Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tägliches Vorlesen fördert die Leselust
Erster digitaler Vorlesetag steht unter dem Motto „vorlesen@ueberall – Ideen zur (Vor-)Leseanimation“
RAVENSBURG/WEINGARTEN (sz) Vorlesen geht immer und überall – sollte man meinen. Die Bedingungen der Pandemie hätten einen ernüchtert, heißt es in einer Pressemitteilung der Pädagogischen Hochschule (PH) Weingarten. Umso wichtiger sei der gemeinsame Vorlesetag der PH, des Bildungsbüros Ravensburg und der Kinderstiftung Ravensburg. Unter dem Motto „vorlesen@ueberall – Ideen zur (Vor)Leseanimation“fand dieser erstmals online statt. Übertragen wurde die Veranstaltung live aus dem Studio der Streamerei im Ravensburger Kapuziner Kreativzentrum.
Gewürzt mit praktischen und unterhaltsamen Tipps zum guten Vorlesen moderierten die Schauspieler und Theaterpädagogen Jutta Klawuhn und Alex Niess vom Theater Ravensburg den Vorlesetag. Am schönsten sei es laut des Pressetextes, wenn Vorlesen zu einem Ritual werde und das am besten täglich. Die Stimme erwecke die Geschichten zum Leben. Je nach Stimmung der Geschichte – mal schnell, mal langsam, mal laut und mal leise. Natürlich gaben Jutta Klawuhn und Alex Niess eine anschauliche Kostprobe, wie man den Spannungsbogen aufbaut und die Personen mit der Stimme lebendig macht.
„Uns beschäftigt, dass die Kinder in ihrer Welt aktuell sehr eingeschränkt sind“, wird Carmen Huber, Direktorin des Staatlichen Schulamtes
Markdorf, in dem Schreiben zitiert. Sie sollten trotz Corona-Krise immer wieder in neue Welten schlüpfen können und es sei wichtig, ihnen weiterhin die Freude am Lesen zu vermitteln. Zum Vorlesetag brachte Carmen Huber die Idee mit, dass jedes Kind in der Klasse zwei seiner Lieblingsbücher vorstellt. „Eines kommt unter die Bank und das andere ins Leselust-Bücherregal“, so Huber. Sei ein Schüler beispielsweise mit einem Aufgabenblatt fertig, könne er sich im Bücherregal bedienen.
Christine Kranz, Referentin für Leseförderung bei der Stiftung Lesen aus Mainz, stellte originelle Sachbücher vor, zum Beispiel „Darwins Abenteuer und die Geschichte der Evolution“, gestaltet wie eine Internet-Seite, „Komm mit raus, Entdeckermaus“, ein Buch mit gleichnamiger App, Angeberwissen „321 superschlaue Dinge, die du über Tiere wissen musst“oder „Eklige Untermieter“, ein Buch über Ungeziefer. „All diese Bücher machen neugierig und sie machen den Kindern Spaß“, wird Kranz wiedergegeben. Sie empfiehlt, zunächst das Vorwissen der Kinder zu aktivieren, dann die Illustrationen zu betrachten und kurze Abschnitte auf dialogisch gestaltete Art und Weise vorzulesen.
Jürgen Belgrad, emeritierter Professor für Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik an der PH Weingarten, veranstaltet den Vorlesetag seit neun Jahren und stellte die Ergebnisse der Vorlesestudie 2020 der Stiftung Lesen vor. „Leider finden die Eltern nach dieser Studie das Vorlesen gar nicht attraktiv. 49 Prozent sagen, dass es ihnen keinen Spaß macht und 28 Prozent wissen nicht, was sie ihren Kindern vorlesen sollen“, so Belgrad. Dabei würden alle Studien die großen Effekte des Vorlesens zeigen: „74 Prozent der Kinder, denen täglich vorgelesen wird, fällt das Lesen leicht und sie sind in der Schule erfolgreicher.“Zusätzlich stärke es die Konzentration und die Fähigkeit des Zuhörens. Auch das Klassenklima und die Arbeitsatmosphäre seien im Rahmen eines Schulprojekts zur Leseförderung
durch Vorlesen besser geworden. Das Dekodieren von Wörtern und Sätzen entfalle beim Vorlesen und man könne sich ganz auf die mentale Vorstellung, das sogenannte Kopfkino, konzentrieren.
Wie Verlage auf die Corona-Situation reagieren zeigte Johanna Just am Beispiel des Ravensburger Verlags. „Gerade, wenn Kinder viele digitale Medien nutzen, erdet es sie gut, wenn man ihnen vorliest“, so Just laut des Berichts. Für Bibliotheken und Schulen sei es im Moment nicht einfach, das Vorlesethema weiter zu verfolgen. Dazu gelte es, rechtliche Fragen zu beachten. So dürfe man nicht einfach selbst Vorlese-Filme auf YouTube stellen. „Nicht bei allen Büchern liegen die Online-Rechte vor.“Der Ravensburger Verlag reagierte darauf mit dem „Ravensburger Bilderbuchkino“.
Vorlese- und Schreibfanatiker Timmo Strohm und Anette Stacheder, Puppenspielerin, Vorleserin und Bühnenbildnerin bei Ottokars Puppentheater, zeigten, wie man Fabeln mit Hilfe von Puppen oder Bildern lebendiger machen kann. Sie unterhielten mit Gedichten und überraschten mit ihrem guten Gedächtnis. Wie man der Mitteilung weiter entnehmen kann, lobte Ludger Baum, Leiter des Regionalen Bildungsbüros Landkreis Ravensburg, am Ende das Online-Format des ersten digitalen Vorlesetags als Experiment mit durchschlagenden Erfolg.