Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die schwierige Suche nach einem Landarzt
Wie man in Baindt das Problem gelöst und warum Isny sogar eine Werbekampagne gestartet hat
BAINDT - Wenn sich auf dem Land ein neuer Arzt niederlässt oder eine Praxis übernimmt, ist das immer eine Erfolgsmeldung. Denn so ganz selbstverständlich ist das nicht. Im Gegenteil. Das Beispiel Baindt zeigt, wie schwierig die Nachfolgeregelungen sind und welche Hürden selbst willige Ärzte nehmen müssen. In Isny hat man deshalb sogar schon eine eigene Werbekampagne gestartet, um einen Allgemeinarzt ins Allgäu zu bekommen.
Nachdem die Hausärztin Dorota Kulicka-Feldkircher die Gemeinde Baindt Ende September verlassen hat und viele Patienten plötzlich ohne Arzt dastanden, stand bei Bürgermeisterin Simone Rürup das Telefon nicht mehr still. „Bei mir haben die Leute angerufen und wollten wissen, wie es weitergeht, weil alles recht plötzlich kam“, berichtet Rürup. Und so begab sie sich auf die Suche nach einem Nachfolger. „Ich hab dabei festgestellt, dass es für eine Gemeinde sehr schwierig ist, einen Arzt zu finden. Man spürt, dass es ein Problem ist“, sagt sie. Ähnliches erlebte Wilhelmsdorf vor drei Jahren, wo es lange gedauert hat, bis schließlich ein Nachfolger für eine Hausarztpraxis gefunden werden konnte. In Baindt gab es bisher zwei Allgemeinmediziner und zwei Zahnärzte.
Bürgermeisterin Simone Rürup berichtet von Agenturen, die sich mittlerweile darauf spezialisiert haben, Kommunen bei der Ärztevermittlung zu helfen. Doch schließlich konnte sich das Problem lösen lassen, nachdem der Mediziner Cord
Skamira in einer E-Mail von der Lage in Baindt erfahren hat und sich auf dem Rathaus gemeldet hat. Ein Glücksfall. Jetzt bekommt Baindt zwei neue Ärzte. Einerseits ist da Cord Skamira (58), der als Diabetologe und Internist für das Krankenhaus 14 Nothelfer in Weingarten und in der Klinik Wollmarshöhe in Bodnegg gearbeitet hat. Er möchte im Januar
mit seiner Praxis am Dorfplatz starten. Und andererseits ist da Kerstin Kempenich (44), die Ehefrau des in Baindt ansässigen Arztes Armin Hartmann (45). Sie war wie ihr Mann als Chirurgin im Krankenhaus tätig und absolvierte eine Zusatzausbildung als Allgemeinmedizinerin. Armin Hartmann übernahm im Februar 2019 die Praxis von Hartmut Dowidad in der Marsweiler Straße.
„Das ist alles ein riesiger bürokratischer Aufwand, bis man starten kann. Ich musste ein halbes Jahr lang warten, obwohl die Übernahme schon geregelt war“, berichtet Armin Hartmann. Ähnliches musste jetzt seine Frau erleben. Selbst als Chirurgin mit zehnjähriger Krankenhauserfahrung durfte sie in der Praxis ihres Mannes nicht starten, weil ihr noch eine mündliche Prüfung gefehlt hat. Dabei war der Bedarf in Baindt da, weil eine Ärztin wegging.
Ein Teil des Problems seien die Gebietsaufteilungen und Schlüssel der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die festlegt, in welchem Gebiet es wie viele Ärzte beziehungsweise Fachärzte geben darf. Für den Bereich Ravensburg/Weingarten gibt die KV Baden-Württemberg auf ihrer Internetseite derzeit drei freie Plätze für Allgemeinmediziner an. Selbst wenn alle Plätze in diesem Bereich
belegt seien, könnte es sein, dass der ländliche Raum leer ausgeht, weil das Gebiet für neue Ärzte gesperrt wird.
Und woran liegt es, dass sich Ärzte offenbar generell schwer tun, eine Praxis auf dem Land zu übernehmen oder sich dort niederzulassen? „Die Arbeitsbelastung ist eine andere. Früher war man als Landarzt auch 24 Stunden erreichbar, heute hat ein Arzt auch eine Familie“, sagt Kerstin Kempenich. Sprich: Es geht um die Work-Life-Balance. Und Cord Skamira nennt noch einen weiteren Punkt: „Es ist natürlich auch eine große finanzielle Gefahr. Jeder Landarzt steht in der Gefahr des Regresses, wenn er zu viel verschrieben hat. Es geht nicht um den Bedarf. Es ist alles klar berechnet, wie viel man verschreiben darf.“Zudem sei es extrem schwierig, medizinische Fachangestellte für die Praxis zu bekommen.
Jetzt hat Baindt das Problem Hausarztmangel gelöst. Doch die Thematik ist allgegenwärtig wie ein Blick nach Isny im Allgäu zeigt. Dort hat die Stadt im Oktober sogar eine Werbekampagne gestartet, um Ärzte ins Allgäu zu locken. Wie in Baindt sieht man es hier als Aufgabe der Verwaltung, die ärztliche Infrastrutur zu sichern. Auf einer eigens gestalteten Homepage (www.arzt-inisny.de), auf Instagram, Facebook und Linked-In wirbt Isny mit den Vorzügen der Stadt.
„Die Lage bei uns ist prinzipiell gut, wenn man schaut, wie viele Ärzte wir haben, aber wir müssen uns für die Zukunft rüsten“, sagt Isnys Bürgermeister Rainer Magenreuter. Die Ärzteschaft sei überaltert. „Es gibt viele Ärzte, die über 60 und teilweise über 70 sind. Das war für uns der Anlass, zu reagieren“, beschreibt er die Lage. Magenreuter sagt, dass es auf einen frei werdenden Praxisplatz bis vor zehn Jahren noch mehrere Bewerber gegeben habe. Doch das habe sich grundlegend gewandelt. Allerdings hat sich die Werbekampagne laut Magenreuter schon bezahlt gemacht: „Einige Interessenten haben sich bei uns gemeldet.“
In Baindt will man beim Thema Gesundheitsversorgung weiterdenken. Wie berichtet, steht die Entwicklung der Ortsmitte im Zusammenhang mit dem Fischerareal an. Auch ein Neubau auf dem Dorfplatz ist vorgesehen. „Das Haus am Dorfplatz könnte man mit nachhaltigen Gesundheitsdienstleistungen bestücken“, drückt sich Simone Rürup aus. Das Wort Ärztehaus will sie nicht in den Mund nehmen. Aber es sei denkbar, dass sich dort unter anderem Ärzte ansiedeln könnten.