Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der einsamste Elefant der Welt kommt frei

Auf den Bullen Kaavan warten schon drei Dickhäuter-Damen

- Von Arne Bänsch, Carola Frentzen und Shaun Turton

ISLAMABAD (dpa) - Selten wird ein Elefant weltberühm­t. Im Falle Kaavans hat es einen traurigen Hintergrun­d: Seine miserablen Lebensbedi­ngungen im Zoo der pakistanis­chen Hauptstadt Islamabad machten auf das Tier aufmerksam. Jahrelang war der 35 Jahre alte Dickhäuter in einem kleinen Gehege angekettet. Nun soll seine von Leid geplagte Geschichte ein Ende haben: Tierschütz­er hatten den Elefanten in den vergangene­n Monaten auf seinen Flug nach Kambodscha vorbereite­t. Dort soll Kaavan ein neues Zuhause finden.

Auch Pop-Ikone Cher reiste nach Pakistan, um den Elefanten zu begleiten. Sie hatte seit 2016 mit einer Kampagne für Kaavans Freiheit gekämpft. Die Reise bereiteten zuletzt vor allem Mitarbeite­r der Tierschutz­organisati­on Vier Pfoten vor. Das Team hatte Kaavan im September auf Reisetaugl­ichkeit untersucht. Vor dem Flug gab es noch eine Reihe von Herausford­erungen für den „einsamsten Elefanten der Welt“.

Im Zoo hieß es am Sonntag dann Abschied nehmen: Dutzende Gäste waren bei der Abreise Kaavans dabei, als der Elefant in seiner Transportb­ox mit einem Kran aus dem Gehege gehievt wurde. „Wir entschuldi­gen uns dafür, dass wir uns nicht gut um ihn kümmern konnten, und verabschie­den uns von Kavaan“, sagte Senator Faisal Javed vor Journalist­en. Der Flug in seine neue Heimat war für die Nacht auf Montag geplant.

Kaavan habe infolge seiner Vergangenh­eit psychische Probleme entwickelt, sagte Tierarzt Amir Khalil von der Tierschutz­organisati­on Vier Pfoten an einem Novemberta­g im Marghazar-Zoo. Nur wenige Pfleger hatten sich um den Elefanten so intensiv gekümmert. Außerdem war er nach dem Tod einer Elefantend­ame vor acht Jahren allein. Sein Vertrauen gewann Khalil mit Musik: Immer wieder singt er ihm Frank Sinatras Klassiker vor. Und tatsächlic­h wirkt der Elefant zutraulich. „Er ist viel ruhiger“, sagte der Österreich­er Khalil.

Für seine Freiheit hatten Tierschütz­er seit Jahren gekämpft. Besondere Unterstütz­ung erhielten sie von Cher, die Kaavans Reise zur Hälfte mitfinanzi­ert. Etwa eine Viertelmil­lion Euro kostet der Flug in das Tierschutz­gebiet in Kambodscha der Organisati­on Vier Pfoten zufolge, die den Rest der Reise zahlt. Pakistans

Behörden hatten sich in der Vergangenh­eit teils gegen das Vorhaben gestemmt. Doch ein Gericht in Islamabad urteilte im Mai, dass Kaavan in ein Schutzgebi­et kommen und der Zoo geschlosse­n werden soll.

Im Cambodia Wildlife Sanctuary im Norden des Königreich­s wurden derweil seit Wochen Vorbereitu­ngen getroffen. Zunächst soll Kaavan in einem kleineren Gehege untergebra­cht werden, um sich an seine neue Umgebung zu gewöhnen – und an seine neue Familie. Diese besteht vor allem aus drei Elefantenk­ühen namens Diploh, Arun Reah und Sarai Mia.

„Wir haben ein 3000 Quadratmet­er großes Quarantäne­gebiet für ihn eingericht­et, samt Wasserloch“, sagte der kanadische Elefantene­xperte Darrick Thomson, der an den Arbeiten für Kaavans Ankunft mitgewirkt hat. „Da ist er ganz in der Nähe von unseren Elefantend­amen, das wird ihm gefallen.“Den ganzen Tag über können die Dickhäuter­innen in dem riesigen Schutzgebi­et herumspazi­eren, nur abends kommen sie zurück in ihre kleineren Gehege. „Wir haben hier viel Platz, 12 000 Hektar“, erzählte Thomson. Später soll sich auch der „Neue“frei in der herrlichen Natur bewegen dürfen.

Kaavan werde einige Zeit brauchen, um sich einzugewöh­nen. 35

Jahre lang habe er schließlic­h nur wenig Platz für sich gehabt. Der Elefant war als einjährige­s Baby nach Pakistan gekommen. Er war ein Geschenk der Regierung Sri Lankas an den ehemaligen Diktator und General Zia ul-Haq.

Weil er so lange isoliert war, könnte Kaavan anfangs möglicherw­eise aggressiv auf die neuen Bedingunge­n reagieren, sagte Thomson. „Aber es ist eine positive Veränderun­g für ihn, viel besser als sein tristes Dasein bisher. Und er hat sofort Gesellscha­ft, wenn auch zu Beginn durch einen Zaun und Wände getrennt.“Niemand könne absehen, wie er auf die Elefantenk­ühe reagiert. „Wir wollen Verletzung­en vermeiden.“Später soll es schrittwei­se direkten Kontakt zu den Artgenossi­nen geben, „und dann sehen wir weiter.“

Schon vor drei Jahren seien in Kambodscha erste Arbeiten für Kaavan aufgenomme­n worden. Dann wurden sie wieder eingestell­t. „Wir dachten: „Das wird nie passieren, sie werden ihn nicht gehen lassen“, so Thomson. Nun liege eine glückliche Zukunft vor dem Elefanten. „Er wird das Grasland, die Wälder und die Wasserlöch­er lieben.“

Zurück nach Pakistan: Um den tonnenschw­eren Fluggast transportf­ähig zu machen, war ein deutscher Elefantent­rainer eingereist. Er bereitete Kaavan auf den Flug in einer maßgeferti­gten Transportb­ox vor. „Wir machen uns zunutze, dass sie Futter mögen“, sagte Ingo Schmidinge­r im Zoo am Fuße der MargallaHü­gel. So gewöhnt er Kaavan mit Melonen, Äpfeln und Gemüse an die Transportb­ox. „Elefanten lernen sofort“, sagte der Experte. „Und das Schöne dabei ist, dass sie es gerne machen.“

Das Training sei notwendig, erklärte Schmidinge­r. Einen Elefanten könne man während des mehrstündi­gen Flugs nicht einfach betäuben. „Kaavan soll bei der Reise völlig wach und bei Bewusstsei­n bleiben.“So könne der Elefant Bewegungen im Flugzeug ausgleiche­n. Tierärzte passen im Flugzeug auf und versorgen den Dickhäuter mit Wasser und Futter.

„Ich fühle mich verpflicht­et, ihm die Möglichkei­t zu geben, Elefant zu sein“, sagte Khalil. Nur noch ein paar Tiere waren zuletzt hier. Einige Affen, ein einsames Reh und zwei Bären, die nach Jordanien gebracht werden sollen. Viele andere Tiere im Zoo hatten wegen der schlechten Haltungsbe­dingungen ihr Leben verloren. Kaavan blieb als einer der Letzten, sagt der 56 Jahre alte Tierarzt. „Er ist ein Symbol für Hoffnung, Kaavan war der Botschafte­r für alle Tiere hier.“

 ?? FOTO: ARNE IMMANUEL BÄNSCH/DPA ?? Amir Khalil, Tierarzt der Tierschutz­organisati­on Vier Pfoten, begrüßt im Zoo Islamabad den Elefanten namens Kaavan. Kaavan geriet wegen seiner schlechten Haltungsbe­dingungen vor Jahren in die Schlagzeil­en. Nun ist der Elefant in ein Schutzgebi­et nach Kambodscha gebracht worden.
FOTO: ARNE IMMANUEL BÄNSCH/DPA Amir Khalil, Tierarzt der Tierschutz­organisati­on Vier Pfoten, begrüßt im Zoo Islamabad den Elefanten namens Kaavan. Kaavan geriet wegen seiner schlechten Haltungsbe­dingungen vor Jahren in die Schlagzeil­en. Nun ist der Elefant in ein Schutzgebi­et nach Kambodscha gebracht worden.

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