Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verständli­cher Zorn

- Von Wolfgang Mulke wirtschaft@schwaebisc­he.de

Jetzt ist es raus. Die Novemberhi­lfen wird es erst im Januar geben. Die von einer Zwangsschl­ießung betroffene­n Betriebe müssen sich bis dahin mit kleinen Abschlagsz­ahlungen begnügen. Grund ist die noch fehlende Software für die Bearbeitun­g Zehntausen­der Anträge. Allein diese Zahl lässt erahnen, wie viele Menschen durch Corona zumindest zwischenze­itlich in ihrer Existenz bedroht sind. Ohne Frage fordert die Pandemie den verantwort­lichen Stellen und Ministerie­n viel ab. Doch als Entschuldi­gung für dieses Versagen taugt die Belastung nicht. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr gab es genügend Zeit für die Vorbereitu­ng auf eine zweite oder auch eine dritte Welle der Pandemie. Diese Zeit wurde offenkundi­g nicht genutzt.

Der Zorn der Betroffene­n ist verständli­ch, auch wenn sie am Ende doch noch recht großzügig vom Staat unterstütz­t werden. Restaurant­s, Theater und Hotels waren wohl nicht Hotspots der Pandemie. Sonst wären die Infektions­zahlen inzwischen wohl deutlich niedriger. Die Betreiber wissen immer noch nicht, wie es nach dem vorerst geplanten Ende des Lockdowns am 10. Januar weitergeht, ob sie womöglich den ganzen Winter über geschlosse­n bleiben. Statt Gewissheit wird vielmehr eine neuerliche Ungewisshe­it verbreitet. Bund und Länder deuten an, dass die Hilfen künftig nicht mehr in gleichem Umfang gewährt werden können. Das ist inhaltlich richtig, psychologi­sch aber fatal, solange es keine klare und verlässlic­he Regelung für das kommende Jahr gibt. So verlieren die Regierunge­n in Bund und Ländern schnell das Vertrauen der Bevölkerun­g und die Akzeptanz für ihre Entscheidu­ngen.

Eine gute wirtschaft­liche Entwicklun­g wird vor allem durch Zuversicht und Verlässlic­hkeit getragen. Es reicht nicht, immer tiefer in die Staatskass­e zu greifen, um die Krisenfolg­en abzufedern. Die Regierunge­n in Bund und Ländern müssen für mehr Verlässlic­hkeit und – wo immer es die Pandemie zulässt – Planbarkei­t sorgen. Heute so und morgen so – das ist beim besten Willen keine Strategie.

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