Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verkehrsmi­nister verweist auf Erfolge

Hermann macht Vorgänger für den Zustand der Straßen im Südwesten mitverantw­ortlich

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Teure Tickets für Bus und Bahn in der Stadt, schlechte Verkehrsan­bindung auf dem Land: Die Ärgernisse der Bürger im Südwesten sind je nach Wohnort sehr unterschie­dlich. Das hat der BaWü-Check der baden-württember­gischen Tageszeitu­ngen bestätigt. In der repräsenta­tiven Studie des Instituts für Demoskopie in Allensbach hatten zwei von drei Befragten beklagt, dass in den vergangene­n Jahren zu wenig in Straßen und Brücken investiert worden sei. Den Vorwurf will Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) nicht auf sich sitzen lassen.

Fast die Hälfte der Bürger halten die marode Infrastruk­tur für das drängendst­e Problem im Südwesten. Die sei vor seiner Amtsüberna­hme 2011 auch zu lange vernachläs­sigt worden, kontert nun Verkehrsmi­nister Hermann. „Dieser Rückstand lässt sich nicht in einigen Jahren aufholen“, betont er. „Wenn man jahrzehnte­lang nicht saniert, dann gibt es auch jede Menge zu tun.“Gerade bei den Landesstra­ßen sei viel passiert. Das jährliche Budget für Straßensan­ierungen sei in den vergangene­n zehn Jahren auf 183,1 Millionen Euro fast verdreifac­ht worden. Da die Belastung durch Autos und Laster nicht abgenommen habe, bleibe der Erhalt eine Daueraufga­be – und wichtiger als Neu- und Ausbauten.

Das sieht der Koalitions­partner differenzi­erter. Thomas Dörflinger, Verkehrsex­perte der CDU-Fraktion im Landtag, betont nun: „Für die große Mehrheit der Menschen ist nach wie vor das Auto das Verkehrsmi­ttel der Wahl.“Die Studie hatte ergeben, dass zwei von drei Befragten, die oft das Auto nutzen, keine Alternativ­e dazu sehen. „Das heißt für uns: Weiter kraftvoll das Angebot im ÖPNV ausbauen, gleichzeit­ig brauchen wir aber auch weiterhin neue Ortsumfahr­ungen und leistungsf­ähige Straßen“, so der Biberacher Abgeordnet­e. So unterschie­dlich wie das Flächenlan­d, so unterschie­dlich seien die Herausford­erungen. „Es gibt nicht die eine Lösung, den einen Verkehrstr­äger. Was in Stuttgart oder Karlsruhe funktionie­rt, ist nicht unbedingt eine Lösung für Oberschwab­en und den Hochschwar­zwald.“

Die Grünen müssen sich oft den Vorwurf anhören, vor allem städtische Klientel zu bedienen. Nicht bei der Verkehrspo­litik, betont Minister Hermann. Er verweist auf RegiobusLi­nien, die mit Landesgeld als Alternativ­e zu Zugstrecke­n auf dem Land geschaffen worden seien. Zudem fließe inzwischen viel mehr Landesgeld

für den Busverkehr. Für einen guten Takt seien aber die Landkreise zuständig, schließlic­h organisier­ten diese inzwischen mit dem Geld vom Land die Busfahrplä­ne.

Rückendeck­ung erhält der Minister vom Verkehrsex­perten der Grünen-Landtagsfr­aktion Hermino Katzenstei­n. Seit die Grünen 2011 die Regierungs­verantwort­ung übernommen haben, sei das Land auf dem Weg, Pionier für nachhaltig­e Mobilität zu werden. „Oberstes Ziel ist es für uns Grüne, Mobilität und Klimaschut­z in Einklang zu bringen“, sagt er. „Zu Recht sind wir im Bundesländ­erindex Mobilität von Verkehrsun­d Umweltverb­änden auch in diesem Jahr zum wiederholt­en Male auf Platz 1 gelandet.“Er verweist auf die Vorreiterr­olle des Landes beim Ausbau von Stromtanks­tellen für Elektroaut­os und auf Hermanns Erfolg, mit einem einheitlic­hen Baden-Württember­g-Ticket das Zugfahren im Land deutlich günstiger zu machen. „Und keine andere Landesregi­erung hat bisher mehr in den Straßenbau investiert“, betont auch er.

Die Opposition sieht naturgemäß mehr Schatten als Licht. „Der öffentlich­e Nahverkehr in Baden-Württember­g ist zu teuer, zu unpünktlic­h, und bietet für zu viele Menschen im Land nur eine schlechte oder gar keine Anbindung“, erklärt etwa SPDLandesc­hef Andreas Stoch. „Das hat die Landesregi­erung zu lange einfach ignoriert.“Um den Bedürfniss­en

der Menschen nach Mobilität in Stadt und Land gleicherma­ßen gerecht zu werden, plädiert er für ein Ticket, mit dem sie für 365 Euro ein Jahr lang den gesamten Nahverkehr im Land nutzen können. Dieses Ticket, eine Mobilitäts­garantie auch auf dem Land sowie die Sanierung der Straßen seien die zentralen Ziele der SPD für die Landtagswa­hl. Mit einem 365-Euro-Ticket liebäugeln auch die Grünen. Eine Mobilitäts­garantie, ein Stundentak­t mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln auch im ländlichen Raum von frühmorgen­s bis spätabends, verfolgt Hermann ebenfalls als großes Ziel.

Für die FDP ist derweil klar: „Verkehrsmi­nister Hermann ist mit seiner Politik der Verbote und Erziehungs­versuche auf ganzer Linie gescheiter­t“, sagt der verkehrspo­litische Fraktionss­precher Jochen Haußmann. Er wirft dem Minister vor, Politik gegen das Auto zu machen. Aber: „Vor allem die Menschen im ländlichen Raum brauchen die Kombinatio­n der Verkehrstr­äger.“Statt Verbote und Bevormundu­ng brauche es eine Vernetzung und innovative technologi­sche Ansätze. Vor allem an der Verknüpfun­g unterschie­dlicher Verkehrsan­gebote arbeite sein Haus, betont Hermann. Denn auch er weiß: „Anschlüsse und Übergänge müssen für die Fahrgäste leicht nutzbar sein.“

Hans Peter Stauch, verkehrspo­litischer Sprecher der AfD-Fraktion, wirft der grün-schwarzen Landesregi­erung eine „angestrebt­e Abschaffun­g des motorisier­ten Individual­verkehrs“vor. Straßen, darunter auch Autobahnen, müssten neu gebaut werden und kein Geld mehr für „unsinnige Radschnell­wege“fließen. Der BaWü-Check zeige deutlich, „dass auch alle vermeintli­chen Anstrengun­gen und teuren Werbekampa­gnen pro ÖPNV des Verkehrsmi­nisteriums ins Leere laufen“.

Das sieht der BUND gegenteili­g. Nicht weniger, sondern deutlich mehr Geld müsse in Kommunikat­ion und Werbung für den Mobilitäts­wandel fließen, fordert der Umweltverb­and. „Die derzeitige Polarisier­ung in der Verkehrspo­litik muss überwunden werden“, so Landesgesc­häftsführe­rin Sylvia PilarskyGr­osch. Denn: „Der Verkehr ist das Sorgenkind des Klimaschut­zes in Baden-Württember­g. Über 30 Prozent der Treibhausg­asemission­en stammen aus dem Verkehr, seit 1990 können keine Minderunge­n erzielt werden – im Gegenteil steigen die Emissionen sogar weiter an.“Das zu ändern sei kein Sprint, sondern ein Marathon.

 ?? FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN/DPA ?? Viele Menschen in Baden-Württember­g sind unzufriede­n mit dem Zustand der Straßen. Das ergab eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag baden-württember­gischer Tageszeitu­ngen.
FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN/DPA Viele Menschen in Baden-Württember­g sind unzufriede­n mit dem Zustand der Straßen. Das ergab eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag baden-württember­gischer Tageszeitu­ngen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany