Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zwischen Hopfen und Hightech
Die Region rund um Tettnang besticht durch Vielfalt in vielen Lebensbereichen
TETTNANG/MECKENBEUREN/ KRESSBRONN/NEUKIRCH - In wenigen Regionen Deutschlands treffen so viele Gegensätze aufeinander wie rund um Tettnang. Da ist auf der einen Seite der Tettnanger Hopfen, der die Landschaft prägt. Sowohl in der größten Flächengemeinde des Bodenseekreises, der Stadt Tettnang, aber auch bis Kressbronn, Meckenbeuren und Neukirch. Es handelt sich um die drittgrößte Hopfenanbauregion Deutschlands, die sich zudem mit einer der größten Obstanbauregionen des Landes überschneidet.
Doch während die Landwirtschaft besonders augenfällig ist, sind Wirtschaftsunternehmen aus der Region oft wichtige Akteure auf dem Weltmarkt. Überspitzt könnte man sagen: Wenn man hier eine Garage öffnet, steckt dort nicht selten ein Erfinder, Tüftler und Weltmarktführer drin. Erfindungsreichtum und auch Vielfalt zeichnen dabei die Menschen in der Region aus. Da geht es manchmal um spezialisierte Angebote, die es sonst nirgends gibt. Und manche Gründer haben vor Jahrzehnten den Grundstein für Firmen gelegt, die sich heutzutage in zweiter oder dritter Generation nicht hinter aktiennotierten Unternehmen verstecken müssen.
Der Tettnanger Sensorikspezialist ifm etwa hat 2019 im 50. Jahr seines Bestehens die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro geknackt. Rund 7000 Mitarbeiter sind in aller Welt tätig. Doch das Familienunternehmen in zweiter Generation mit Martin Buck aus Tettnang und Michael Marhofer aus Essen an der Spitze ist der Region dabei stets verbunden geblieben und ist hier mit seinen Standorten sehr präsent. Eine Zukunftsbranche,
in der auch das Tettnanger Unternehmen Wenglor ebenfalls in zweiter Generation mit Fabian und Rafael Baur unterwegs ist.
In Restaurantküchen ist oft Technik aus Meckenbeuren zu finden. Die Firma Winterhalter mit rund 2000 Mitarbeitern steht für Spülsysteme, die von der kleinen Einzelspülmaschine bis hin zu großen Anlagen reichen. Hier ist seit geraumer Zeit mit Ralph Winterhalter schon die dritte
Generation in der Geschäftsführung. Und das Outdoorunternehmen Vaude mit Antje von Dewitz an der Spitze macht immer wieder auch gesellschaftsund umweltpolitisch von sich reden. Das sind nur einige Beispiele von vielen. So wie diese Familienunternehmen bereits auf eine lange Tradition zurückblicken können, entstehen auch heute immer wieder solche Grundsteinlegungen, die in wenigen Jahren oder Jahrzehnten
von sich reden machen werden. Manchmal wird’s auch dreistellig: Heraus sticht etwa auch die Stiftung Liebenau – mit 7000 Mitarbeitenden im Kernbereich der Behindertenund Altenhilfe ein mittlerweile 150 Jahre altes Schwergewicht.
Zugleich ist die Region auch eine mit Geschichte, die viele Touristen anzieht. Tettnang hat gleich drei Schlösser und eine spannende Historie: Die Grafen von Montfort haben den süddeutschen Raum mit ihren gefälschten Silbermünzen immer wieder fast in den Ruin getrieben. Welche Stadt mit 20 000 Einwohnern kann so etwas vorweisen? Kressbronn ist allein durch seine Lage am Bodensee schon Publikumsmagnet. Meckenbeuren lockt mit dem Ravensburger Spieleland oder dem Lufti. Und auch die kleine Gemeinde Neukirch in quasi dritter Reihe zum See rückt durch die immer bessere Vernetzung mit Fahrradwegen und E-Bikes durch die attraktive Landschaft und auch einen Wildpark zunehmend in den Fokus von Besuchern.
Prägend und vielleicht mit das Prägendste ist die schillernde Vielfalt im Ehrenamt. Das reicht von Sportvereinen über Musik und Brauchtum bis hin zu Kultur und gesellschaftlichem Engagement. Dass die Region so attraktiv ist, ist auch ihre Achillesferse. Denn das Wachstum
ist eine Herausforderung. Trotz dem benachbarten Regionalflughafen und der Bahnanbindung in Meckenbeuren und Kressbronn fließt der Verkehr immer wieder stockend. Die Mieten sind hoch, die Einwohnerzahlen wachsen. Das muss auch bewältigt werden.
Tettnang investiert derzeit sehr viel Geld in Kindergärten und weist viele Baugebiete aus. Meckenbeuren und Kressbronn wollen ebenfalls erweitern, immer mit Betonung auf das Wort „maßvoll“. Was auf der anderen Seite aber auch heißt, dass hier alle Rezeptzutaten da sind, um glücklich zu werden. Die Vielfalt macht’s.