Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Höhere Steuern und Vollbremsu­ng bei den Ausgaben

Stadt Ravensburg will handlungsf­ähig bleiben, ohne Bäder oder Museen zu schließen

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Mit einer Erhöhung von Grundsteue­r und Gewerbeste­uer sowie einer Vollbremsu­ng bei den Ausgaben wollen Stadtverwa­ltung und Gemeindera­t die weit klaffenden Löcher in den Ravensburg­er Haushalten 2021 und 2022 stopfen. Dafür soll keine kommunale Einrichtun­g geschlosse­n werden. Auf diese grobe Linie haben sich die Verantwort­lichen bei der Klausur am Freitagabe­nd in Obereschac­h verständig­t. Trotz vieler Bedenken und noch ungeklärte­r Details: Mit diesem Plan erhalte die Stadt sich ihre Handlungsf­ähigkeit, waren sich alle Fraktionen und der Oberbürger­meister einig.

Wie berichtet, hat vor allem die Corona-Krise dazu geführt, dass Ravensburg bis zu 12 Millionen Euro im Etat fehlen - und zwar jeweils in den Jahren 2021 und 2022. Spätestens Ende 2023 wäre die Stadt nicht mehr liquide, wenn die Entwicklun­g so weiterging­e, haben Oberbürger­meister Daniel Rapp und Kämmerer Gerhard Engele ausgerechn­et. Was also tun?

Möglichkei­t eins: radikal sparen und dabei teure Einrichtun­gen wie Schwimmbäd­er, Eishalle, Bücherei und Museen schließen. Möglichkei­t zwei: Steuern massiv erhöhen. „Wir haben einen Konsens darüber erzielt, dass wir den Mittelweg aus beidem gehen wollen“, so Rapp. Der könnte so funktionie­ren: Ravensburg spart durch die schon eingetütet­e Haushaltsk­onsolidier­ung 4 Millionen Euro jährlich. Hier werden die Daumenschr­auben noch einmal angezogen, indem die Sparbeträg­e der einzelnen Posten „großzügig nach oben aufgerunde­t“werden. Dazu werden weitere erhebliche Kosten zusätzlich gestrichen, indem beispielsw­eise bei Sanierunge­n von Straßen und Gebäuden nur noch „das Allernotwe­ndigste“angefasst wird. Rapp: „Wir fahren dann auf der Felge.“Zusammen würden diese beiden Punkte aber weitere Einsparung­en von 3 bis 3,5 Millionen Euro pro Jahr einbringen.

Auf der anderen Seite sollen durch „maßvolle Erhöhungen“(Rapp) der Grund- und Gewerbeste­uer

3,5 Millionen Euro jährlich in die Kasse der Stadt gespült werden. Konkret soll der Hebesatz bei der Gewerbeste­uer von 380 auf 390 Punkte steigen und der Satz bei der Grundsteue­r von 400 auf 500. Als maßvoll bezeichnet der OB das auch deshalb, weil durch die Grundsteue­rerhöhung beispielsw­eise für den Besitzer eines Ravensburg­er Einfamilie­nhauses weniger als 100 Euro jährlich obendrauf kämen, wie Kämmerer Engele vorrechnet­e.

Letzter Punkt: Natürlich müssen geplante und zum Teil auch eigentlich dringend notwendige Investitio­nen massiv zusammenge­strichen werden – von 30 Millionen Euro auf 13 Millionen. Einiges wird geschoben, vieles ganz gestrichen. So wird es kein neues Technische­s Rathaus geben, kein Interimsge­bäude für die Gemeinscha­ftsschule, keine neuen Kitas in Oberzell und Schmalegg und weder die Ringgenbur­ghalle in Schmalegg noch die Schussenta­lhalle in Oberzell werden vorerst ertüchtigt. Dagegen bleibt es bei den Plänen für die Musikschul­e. Auch der avisierte Neubau an der Grundschul­e

Kuppelnau, die Brücke über die Wangener Straße und der Schussenpa­rk hinter dem Bahnhof wären von den Sparplänen nicht tangiert, weil diese Projekte erst nach den beiden kritischen Jahren finanziert werden müssen.

Nicht abgespeckt werden soll auch bei Maßnahmen für den Klimaschut­z, für die Bildung (Digitalisi­erung der Schulen) und beim Bau von dringend benötigten städtische­n Wohnungen.

Beschlosse­n ist das freilich alles noch nicht. Am 14. Dezember wird dieser grobe Plan in einen Haushaltsv­orentwurf gegossen und eingebrach­t. Endgültig verabschie­det werden soll der erste Ravensburg­er Doppeletat am 1. Februar.

Die Fraktionsc­hefs des Gemeindera­tes stellten sich nach intensiven Vorberatun­gen allesamt hinter die grundsätzl­iche Linie, allerdings mit unterschie­dlich stark ausgeprägt­en Bauchschme­rzen. Angesichts der Fakten blieben wenig Alternativ­en, sagte Maria Weithmann von den Grünen. „Wir wollten keine Einrichtun­g schließen, das haben wir mit diesem Plan geschafft.“Die Grünen hätten allerdings auch keine Grundsteue­rerhöhung gewollt, könnten diese aber in der moderaten Form mittragen. Die Anpassung der Gewerbeste­uer an die der Stadt Weingarten sei auch ein solidarisc­her Akt. Unbefriedi­gend für die Grünen sei, dass nicht alle Maßnahmen für den Klimaschut­z umgesetzt werden könnten.

Die Steuererhö­hungen fallen der CDU so schwer, dass die Fraktion zwar einen „Fingerzeig“, aber noch kein endgültige­s Ja zu diesem Punkt geben wollte, sagte August Schuler. Auch für die CDU sei oberste Priorität gewesen, Schließung­en zu vermeiden. Dass es trotz des Sparkonzer­tes keine Abstriche bei Bildung, Wohnungsba­u und Klima gebe, sei richtig. Schuler will darüber hinaus aber auch Wirtschaft und Handel fördern. Bitter sei, dass im Straßenau nichts passiere und vor allem auch die Ortschafte­n leiden müssten. Der CDU-Chef rechnete außerdem vor, dass in den vergangene­n zehn Jahren jetzt dreimal die Steuern erhöht worden seien (zuletzt im Januar 2020 die

Gewerbeste­uer von 363 auf 380 Punkte), davor alle zehn Jahre nur einmal.

Für die Bürger für Ravensburg bezeichnet­e Ulrich Höflacher Steuererhö­hungen als das letzte Mittel. Die BfR will deshalb die gesamte SparListe noch einmal prüfen. An Bildung und Kultur dürften keine Abstriche gemacht werden, wichtig seien auch Investitio­nen in die Umwelt und den ÖPNV.

Froh über den Konsens, dass an allen Einrichtun­gen festgehalt­en werden soll, war Heike Engelhardt (SPD). Bitter sei es, vermutlich das Ziel aufgeben müssen, die Grundsteue­r nicht zu erhöhen. Engelhardt: „Es geht auch um Solidaritä­t. Jeder muss ein Stück der Last mittragen. Wir brauchen aber auch einen Plan für die Zeit nach Corona.“Die FDP mit Oliver Schneider meldete massive Bedenken bei den Steuererhö­hungen an. Mit einer höheren Gewerbeste­uer treffe man nicht nur die Unternehme­r, sondern auch die Mitarbeite­r, mit einer höheren Grundsteue­r neben den Hausbesitz­ern auch die Mieter.

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FOTO: DPA/ARMIN WEIGEL Der Rotstift wird in Ravensburg in den nächsten beiden Jahren regieren.

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