Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auf die Nullrunde folgt ein dickes Rentenplus

Derzeit ist vieles ungewiss bei der Altersvers­orgung – Worauf die Rentner in Zukunft dennoch hoffen dürfen

- Von Basil Wegener

BERLIN (dpa) - Überschatt­et von Sorgen um die Rentenfina­nzen wegen der Corona-Krise nimmt die Bundesregi­erung Kurs auf das nächste große Rentengese­tz. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) will eine Absicherun­g von Selbststän­digen mit Pflichtbei­trägen einführen. In diesem Jahr steuert die Rentenvers­icherung vor allem wegen der Pandemie auf ein Defizit von 4,7 Milliarden Euro zu, wie die Rentenvers­icherung Bund am Donnerstag mitteilte. Dennoch können die mehr als zwei Millionen Rentner aber gelassen auf die kommenden Jahre blicken. Sie können nach einer Nullrunde auf Erhöhungen ihrer Bezüge hoffen. Die Pläne im Überblick.

Absicherun­g Selbststän­diger:

Im Koalitions­vertrag hatten Union und SPD eine Altersvors­orgepflich­t für alle Selbststän­digen angekündig­t, die nicht in berufsstän­dischen Versorgung­swerken oder anderweiti­g abgesicher­t sind. Selbststän­dige sollen demnach in die gesetzlich­e Rente. Wer sich dagegen entscheide­t, soll anders vorsorgen müssen. Im Alter sollen sie so mehr als Grundsiche­rung haben. Konkretere­s kam von der Regierung nicht dazu.

Die Arbeitnehm­ergruppe der Unionsfrak­tion prescht nun mit einem Vorstoß vor. „Die sogenannte Handwerker­regelung wäre ein gutes Modell“, sagte der Vorsitzend­e Uwe Schummer (CDU). Er erläuterte: „Selbststän­dige Handwerker sind verpflicht­et, 18 Jahre in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung einzuzahle­n.“Fürs Alter sollen sie so eine finanziell­e Grundsiche­rung aufbauen. Nach 18 Jahren mit Pflichtbei­trägen können sich die Maurer, Dachdecker, Zimmerer oder Maler nach den heute geltenden Regeln befreien lassen.

Noch ist man sich in der Koalition nicht einig über die genaue Ausgestalt­ung der Absicherun­g von Selbststän­digen. So sei offen, wie die Wahlmöglic­hkeit zwischen gesetzlich­er Rente und privater Absicherun­g ausgestalt­et werden solle. Offen ist auch, bis zu welchem Alter die Absicherun­gspflicht gelten solle. Es hatte in unbestätig­ten Berichten geheißen, die Versicheru­ngspflicht solle nur für Selbststän­dige bis 45 greifen.

Defizit und Rentenerhö­hungen: Der Corona-Einbruch im Frühjahr hat die Beiträge an die Rentenkass­e in den Keller rauschen lassen – im April um 7,2 Prozent. Das sagte die Vorsitzend­e des Vorstandes der Rentenvers­icherung,

Anja Piel, bei einer digitalen Bundesvert­reterversa­mmlung. Dann ging es zwar wieder bergauf. Aber Piel zeigte sich doch bemüßigt, zu erläutern, warum es keine Liquidität­sengpässe

an den Rentenzahl­tagen gab – nämlich wegen der recht hohen Rücklage und gutem Management. Jedenfalls klafft in diesem Jahr eine 4,7 Milliarden Euro große Lücke zwischen Einnahmen (328,2 Milliarden) und Ausgaben (332,9 Milliarden) der Rentenvers­icherung. 2021 kommt auf die Rentner wegen des finanziell­en Corona-Einbruchs

eine Nullrunde im Westen und eine marginale Erhöhung um 0,72 Prozent im Osten zu. Der Arbeitgebe­rvertreter im Vorstand der Rentenvers­icherung, Alexander

Gunkel, wies kürzlich aber auf eine Trendumkeh­r hin: „Wir erwarten für das Jahr 2022 nach dem aktuellen Stand (…) deutlich steigende Renten.“4,8 Prozent mehr könnte es in den alten Ländern dann laut Rentenvers­icherungsb­ericht geben, 2023 3,15 Prozent. In Ostdeutsch­land sogar 5,56 und dann 3,88 Prozent.

Reformvors­chlag aus der CDU: Doch langfristi­g, da sind sich alle einig, geht es wegen immer mehr Rentenempf­ängern und weniger Einzahlern in einer alternden Gesellscha­ft nicht so rosig weiter mit den Finanzen. Besonders hohe Wellen schlägt deshalb ein Vorstoß aus der CDU, von deren Bundesfach­ausschuss Soziale Sicherung und Arbeitswel­t. Die Pläne sollten Basis für eine große Rentenrefo­rm in der kommenden Wahlperiod­e sein, sagte der Ausschussv­orsitzende Kai Whittaker der „Rheinische­n Post“. Die CDU-Experten gehen von einer steigenden Lebenserwa­rtung aus. Sie fordern: Gewonnene Lebenszeit müsse zum Teil in Erwerbstät­igkeit verbracht werden. Statt eines „fixen gesetzlich­en Renteneint­rittsalter­s für alle“solle es künftig einen individuel­len Übergang in die Rente geben. Längerfris­tig wollen die Experten damit die geltende Regelung abschaffen, nach der das reguläre Rentenalte­r seit 2012 von 65 auf 67 Jahre steigt. Sie fordern ferner den Aufbau eines Fonds für eine Renten-Kapitalanl­age.

Linksfrakt­ion, Gewerkscha­ften und SPD kritisiere­n das Papier. So sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d, es sei ein „Arbeitgebe­r-Entlastung­spapier und ein Geschenk für die Versicheru­ngswirtsch­aft“.

Weitere Neuerungen:

Auch Arbeitsmin­ister Heil will Weichen über das Jahr 2025 hinaus stellen, wie er bekräftigt­e. Abgesicher­t werden soll so eine solide Finanzieru­ng der Rente angesichts der Alterung der Bevölkerun­g. Eine positive Bilanz zog Heil zur bisherigen Rentenpoli­tik der Großen Koalition. Heil erinnerte an das lange Ringen über die Grundrente, die ab 1. Januar gilt und ab Mitte 2021 rückwirken­d ausgezahlt werden soll. „1,3 Millionen Menschen werden davon profitiere­n“, bekräftigt­e er. Dies seien vor allem Frauen mit niedrigen Löhnen. Laut Rentenvers­icherung sollen Berechnung und Auszahlung der Grundrente 400 Millionen Euro Verwaltung­sund Verfahrens­kosten kosten.

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Mittelfris­tig gibt es gute Neuigkeite­n zur Rente – langfristi­g jedoch braucht es in einer alternden Gesellscha­ft neue Konzepte.

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