Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Höhere Steuern und Vollbremsung bei den Ausgaben
Stadt Ravensburg will handlungsfähig bleiben, ohne Bäder oder Museen zu schließen
RAVENSBURG - Mit einer Erhöhung von Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie einer Vollbremsung bei den Ausgaben wollen Stadtverwaltung und Gemeinderat die weit klaffenden Löcher in den Ravensburger Haushalten 2021 und 2022 stopfen. Dafür soll keine kommunale Einrichtung geschlossen werden. Auf diese grobe Linie haben sich die Verantwortlichen bei der Klausur am Freitagabend in Obereschach verständigt. Trotz vieler Bedenken und noch ungeklärter Details: Mit diesem Plan erhalte die Stadt sich ihre Handlungsfähigkeit, waren sich alle Fraktionen und der Oberbürgermeister einig.
Wie berichtet, hat vor allem die Corona-Krise dazu geführt, dass Ravensburg bis zu 12 Millionen Euro im Etat fehlen - und zwar jeweils in den Jahren 2021 und 2022. Spätestens Ende 2023 wäre die Stadt nicht mehr liquide, wenn die Entwicklung so weiterginge, haben Oberbürgermeister Daniel Rapp und Kämmerer Gerhard Engele ausgerechnet. Was also tun?
Möglichkeit eins: radikal sparen und dabei teure Einrichtungen wie Schwimmbäder, Eishalle, Bücherei und Museen schließen. Möglichkeit zwei: Steuern massiv erhöhen. „Wir haben einen Konsens darüber erzielt, dass wir den Mittelweg aus beidem gehen wollen“, so Rapp. Der könnte so funktionieren: Ravensburg spart durch die schon eingetütete Haushaltskonsolidierung 4 Millionen Euro jährlich. Hier werden die Daumenschrauben noch einmal angezogen, indem die Sparbeträge der einzelnen Posten „großzügig nach oben aufgerundet“werden. Dazu werden weitere erhebliche Kosten zusätzlich gestrichen, indem beispielsweise bei Sanierungen von Straßen und Gebäuden nur noch „das Allernotwendigste“angefasst wird. Rapp: „Wir fahren dann auf der Felge.“Zusammen würden diese beiden Punkte aber weitere Einsparungen von 3 bis 3,5 Millionen Euro pro Jahr einbringen.
Auf der anderen Seite sollen durch „maßvolle Erhöhungen“(Rapp) der Grund- und Gewerbesteuer
3,5 Millionen Euro jährlich in die Kasse der Stadt gespült werden. Konkret soll der Hebesatz bei der Gewerbesteuer von 380 auf 390 Punkte steigen und der Satz bei der Grundsteuer von 400 auf 500. Als maßvoll bezeichnet der OB das auch deshalb, weil durch die Grundsteuererhöhung beispielsweise für den Besitzer eines Ravensburger Einfamilienhauses weniger als 100 Euro jährlich obendrauf kämen, wie Kämmerer Engele vorrechnete.
Letzter Punkt: Natürlich müssen geplante und zum Teil auch eigentlich dringend notwendige Investitionen massiv zusammengestrichen werden – von 30 Millionen Euro auf 13 Millionen. Einiges wird geschoben, vieles ganz gestrichen. So wird es kein neues Technisches Rathaus geben, kein Interimsgebäude für die Gemeinschaftsschule, keine neuen Kitas in Oberzell und Schmalegg und weder die Ringgenburghalle in Schmalegg noch die Schussentalhalle in Oberzell werden vorerst ertüchtigt. Dagegen bleibt es bei den Plänen für die Musikschule. Auch der avisierte Neubau an der Grundschule
Kuppelnau, die Brücke über die Wangener Straße und der Schussenpark hinter dem Bahnhof wären von den Sparplänen nicht tangiert, weil diese Projekte erst nach den beiden kritischen Jahren finanziert werden müssen.
Nicht abgespeckt werden soll auch bei Maßnahmen für den Klimaschutz, für die Bildung (Digitalisierung der Schulen) und beim Bau von dringend benötigten städtischen Wohnungen.
Beschlossen ist das freilich alles noch nicht. Am 14. Dezember wird dieser grobe Plan in einen Haushaltsvorentwurf gegossen und eingebracht. Endgültig verabschiedet werden soll der erste Ravensburger Doppeletat am 1. Februar.
Die Fraktionschefs des Gemeinderates stellten sich nach intensiven Vorberatungen allesamt hinter die grundsätzliche Linie, allerdings mit unterschiedlich stark ausgeprägten Bauchschmerzen. Angesichts der Fakten blieben wenig Alternativen, sagte Maria Weithmann von den Grünen. „Wir wollten keine Einrichtung schließen, das haben wir mit diesem Plan geschafft.“Die Grünen hätten allerdings auch keine Grundsteuererhöhung gewollt, könnten diese aber in der moderaten Form mittragen. Die Anpassung der Gewerbesteuer an die der Stadt Weingarten sei auch ein solidarischer Akt. Unbefriedigend für die Grünen sei, dass nicht alle Maßnahmen für den Klimaschutz umgesetzt werden könnten.
Die Steuererhöhungen fallen der CDU so schwer, dass die Fraktion zwar einen „Fingerzeig“, aber noch kein endgültiges Ja zu diesem Punkt geben wollte, sagte August Schuler. Auch für die CDU sei oberste Priorität gewesen, Schließungen zu vermeiden. Dass es trotz des Sparkonzertes keine Abstriche bei Bildung, Wohnungsbau und Klima gebe, sei richtig. Schuler will darüber hinaus aber auch Wirtschaft und Handel fördern. Bitter sei, dass im Straßenau nichts passiere und vor allem auch die Ortschaften leiden müssten. Der CDU-Chef rechnete außerdem vor, dass in den vergangenen zehn Jahren jetzt dreimal die Steuern erhöht worden seien (zuletzt im Januar 2020 die
Gewerbesteuer von 363 auf 380 Punkte), davor alle zehn Jahre nur einmal.
Für die Bürger für Ravensburg bezeichnete Ulrich Höflacher Steuererhöhungen als das letzte Mittel. Die BfR will deshalb die gesamte SparListe noch einmal prüfen. An Bildung und Kultur dürften keine Abstriche gemacht werden, wichtig seien auch Investitionen in die Umwelt und den ÖPNV.
Froh über den Konsens, dass an allen Einrichtungen festgehalten werden soll, war Heike Engelhardt (SPD). Bitter sei es, vermutlich das Ziel aufgeben müssen, die Grundsteuer nicht zu erhöhen. Engelhardt: „Es geht auch um Solidarität. Jeder muss ein Stück der Last mittragen. Wir brauchen aber auch einen Plan für die Zeit nach Corona.“Die FDP mit Oliver Schneider meldete massive Bedenken bei den Steuererhöhungen an. Mit einer höheren Gewerbesteuer treffe man nicht nur die Unternehmer, sondern auch die Mitarbeiter, mit einer höheren Grundsteuer neben den Hausbesitzern auch die Mieter.