gen der staatliche­n und berufliche­n Vorsorge sollte damit die Finanzieru­ng von Firmen untersagt werden, die Kriegsmate­rial herstellen. In der Schweiz wäre es dann unmöglich gewesen, Geld in Unternehme­n zu investiere­n, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit der Produktion von Kriegsgüte­rn erwirtscha­ften.

Lediglich 42,5 Prozent der Wähler in 3,5 Kantonen stimmten laut SDA für den Vorschlag. 46,4 Prozent der Wahlberech­tigten stimmten über die Kriegsgesc­häfteiniti­ative ab. Die Regierung und das Parlament hatten diesen Vorschlag ebenfalls abgelehnt. Die enge Definition von Waffenhers­tellern hätte auch Investitio­nen in Unternehme­n wie Boeing, Airbus und Rolls Royce untersagt.

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FOTO: MANUEL GEISSER/IMAGO IMAGES Ja-Flagge zur Abstimmung über die Konzernver­antwortung­sinitiativ­e an einem Balkon in Aargau.

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