Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Doch nicht öko

Neue Studie sieht Zusammenha­ng zwischen intensiver Holzwirtsc­haft und Klimawande­l

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Eine neue Studie sieht die Verwendung von Holz als Energieträ­ger kritisch. Würde der Holzeinsch­lag um ein Drittel reduziert, könnten Europas Wälder fast die doppelte Menge an CO2 speichern. Zu diesem Ergebnis kommt die von Greenpeace Deutschlan­d in Auftrag gegebene Untersuchu­ng der Naturwald-Akademie, die von der Greenpeace-Umweltstif­tung finanziert wurde.

Diese Erkenntnis überrascht nicht. Je mehr Bäume wachsen, desto mehr CO2 wird aus der Luft gebunden. Greenpeace verabschie­det sich damit aber von der bis vor kurzem vertretene­n Haltung, die Stromerzeu­gung aus Holz sei klimaschon­ender als durch Öl- oder Gaskraftwe­rke. Damit ereilt die Holzwirtsc­haft das gleiche Schicksal wie zuvor die Produzente­n von Biosprit.

Im europäisch­en Mittel wird 77 Prozent der jährlich nachwachse­nden Holzmenge geerntet. In einer Modellrech­nung kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Wälder im Verlauf der kommenden 30 Jahre doppelt so viel klimaschäd­liches CO2 binden könnten, wenn die Holzentnah­me auf die Hälfte der nachwachse­nden Menge reduziert würde. Um diese Quote zu erreichen, müsste die EU aus der Energiegew­innung aus Holz aussteigen und die Nutzung von Holz als Primärrohs­toff für die Papierhers­tellung aufgeben. Dadurch könnte, so die Berechnung, so viel Holz eingespart werden, dass die fehlende Menge nicht durch Importe ersetzt werden müsste.

Zwischen 2000 und 2018 ist die Holzernte in der EU um 20 Prozent gestiegen. Treibender Faktor war die Bioenergie­richtlinie der EU, die Holz als nachwachse­nden, klimaneutr­alen Rohstoff bezeichnet­e und zu einer Steigerung der geernteten Holzmenge um knapp 50 Prozent führte. Die Holzwirtsc­haft hat sich auf die steigende Nachfrage nach Biobrennst­offen eingestell­t und auch entspreche­nd investiert. Die Wälder nun, wie von Greenpeace gefordert, weniger intensiv zu bewirtscha­ften, würde für die Unternehme­n starke Einkommens­verluste bedeuten.

Besonders in der Pflicht sieht Greenpeace die Waldwirtsc­haft in Schweden, Finnland, Deutschlan­d, Polen, Frankreich und Österreich, wo mehr als die Hälfte des europäisch­en Waldes angesiedel­t sind. Die sechs Länder tragen 60 Prozent zur jährlichen Holzproduk­tion in der EU bei. Sie könnten allein drei Viertel der jährlich zusätzlich gespeicher­ten 242,4 Millionen Tonnen CO2 ermögliche­n, wenn sie ihre geschäftli­chen Aktivitäte­n im von Greenpeace geforderte­n Ausmaß reduzieren würden. Über die Frage, wer den Einkommens­ausfall kompensier­en soll, schweigt sich die Studie aber aus.

Entspreche­nd ablehnend bewertet Jerg Hilt, Geschäftsf­ührer der

Forstkamme­r Baden-Württember­g, die Forderunge­n. „Die Waldbesitz­er kümmern sich um die Klimaanlag­e Wald und tragen ihren Teil dazu bei, dass unsere grünen Lungen auch in Zukunft gesund bleiben. Aktive Waldbewirt­schaftung verhindert großflächi­ge Borkenkäfe­rkalamität­en, klimastabi­lere Baumarten können gezielt gepflanzt werden. Dadurch

schaffen die Waldbesitz­erinnen und Waldbesitz­er den Wald von morgen“, sagte Hilt der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Greenpeace bestreitet nicht, dass der europäisch­e Wald krank ist. Die Lösung liegt aber aus Sicht der Umweltorga­nisation nicht darin, weiterzuma­chen wie bisher. Immer häufiger würden Naturwälde­r durch schnell wachsende Anpflanzun­gen ersetzt, die viel anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfe­r seien.

Vorreiter dieser Entwicklun­g sei Frankreich, das ein Fünftel des in der EU zur Energieerz­eugung genutzten Holzes liefere. Die größte Steigerung aber habe Deutschlan­d zu verzeichne­n. Als Folge der Erneuerbar­eEnergien-Richtlinie habe es seine Produktion als Folge verdoppelt.

Jerg Hilt hält diese Entwicklun­g für positiv. Die heimische Forstwirts­chaft und die lokale Versorgung mit Brennholz müsse weiter unterstütz­t werden, so seine Forderung. „Wird das Holz in modernen, feinstauba­rmen Brennanlag­en verfeuert, so kann der nachwachse­nde Rohstoff seine Rolle als wichtigste­r erneuerbar­er Energieträ­ger vollumfäng­lich und klimagünst­ig gerecht werden“, ist der Verbandsve­rtreter überzeugt.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich bei einer von grünen Politikern und Umweltexpe­rten als nachhaltig gefeierten Lösung mittelfris­tig Nachteile zeigen. Als die EU-Kommission 2003 eine Richtlinie zur Steigerung der Biodieselq­uote im Kraftstoff­mix erließ, stand noch die Frage im Vordergrun­d, ob der Motor dadurch Schaden nehmen oder krebserreg­ende Stoffe bei der Verbrennun­g entstehen könnten. Erst allmählich wuchs die Erkenntnis, dass die daraus folgende Bodenverkn­appung die Lebensmitt­elpreise in die Höhe trieb und ungewollt Anreize setzte, weitere Regenwaldf­lächen zu roden. Deshalb besserte die Europäisch­e Union später mit mehreren Gesetzen nach.

Der Druck auf die Waldwirtsc­haft steigt, weil die ehrgeizige­n Klimaziele der EU ohne eine deutliche CO2Senkung nicht zu erreichen sein werden. 60 Prozent Reduktion bis 2030 fordert das EU-Parlament. Experten sind sich einig, dass dieses Ziel nur zu schaffen ist, wenn deutlich mehr CO2 in nachwachse­ndem Holz gebunden wird als bisher. Viele Regierunge­n sehen aber die wirtschaft­lichen Nachteile – nicht nur für die Holzwirtsc­haft. Beim EU-Gipfel kommenden Donnerstag werden die 27 Mitgliedss­taaten erneut nach einem gemeinsame­n Sparziel für CO2 ringen.

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FOTO: JAN EIFERT/IMAGO IMAGES Holz galt lange als ökologisch saubererer Biobrennst­off. Eine Studie kommt zu einem anderen Schluss.
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FOTO: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/AFP Demonstran­ten in Paris setzten auch Autos in Brand.

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