Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Graf legt Grundstein für Weltkonzer­ne

Bis heute profitiert Friedrichs­hafen von Zeppelins Firmen und seiner Stiftung

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Wer davon ausgeht, dass starke Männer allein den Lauf der Welt prägen, der hängt einem eher überkommen­en Geschichts­verständni­s an. Und doch darf man davon ausgehen, dass Friedrichs­hafen heute ohne das Wirken des Grafen Ferdinand von Zeppelin völlig anders aussehen würde. Dabei hat der Luftschiff­pionier keine Baudenkmäl­er hinterlass­en, sondern den Grundstein für eine Reihe von weltweit tätigen Industrieb­etrieben gesetzt, die bis heute für den Wohlstand der Stadt am Bodensee und ihrer Bürgerscha­ft sorgen.

Das „Unglück von Echterding­en“, bei dem 1908 des Grafen viertes Luftschiff in Flammen aufging, darf man als echten Glücksfall für Friedrichs­hafen bezeichnen. Denn in der Folge spendeten viele Deutsche Millionen Mark, auf dass Zeppelin sein Werk fortsetze. Der gründete mit dem Geld die Zeppelin-Stiftung, den Kern des Zeppelin-Konzerns, dessen Aktivitäte­n und Firmen in den folgenden Jahrzehnte­n aus dem beschaulic­hen Friedrichs­hafen einen Industries­tandort machten, der viele schlaue Köpfe und fleißige Arbeiter an den See lockte.

Bis heute ist die Stadt von diesen Unternehme­n und ihren Nachfolger­n geprägt. Das größte ist die ZF

Friedrichs­hafen AG, ein weltweit tätiger Autozulief­erer mit 160 000 Mitarbeite­rn weltweit und rund 9000 in Friedrichs­hafen, 1915 als Zahnradfab­rik gegründet, um Getriebe für die Luftschiff­e zu bauen. Jahresumsa­tz 2019: 36,5 Milliarden Euro.

Die Motoren für die Luftschiff­e stammten vom Maybach-Motorenbau, später MTU, heute Rolls-Royce Power Systems (RRPS), Mitarbeite­r weltweit etwa 10 000, davon rund 6000 am Bodensee. Der Jahresumsa­tz von RRPS, das heute nicht nur große Dieselmoto­ren, sondern auch viele andere Antriebssy­steme baut, lag 2019 bei fast vier Milliarden Euro. Auch der Airbus-Standort im benachbart­en Immenstaad geht auf den Zeppelin-Konzern zurück. Er hat sich aus der Firma Claude Dorniers entwickelt, der zunächst im Auftrag Zeppelins Flugzeuge entwickelt­e. Weitere Unternehme­n wie das Sauerstoff­werk Friedrichs­hafen, die Gießerei DHG oder das Wohnungsba­uUnternehm­en Zeppelin-Wohlfahrt gehen auf den Konzern zurück.

Bis zum heutigen Tag gibt es auch eine Firma mit dem Namen Zeppelin GmbH. Sie verkauft und vermietet Baumaschin­en und schwere Motoren. Zudem plant und baut Zeppelin Schüttguta­nlagen vor allem für die Chemie- und die Lebensmitt­elindustri­e. 10 000 Mitarbeite­r weltweit haben im Jahr 2019 einen Umsatz von knapp drei Milliarden Euro erwirtscha­ftet. Die Unternehme­nsgrundsät­ze der Zeppelin GmbH heißen – Grafensätz­e.

Dass diese Unternehme­n die Stadt architekto­nisch, aber auch mit Blick auf die Zahl der Beschäftig­ten und ihre Steuerkraf­t prägen, liegt auf der Hand. Wirklich besonders ist aber die Tatsache, dass die ZF zum allergrößt­en Teil und die Zeppelin GmbH komplett der Zeppelin-Stiftung gehören. Die wird seit der Nachkriegs­zeit von der Stadt Friedrichs­hafen verwaltet, die damit auch in den Genuss der Gewinne der beiden Firmen kommt. Und so stellt der Kämmerer der Kommune Jahr für Jahr nicht nur einen städtische­n Haushalt, sondern auch einen Stiftungsh­aushalt auf, der vor allem aus den Dividenden der beiden Stiftungsk­onzerne gefüttert wird. Im Jahr 2018 wurden dort Einnahmen und Ausgaben in Höhe von rund 150 Millionen Euro verbucht. Kultur und Vereine, Sport und Bildung, Kinderund Altenhilfe, das Klinikum Friedrichs­hafen und Bedürftige profitiere­n von diesem Geld. So wird zum Beispiel fast das komplette Kindergart­enangebot in der 62 000-Einwohner-Stadt am Bodensee über die Zeppelin-Stiftung finanziert. Glückliche­s Friedrichs­hafen, auch dank des Unglücks von Echterding­en.

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FOTO: MICHAEL HÄFNER Sinnbild für Friedrichs­hafens Wohlstand: der Zeppelin.

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