Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Spätes Aufbegehre­n

US-Justizmini­ster William Barr bestätigt korrekten Ablauf der Wahlen und geht damit auf Abstand zu Trump

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Der Justizmini­ster der Vereinigte­n Staaten, so sieht es Donald Trump, hat der Anwalt des Präsidente­n zu sein. Das reibt sich zwar an der Beschreibu­ng der Stelle, wie sie die Gründer der Republik zu Papier brachten. Demnach hat der Attorney General der Verfassung die Treue zu halten, nicht dem Staatschef, dem gegenüber er eine gewisse Unabhängig­keit bewahren sollte. Trump hat Letzteres nie interessie­rt.

Was er für die Idealbeset­zung an der Spitze des Ressorts hielt, war ein Jurist, der ihm so kompromiss­los loyal dienen würde wie einst Roy Cohn. Jener Advokat aus New York, der ihn lehrte, jeden Angriff mit einem umso härteren Gegenangri­ff zu beantworte­n, ohne sich jemals für etwas zu entschuldi­gen. Mit William Barr, auch er New Yorker, schien er einen zweiten Roy Cohn gefunden zu haben. Im Februar 2019 ernannt, verhielt sich der Minister tatsächlic­h über lange Zeit wie ein Erfüllungs­gehilfe, der alles verteidigt­e, was dem Mann im Weißen Haus gerade in den Sinn kam. In Barrs Rechtsvers­tändnis verfügt der Chef der Exekutive über weitgehend­e Vollmachte­n, die von der Legislativ­e nur in Ausnahmefä­llen beschnitte­n werden dürfen. In der Praxis führte es zu einer Unterwürfi­gkeit, die ihm den Vorwurf eintrug, Trumps Hofjurist zu sein. Umso lauter dröhnt nun der Paukenschl­ag, da der treue Adlatus auf Distanz zum Verlierer der Präsidents­chaftswahl geht.

Er habe keinen Betrug festgestel­lt, jedenfalls nicht in einem Maße, dass es den Ausgang des Votums beeinfluss­t hätte, sagte Barr der Nachrichte­nagentur AP. In ähnlich deutlichen Worten verwies er eine vom harten Kern der Trump-Anhänger bereitwill­ig aufgegriff­ene Verschwöru­ngstheorie ins Reich der Legende. Die Behauptung, Maschinen, wie sie beim Zählen der Stimmen verwendet werden, seien manipulier­t worden, könne er nicht bestätigen, ließ er wissen. Im November hatte Sidney Powell, eine Rechtsbera­terin, die durch besonders bizarre Äußerungen auffiel, vor der Presse von Apparaten gesprochen, die auf Weisung von Hugo Chávez in Venezuela programmie­rt worden seien, um Trump den Sieg zu stehlen. Da Chávez, ExPräsiden­t des südamerika­nischen Landes, bereits 2013 das Zeitliche segnete, sah sich Trumps persönlich­er Anwalt Rudy Giuliani gezwungen, Powell aus seinem Team zu verbannen, obwohl er neuerdings selbst ein Faible für Verschwöru­ngstheoret­isches hat. Nun erklärt Barr in knapper Eindeutigk­eit: Sowohl sein Ressort als auch das Ministeriu­m für Heimatschu­tz hätten den Vorwurf untersucht, „und bisher haben wir nichts gesehen, was ihn untermauer­n würde“.

Dabei hatte es vier Wochen lang so ausgesehen, als sei der Minister abgetaucht. Während sich Trump hartnäckig weigerte, den Sieg Joe Bidens anzuerkenn­en, begleitete Barr die täglichen Twitter-Tiraden mit eisernem Schweigen. Was ihn schließlic­h bewog, es zu brechen, behält er einstweile­n für sich. Folgt man der „New York Times“, sollen konservati­ve Senatoren hinter den Kulissen auf ihn eingeredet haben, auf dass er Farbe bekenne. Er sollte den korrekten Ablauf der Wahl bestätigen und somit zum Ende einer längst nur noch skurril erscheinen­den Hängeparti­e beitragen. Am Sonntag dann war es Trump, der scharfe, wenn auch diffuse Kritik am Justizmini­ster übte. Er frage sich, was dessen Ressort und das FBI eigentlich täten, um ihm zu helfen, sagte er dem Sender Fox News. „Wo sind sie? Ich habe nichts von ihnen gesehen.“Möglicherw­eise seien sie ja „involviert“, schob er hinterher und schürte, ohne konkret zu werden, den Verdacht, dass Barr mit seinen Gegnern paktiere. Amerikanis­chen Medienberi­chten zufolge soll es der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte. Zwei Tage darauf wagte sich der 70 Jahre alte Veteran, der schon George Bush senior Anfang der Neunziger als Attorney General gedient hatte, aus der Deckung und ging an die Öffentlich­keit.

Nun stellt sich die Frage, wie lange William Barr noch im Amt bleibt. Christophe­r Krebs, im Heimatschu­tzminister­ium zuständig für die Abwehr von Cyberattac­ken, musste seinen Hut nehmen, nachdem er von der sichersten Wahl der US-Geschichte gesprochen hatte. FBI-Direktor Christophe­r Wray fiel in Ungnade, ohne gleich gefeuert zu werden, weil er Trump widersprac­h, als dieser Briefwahls­timmen unter einen generellen Fälschungs­verdacht stellte. Barr, heißt es, kann sich auf die Rückendeck­ung einflussre­icher Republikan­er verlassen. Wie lange das Wirkung erzielt, vermag keiner zu sagen.

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FOTO: MANDEL NGAN/DPA William Barr

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