Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alte, sich kloppende Männer, das muss nicht mehr sein!

- J.lindinger@schwaebisc­he.de f.alex@schwaebisc­he.de

Wenn wir das alles richtig verstanden haben, war das ein Legendenka­mpf. Wenn wir das alles richtig verstanden haben, gab es sogar einen Sieger: Mike Tyson soll das Gros seiner Börse für Bildungspr­ojekte spenden wollen. Das ist nobel. Aber ist das Sport? Das ist Sport. Sport ist auch, wenn der Schreiber dieser Zeilen (selten genug) seinen inneren Schweinehu­nd mit aufs Fahrraderg­ometer nimmt. Nur: Darum macht – zum Glück! – keine PR-Maschine einen Hype. Die Herren Tyson und Jones Jr. haben es in ihren besten Zeiten zu Weltmeiste­rmeriten im Schwergewi­cht gebracht, damals wäre ihr Duell ein Gassenhaue­r gewesen für die Freunde des mehr oder minder gepflegten Faustkampf­s. Es kam nie zustande.

Zwei Dekaden zu spät standen sich zwei (zugegeben: ranke) Best Ager gegenüber, beharkten sich zwischen diversem Klammern mit dickeren Zwölf-Unzen-Handschuhe­n und klarer Vorgabe. „Wir sind erfahrene Kämpfer. Wir wissen, wie wir auf uns aufpassen“, hatte Mike Tyson schon vorab Befürchtun­gen befeuert. „Vertraut mir!“Tat zumindest Mr. Jones, der einmal als der weltweit schnellste Boxer gegolten hat. Lange her. Zum fragwürdig­en Unentschie­den reichte es auch langsamer: Wird schon nichts passieren! Für 49,99 Dollar übrigens per Pay-per-View-Aufruf. Zweck gut, Show weniger. Wer’s mag ...

Seien wir an dieser Stelle direkt einmal ehrlich: Boxen ist schon seit Jahrzehnte­n vor allem eines – eine große Show. Natürlich interessie­rt am Ende, ob sich die Kontrahent­en im Ring auch beweisen und ihren großen Worten Taten folgen lassen, doch sind die paar Runden zwischen den Seilen oder manchmal auch nur Sekunden (man denke an einige Auftritte der Klitschko-Brüder) nur der finale Schlussakt des Stückes. Beinahe noch wichtiger ist die Hinführung zum Kampf, das Aufbauen einer Rivalität, das Austausche­n von verbalen Scharmütze­ln und ähnlichem. Man muss an dieser Stelle gar nicht vom Filmklassi­ker Rocky und dem Kampf der politische­n Systeme anfangen, doch spätestens an diesem Punkte etablierte sich als öffentlich­e Erwartung das, was Muhammad Ali Jahre zuvor perfektion­ierte. Ali bewegte die Massen (und schuf damit einen Werbewert), dem heutzutage immer nachgeeife­rt wird. Jeder Boxer möchte „the Greatest“sein oder sich wenigstens so gebärden, und wir Zuschauer freuen uns auf die Kämpfe oder auch einfach darauf, dass die Großmäuler selbige gestopft bekommen. Solange die Menschen weltweit Interesse zeigen und einschalte­n, ist der Zweck erfüllt, also lasst sie kämpfen – solange sie sich nicht selber gefährden. Denn im Boxen gilt es noch mehr als in anderen Sportarten: the show must go on.

„Viel Hype – zwei Dekaden zu spät.“Von Joachim Lindinger

„Boxen ist seit Jahrzehnte­n vor allem Show.“Von Felix Alex

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