Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Verständlicher Zorn
Jetzt ist es raus. Die Novemberhilfen wird es erst im Januar geben. Die von einer Zwangsschließung betroffenen Betriebe müssen sich bis dahin mit kleinen Abschlagszahlungen begnügen. Grund ist die noch fehlende Software für die Bearbeitung Zehntausender Anträge. Allein diese Zahl lässt erahnen, wie viele Menschen durch Corona zumindest zwischenzeitlich in ihrer Existenz bedroht sind. Ohne Frage fordert die Pandemie den verantwortlichen Stellen und Ministerien viel ab. Doch als Entschuldigung für dieses Versagen taugt die Belastung nicht. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr gab es genügend Zeit für die Vorbereitung auf eine zweite oder auch eine dritte Welle der Pandemie. Diese Zeit wurde offenkundig nicht genutzt.
Der Zorn der Betroffenen ist verständlich, auch wenn sie am Ende doch noch recht großzügig vom Staat unterstützt werden. Restaurants, Theater und Hotels waren wohl nicht Hotspots der Pandemie. Sonst wären die Infektionszahlen inzwischen wohl deutlich niedriger. Die Betreiber wissen immer noch nicht, wie es nach dem vorerst geplanten Ende des Lockdowns am 10. Januar weitergeht, ob sie womöglich den ganzen Winter über geschlossen bleiben. Statt Gewissheit wird vielmehr eine neuerliche Ungewissheit verbreitet. Bund und Länder deuten an, dass die Hilfen künftig nicht mehr in gleichem Umfang gewährt werden können. Das ist inhaltlich richtig, psychologisch aber fatal, solange es keine klare und verlässliche Regelung für das kommende Jahr gibt. So verlieren die Regierungen in Bund und Ländern schnell das Vertrauen der Bevölkerung und die Akzeptanz für ihre Entscheidungen.
Eine gute wirtschaftliche Entwicklung wird vor allem durch Zuversicht und Verlässlichkeit getragen. Es reicht nicht, immer tiefer in die Staatskasse zu greifen, um die Krisenfolgen abzufedern. Die Regierungen in Bund und Ländern müssen für mehr Verlässlichkeit und – wo immer es die Pandemie zulässt – Planbarkeit sorgen. Heute so und morgen so – das ist beim besten Willen keine Strategie.