Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Auch Liweitari in Kißlegg spürt die Corona-Folgen
Appell des Freundeskreises: Berufsausbildungszentrum und Grundschule in Benin benötigen jährlich 70 000 Euro
KISSLEGG - „Durch Bildung Zukunft schenken – Hilfe zur Selbsthilfe“– so lautet das Motto des Freundeskreises Liweitari. Gemeinsam mit einem gleichnamigen Verein in der Schweiz unterstützt der im März 2013 gegründete und inzwischen 80 Mitglieder zählende Kißlegger Freundeskreis das vom Schweizer Heinrich Roth gegründete Berufsausbildungszentrum in Natitingou im Norden Benins mit derzeit 76 Auszubildenden. 2017 kam noch eine private Grundschule mit mehr als 200 Schülern dazu. Im Corona-Jahr 2020 wird es schwierig, die Betriebskosten für 2021 zusammenzubringen.
„Es ist immer so, dass wir im Dezember den Schlussstrich ziehen“, sagt Klaus Edele, Vorsitzender des Kißlegger Freundeskreises. Mit dem dann gesammelten Geld entsteht Planungssicherheit und muss das Centre de Formation Liweitari (CFL) klar kommen. Rund 70 000 Euro sind es, die das CFL eigentlich an Betriebskosten benötigt. Erwirtschaftet werden sie etwa zur Hälfte in Europa und in Benin selbst, wo im Berufsausbildungszentrum durch die Annahme von Aufträgen Geld verdient wird. Waren es zunächst Metallbauer, Elektriker und Maurer, sind seit 2019 zunächst Automechaniker, seit Herbst desselben Jahres die Landwirtschaft hinzugekommen. Zusätzlich übernahm das CFL vor drei Jahren eine Grundschule mit über 200 Schülern, 40 Prozent davon Waisen. „Die Schule wurde seither saniert, mit Toiletten ausgestattet“, erzählt Edele. Zusätzlich gibt es eine Schülerspeisung. „Die Anzahl der Lehrlinge, ihrer Ausbilder und der Schüler ist für uns immer eine große
Herausforderung“, betont Edele. Eine Herausforderung, die 2020 noch einmal größer geworden ist.
„Wir mussten bei uns in Deutschland und auch in der Schweiz unsere Aktivitäten herunterfahren“, sagt Edele. Kein „Wandern für die andern“, das vor zwei Jahren noch rund 8000 Euro in die Kassen spülte. Kein Weihnachtsmarkt, kein Benefizkonzert, kein Benefizdinner oder Sonstiges. Mit und durch Mitgliedsbeiträgen, Patenschaften und anderen Aktivitäten sind von Kißlegg aus in den vergangenen Jahren im Schnitt so um die 12 000 Euro nach Benin geflossen. „Natürlich haben wir keine finanzielle Verpflichtung“, meint der Vorsitzende - und schiebt dennoch nach: „Eine moralische aber sehr wohl.“Auch gegenüber den Ausbildern und Lehrkräften, die im Mai wie alle knapp zwölf Millionen Beniner für Wochen lang in einem harten Lockdown ohne soziale Absicherung verharren mussten: „Wir haben weiter bezahlt.“
Gespart werden kann derzeit eigentlich nur an den Energiekosten. Diese wurden aber schon 2016 nach unten geschraubt, als die alten Dieselgeneratoren durch Photovoltaik mit Batteriespeichern ersetzt wurden. Mitte Oktober wurde ein Container mit einer größeren Anlage mit höherer Leistung nach Westafrika geschickt, der in diesen Tagen dort auch landen und entladen werden soll. „Das Geld haben wir aus einer Projektförderung aus Rottweil“, erzählt Edele dankbar. Denn es ist das zweite Standbein des Freundeskreises, andere von ihrem Liweitari, das übersetzt Hügel des Friedens heißt, zu überzeugen und für bestimmte Projekte zu begeistern. Seit Bestehen des Vereins konnte der Freundeskreis Liweitari so schon über 400 000 Euro an Projektgeldern vermitteln. Eine stolze Summe, durch die beispielsweise der Brunnenbau auf dem Gelände oder nun eben auch die PV-Anlage finanziert werden konnten. Die neuen Energiequellen sind nicht „nur“Stromlieferant, sondern auch Teil der Ausbildung der Elektriker-Azubis. „Mit ihnen können sie auch Betreibererfahrung gewinnen, alle Vor- und Nachteile kennenlernen“, sagt Edele.
Für die Zeit nach Corona ist dem Freundeskreis die Freiwilligenarbeit im Ausbildungszentrum und in der Schule ein wichtiges Anliegen. Der Einsatz von Schweizer Zivis sei aktuell eine wichtige Säule, sagt Edele: „Zum einen wegen des Wissens- und Methodentransfers und zum anderen wegen des interkulturellen Austauschs.“Der Verein ist dankbar, für jegliche auch praktische Unterstützung: „Das ist auch etwas für rüstige Rentner wie auch für junge Fachkräfte, Schulabgänger oder Studenten.“Eine solche Person könnte in Benin auch entdecken, was sich dort alles getan und bewegt hat. 2008 hat der in den Ruhestand gekommene Heinrich Roth dort in Westafrika einen Bauplatz erworben, ein halbes Jahr später mit dem ersten Bau begonnen. „Im vergangenen Jahr, zum zehnjährigen Bestehen, war ich zum fünften und bislang letzten Mal in Benin“, sagt Edele, der 2009 zunächst den Sohn des Ehepaars Roth und später auch den Wohltäter selbst kennenlernte. Inzwischen stehen auf dem 20 Hektar großen Gelände 19 kleinere und größere Gebäude.
Jüngstes „Kind“ist die biologische Landwirtschaft, zu der auch noch eine kleine Viehzucht kommen soll. Edele: „Noch dreht sich viel um Ackerbau, aber auch Lebensmittelverarbeitung, Konservierung, Hygiene und das nachhaltige Kümmern um die Boden.“40 Hektar stehen noch zur Verfügung, auf denen auch mit Wasserreservoirs und Aufforstung gearbeitet werden soll. Gleichzeitig, sagt Edele, wurde vor drei Jahren die Leitung von Heinrich Roth an seinen langjährigen, einheimischen Mitarbeiter übergeben: „Er handelt nach dem Prinzip Rückzug, Verantwortung weitergeben, begleiten und sich seinem Herzensanliegen Landwirtschaft widmen.“
Dass der Verein in diesem Jahr wieder von „Helfen bringt Freude“, der SZ-Weihnachtsaktion, profitieren darf, freut Edele ganz besonders: „Das hilft uns, die Betriebskosten zu stemmen und gibt uns Planungssicherheit.“Was seine persönliche Vision der Hilfe zur Selbsthilfe ist? „Dass man irgendwann auf den Märkten in Wangen und Kißlegg biologisch hergestellte und fair bezahlte Mangos kaufen kann, wenn es in Benin einen Überschuss gibt.“
Fluchtursachen bekämpfen, menschenwürdiges Leben ermöglichen: Diesen Schwerpunkt setzen wir auch in diesem Jahr mit unserer Weihnachtsspendenaktion. Die Spenden kommen der Hilfe für Menschen im Nordirak, ehrenamtlichen Initiativen und Caritasprojekten in Württemberg sowie in Lindau zugute.
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