Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Fehlerfreie Pionierin
Erste Schiedsrichterin in der Champions League: Stéphanie Frappart feiert starkes Debüt
TURIN (SID/dpa) - Die Augen der Welt waren auf Stéphanie Frappart gerichtet – und doch blieb sie nahezu unsichtbar. Anders als bei einem Spieler bedeutet dieses Attribut bei einer Schiedsrichterin aber das größtmögliche Lob. Unaufgeregt, durchsetzungsstark und dazu noch fehlerfrei: Die Französin meisterte die historische Premiere einer Frau in der Champions League der Männer mit Bravour.
Mit Cristiano Ronaldo und Co. hatte sie beim 3:0 von Juventus Turin gegen Dynamo Kiew keinerlei Probleme – die Lobeshymnen folgten fast zwangsläufig. „Wurde auch Zeit“, twitterte Nationalspieler Ilkay Gündogan: „Große Leistung und Inspiration für andere. Hoffentlich wird dies sehr bald regelmäßig geschehen.“Auch Juve-Fußballchef Fabio Paratici schwärmte davon, dass eine weitere Hürde „großartig“genommen wurde.
Frapparts Einsatz war nach ihren Auftritten in der Nations und der Europa League ein weiterer internationaler Meilenstein für Schiedsrichterinnen. Die 36-Jährige aus Herblaysur-Seine hatte im Vorjahr bereits die Partie um den Supercup zwischen dem FC Liverpool und dem FC Chelsea (7:6 nach Elfmeterschießen) gepfiffen. In der Europa League war sie zuletzt am 22. Oktober bei der Partie Leicester City gegen Sorja Luhansk (3:0) im Einsatz. Nun durfte sie auf der prominentesten Bühne des Club-Fußballs ihrem Job nachgehen. Selbst die langjährige deutsche Vorzeigeschiedsrichterin Bibiana Steinhaus stellt sie damit in den Schatten. „Wir haben Türen aufgestoßen. Nun können die nächsten durch diese Türen gehen“, sagte Steinhaus, die selbst international im Männerfußball nie zum Einsatz kam.
Die deutsche Pionierin hat von ihrem französischen Pendant ohnehin eine ganz hohe Meinung. „Sie hat mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie es kann“, sagte die kürzlich zurückgetretene Steinhaus. Sie freue sich „riesig“, dass die UEFA „nicht nur im fußballerischen Wettbewerb auf Leistung setzt, sondern auch bei den Schiedsrichtern die Besten nominiert“.
Und dazu gehöre Frappart zweifelsohne. „Coolness, Gelassenheit und überragende Fitness“seien ihre herausragenden Fähigkeiten, so Steinhaus.
Das bewies Frappart am Mittwoch, Respekt vor der Größe des Moments war ihr in keinem Augenblick anzumerken.
Die seit anderthalb Jahren in der Ligue 1 pfeifende Nordfranzösin zückte lediglich drei Gelbe Karten, bei drei Schlüsselszenen lag sie ohne Hilfe des Videoassistenten richtig. Bei den möglichen Elfmeterpfiffen auf jeder Seite (29. und 35.) zog sie ihre großzügige Linie konsequent durch, die umstrittene Anerkennung des Treffers von Ronaldo (57.) zum 2:0 war korrekt. Auch wenn sich die kniffligen Aufgaben sonst in Grenzen hielten, waren die italienischen Zeitungen von ihrem „makellosen Debüt“(„Gazzetta dello Sport“) begeistert. Sie brauche sich „nicht autoritär zu zeigen, um zu beweisen, wer das letzte Wort hat“, und fürchte „keine Konfrontation“, urteilte „La Stampa“. „Debüt ohne Schatten“titelte „Corriere dello Sport“.
Frappart nimmt solch große Aufgaben ohnehin gelassen. Für sie sei
„jedes Spiel dasselbe“, egal wie groß es ist. „Der Fußball ist derselbe, die Regeln sind dieselben“, sagte die 36Jährige bereits vor dem Supercup 2019. Und wer weiß, wenn sie diesem Motto weiter folgt, kann sie vielleicht auch noch bei einer EM oder WM der Männer Geschichte schreiben. Denn: Das Zeugnis der „L’Equipe“fiel großartig aus. „Sie war immer nahe am Geschehen“, schrieb die Zeitung aus ihrer Heimat. „Sie hat dem Spiel gedient, indem sie wenig eingegriffen hat.“