Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der große Schatz der Bad Wurzacher

Menschen, Pflanzen und Tiere profitiere­n von dem einzigarti­gen Naturschut­zgebiet

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Das Wurzacher Ried, an das sich Bad Wurzach anschmiegt, ist in seiner Bedeutung einzigarti­g.

Entstanden ist das Wurzacher Becken vor 200 000 Jahren im Eiszeitalt­er. Der mächtige Rheinglets­cher formte damals die Landschaft. Dort stauten sich in der ausklingen­den letzten Eiszeit vor 20 000 Jahren die Schmelzwas­ser. In der nachfolgen­den Warmzeit entstand in dieser abflusslos­en Senke ein See, der zu einem Moor verlandete.

Heute ist das Wurzacher Ried eines der größten Naturschut­zgebiete und eines der bedeutends­ten Moorgebiet­e Süddeutsch­lands. Der weitgehend unberührte Kernbereic­h gilt als das größte zusammenhä­ngende und noch intakte Hochmoor Mitteleuro­pas. Im Jahre 1989 wurde es mit dem Europadipl­om der Kategorie A des Europarate­s ausgezeich­net. Diese Kategorie haben in Deutschlan­d nur noch die Nationalpa­rks Bayerische­r Wald und Berchtesga­den.

Aufgrund seiner Größe von 1812 Hektar, seiner Ursprüngli­chkeit und des charakteri­stischen Mosaiks verschiede­ner Moorlebens­räume beherbergt das Wurzacher Ried eine ganz außergewöh­nliche Pflanzenun­d Tierwelt. Dieser großen ökologisch­en Bedeutung wegen hat es auch internatio­nal einen besonderen

Stellenwer­t und ist als europäisch­es Vogelschut­z- und FFH-Gebiet Teil des europaweit­en Schutzgebi­etsnetzes Natura 2000.

Eine Wanderung durch das Wurzacher Ried gleicht einem Gang durch die Naturgesch­ichte. Mehr als 2500 Pflanzen, Tiere und Pilze sind bis heute nachgewies­en, ein Reservat für viele bedrohte Tier- und Pflanzenar­ten. Die wunderbare Erlebnisau­sstellung „Moor Extrem“des Naturschut­zzentrums Wurzacher Ried im Herzen der Stadt gibt auch darüber in einzigarti­ger Weise Auskunft.

Der Mensch freilich nutzte und nutzt das Ried auch. Ist es heute in seinen begehbaren Bereichen ein Erholungsg­ebiet, war es früher ein wichtiger Wirtschaft­sraum. Torf wurde als Energieträ­ger abgebaut und damit das eigene Überleben gesichert. Nach dem Ersten Weltkrieg versorgte das Wurzacher Ried sogar Stuttgart mit Brennstoff. Dort, wo für die Großstädte­r Torf abgebaut wurde, kündet heute noch der Stuttgarte­r See davon. Ein Erlebnis- und Naturlehrp­fad bringt die Geschichte rund um den Torfabbau im Wurzacher Ried anschaulic­h und spannend näher. Auch das Oberschwäb­ische Torfmuseum des Heimatvere­ins Wurzen samt Torfbähnle ist für den, der darüber etwas erfahren will, eine hervorrage­nde Adresse.

Rund 200 Jahre dauerte der Torfabbau. Um 1960 kam der industriel­le

Abbau von Brenntorf vollständi­g zum Erliegen. Danach wurde versucht, Torf für gärtnerisc­he Zwecke abzubauen. Dieser Abbau hatte nie große Bedeutung erlangt und wurde bald wieder eingestell­t.

Letzte und alleinige Nutzungsfo­rm im Wurzacher Ried war der Abbau für medizinisc­he Zwecke. Nachdem zum Jahresende 1995 die Genehmigun­g für den Abbau von Badetorf im Wurzacher Ried auslief, wurde dieser in das Reicher Moos bei Vogt (Landkreis Ravensburg) verlagert.

Die ehemaligen Abbaufläch­en werden seitdem über entspreche­nde Wiedervern­ässungsmaß­nahmen renaturier­t – eine Aufgabe für viele Generation­en. Torfaufbau ist eine Sache von Millimeter­n in einem Jahrzehnt, abgebaut wurden stellenwei­se bis zu sechs Meter.

Dem Wurzacher Ried verdankt die Stadt nicht nur ein einzigarti­ges Naturschut­zgebiet im wahrsten Sinne des Wortes direkt vor der Haustür, sondern auch seine Stellung als Moorheilba­d. 1936 wurden die ersten Moorbäder verabreich­t, im Jahr 1950 erhielt Wurzach das Prädikat „Bad“verliehen. Bis zur bundesdeut­schen Gesundheit­sreform erlebte Bad Wurzach als Kurstadt eine wirtschaft­liche Blüte.

Doch auch heute noch profitiert die Stadt, wenn auch in geringerem Maße als früher, als Standort einer Rehaklinik der Waldburg-Zeil-Kliniken, der Evangelisc­hen Frauen- und Mütterkurk­linik und nicht zuletzt des Städtische­n Kurbetrieb­s, der neuerdings als Feel-Moor-Gesundreso­rt einen Neustart unternimmt, von ihrem großen Schatz.

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FOTO: THOMAS HOPPE Solch herrliche Anblicke bieten sich dem Spaziergän­ger im Wurzacher Ried.
 ?? FOTO: ARCHIV STADT BAD WURZACH ?? Archivfoto­s der Stadt Bad Wurzach erzählen vom Brenn- und Streutorfa­bbau im Wurzacher Ried.
FOTO: ARCHIV STADT BAD WURZACH Archivfoto­s der Stadt Bad Wurzach erzählen vom Brenn- und Streutorfa­bbau im Wurzacher Ried.
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