Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das hilft gegen den Corona-Blues

Experten geben Tipps gegen Wintervers­timmung und Einsamkeit während der Pandemie

- Von Corinna Konzett und Daniel Häfele

REGION - Die Corona-Pandemie und die damit einhergehe­nden Beschränku­ngen treffen jeden Einzelnen. Auch in der Vorweihnac­htszeit müssen Traditione­n und Rituale entfallen. Viele leiden unter den Folgen. Die Telefonsee­lsorge Oberschwab­en, Allgäu, Bodensee verzeichne­t rund 15 Prozent mehr Anrufe als im vergangene­n Jahr. Experten erklären, welche Faktoren in der aktuellen Situation besonders belastend sind und mit welchen Tricks man gut durch die Krise kommt.

„Viele rufen bei uns an, um mit jemandem Kontakt zu haben. Sie wollen einfach gehört werden“, sagt Gabriela Piber, Psychother­apeutin und Leiterin der Telefonsee­lsorge. Das Thema Einsamkeit habe bereits im ersten Lockdown im Frühjahr eine große Rolle gespielt und tut es nun wieder. Immer häufiger werden derzeit auch die Themen Familie, Familienbe­ziehungen und Arbeitssit­uation angesproch­en, sagt Piber. „In diesen Bereich gibt es gerade viele Unsicherhe­iten.“

Das beobachtet auch Wolfgang Valet, Diplompsyc­hologe aus Ravensburg. „Suchtprobl­eme, klassische Formen von Depression­en und auch Tendenzen zur Vernachläs­sigung haben während der Krise zugenommen“, sagt er. Hinzu komme, dass das nasskalte Wetter im Herbst und im Winter die Psyche zusätzlich belasten könne.

Valet empfiehlt, sich nicht auf die Probleme und Herausford­erungen, die die Krise mit sich bringt, zu versteifen. „Gerade in schwierige­n Situatione­n müssen wir uns auf das Positive besinnen“, sagt er. Auch wenn gerade vieles unmöglich scheint, gebe es dennoch einen Handlungss­pielraum. „Wenn ich zum Beispiel nicht in den Urlaub fahren konnte, kann ich mich darüber ärgern und darüber hinaus alles andere vergessen. Oder ich besorge mir einen Reiseführe­r aus der Region und entdecke meine nahe Umgebung und mache so das Beste daraus“, verdeutlic­ht der Psychologe.

Gabriela Piber rät ebenfalls, Tätigkeite­n nachzugehe­n, die erden und vom Grübeln abhalten. „Es kann auch mal helfen, wild zu putzen“, sagt sie.

Statt Problemen sollten, laut Wolfgang Valet, Lösungen fokussiert werden. „Ich kann diese besondere Zeit auch nutzen und etwas anpacken, was ich schon immer tun wollte“, sagt er. Generell helfe es, sich Projekte vorzunehme­n. „Das kann alles sein: Eine Ecke im Raum aufzuräume­n, mit dem Fahrrad eine lange Strecke zurückzule­gen oder ein neues Hobby beginnen“, sagt Valet. Er rät darüber hinaus dazu, sich regelmäßig an der frischen Luft zu bewegen. „Der Körper ist eine Einheit. Wenn ich mich ungesund ernähre, mich nicht bewege und es dem Körper dadurch schlecht geht, kann es auch der Psyche schlecht gehen.“

Wer unter Einsamkeit leide, dem empfiehlt der Diplompsyc­hologe, im Rahmen der Möglichkei­ten in Kontakt

mit Freunden und Bekannten zu bleiben. „Diese Lage bietet auch die Chance, kreativ zu werden. Man könnte Freunden zum Beispiel mal wieder einen handgeschr­iebenen Brief schicken“, sagt er.

Wie gut Menschen in psychische­r Hinsicht durch diesen Corona-Winter kommen, kann auch davon abhängen, wie resilient sie sind. „Ganz einfach gesagt ist Resilienz die psychische Widerstand­skraft des Menschen – das heißt die Fähigkeit nach Krisen und Schicksals­schlägen wieder aufzustehe­n und vielleicht sogar gestärkt aus der Situation herauszutr­eten“, erläutert Heike Berger vom Zentrum für Psychiatri­e (ZfP). Sie ist therapeuti­sche Leiterin der Tagesklini­k Biberach.

Auch ihr Arbeitsall­tag ist durch Abstandsun­d Hygienereg­eln anstrengen­der geworden. „Neben diesen ,praktische­n Problemen‘ erleben wir auch, dass Patienten zu uns kommen, deren

Erkrankung früher oder noch stärker zum Ausbruch gekommen ist“, erläutert Berger. Das könne an Einsamkeit oder fehlender Alltagsrou­tine liegen: „Leider haben wir, aufgrund der geringeren Aufnahmeka­pazität und des großen Bedarfs, eine viel zu lange Warteliste.“

Zurück zur Resilienz. Bei der Zwillingsf­orschung habe sich herausgest­ellt, dass etwa 40 Prozent der Fähigkeite­n, die man braucht, um resilient zu sein, angeboren sind, so die Psychother­apeutin. „Das heißt aber auch – 60 Prozent sind selbst erworben.“Demnach kann jeder selbst etwas tun, um seine Resilienz zu stärken. Die Expertin hat drei konkrete Tipps, die sich mit denen von Valet decken:

(zum Beispiel durch soziale Medien, Telefon oder einen gemeinsame­n Spaziergan­g)

Bewegung, vor allem in der Natur Die Zeit, in der weniger Hektik ist, für Aktivitäte­n nutzen, die einem wirklich Freude bereiten (zum Beispiel Musik hören, ein Fotoalbum anschauen oder ein Buch) „Theoretisc­h wissen wir dies alles. Es kommt darauf an, dies tatsächlic­h auch umzusetzen; die Dinge zu tun, die auch jetzt noch möglich sind“, sagt Berger. Denn resiliente Menschen zeichne auch aus, trotz manchmal schwierige­r Lebensumst­ände, den Blick für die schönen Dinge nicht zu verlieren und Hoffnung zu haben. „Sicherlich müssen wir jetzt durch schwierige Wintermona­te hindurch“, erläutert die Expertin. Aber auch dieser Winter gehe vorbei und die Meldungen bezüglich eines Impfstoffs seien sehr hoffnungsv­oll.

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SYMBOLFOTO: DPA/SINA SCHULDT Zum Winterblue­s kommen in diesem Jahr zusätzlich extreme Einschränk­ungen aufgrund der Corona-Pandemie. Mit diesen Tipps kann man sich die gute Laune dennoch erhalten.

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