Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wertvolle Liquidität aus dem Fass
Worauf Investoren achten müssen, wenn sie ihr Geld in Whisky anlegen
STUTTGART - Wenn schon Geldanlagen keine Prozente mehr einbringen, darf es wenigstens was Hochprozentiges für den Keller sein. Zumindest Scotch muss per Gesetz mindestens 40 Prozent bieten, keine Zinsen, aber Alkoholgehalt. Tatsächlich können internationale WhiskyRaritäten Wertzuwächse von 40 Prozent in zwölf Monaten (2019) bringen – und knapp 600 Prozent über die vergangenen zehn Jahre. Damit stellen Whiskys alle anderen Luxusanlagen wie Oldtimer, Kunst, Münzen oder Armbanduhren in den Schatten. Diese Zahlen der Londoner Beratungsgesellschaft Knight Frank beruhen auf Preisen, die bei Auktionen erzielt wurden. Der bisher teuerste Whisky der Welt, eine Flasche „The Macallan“von 1926, die 2018 bei Christie’s für 1,5 Millionen Dollar unter den Hammer kam, zeigt, dass solche Raritäten für das Gros der Whisky-Freunde unerschwinglich sind. Die Preise im Luxus-Segment dienen daher höchstens als Indikation für die Entwicklung des Gesamtmarkts.
Wie aber soll nun Otto Normalverbraucher vorgehen, wenn er sich Whisky als Geldanlage in den Keller legen will? Da es keine Whisky-Börse gibt, ist der Prozess der Preisbildung uneinheitlich und dezentral. Aber ein paar Kriterien gibt es schon, die beim Kauf des „flüssigen Goldes“unter Anlagegesichtspunkten zu beachten sind. So ziehen etablierte Sammler etwa nur Original-Abfüllungen in Betracht, also Editionen mit dem Originaletikett der Brennerei. „Bei diesen Whiskys gibt es die größte Nachfrage“, sagt Lars Altstadt, Geschäftsführer des Ulmer Händlers Whisky-Leaks.
Und das sorgt gewöhnlich für langfristig steigende Preise, die sich erst am Sekundärmarkt, zu dem der Handel gehört, herausbilden. Hier können Informationsseiten im Internet wie www.whisky-investments.de, www.de.bergfuerst.com oder aucg www.whiskyauction.com Orientierung bieten.
Da es bei Standardabfüllungen oft sehr große Mengen gibt, empfehlen Whisky-Experten, sich beim Sammeln auf limitierte Abfüllungen zu konzentrieren. Diese Whiskys sind durch das Etikett eindeutig identifizierbar und können im Handel auch kaum nachgekauft werden. „Da die Nachfrage mittlerweile so groß ist, sind inzwischen nahezu alle Lieferungen ohnehin limitiert“, sagt Altstadt, der darauf hinweist, dass der Run auf Whisky ein weltweiter geworden ist. Hinzu kommen weitere Limitierungen durch Brennereien, von denen viele immer wieder aus einem einzelnen Fass, einem „Single Cask“, ein paar Hundert Flaschen abfüllen, bei denen die Nachfrage nicht selten bis zu 15-mal so hoch ist wie das Angebot. Klar, dann steigen auch die Preise, die nach zehn Jahren selbst im mittleren Preissegment gerne auch mal um das Doppelte oder Dreifache des Einkaufswerts klettern können. So liegt ein zwölf Jahre gereifter Yamazaki aus Japan, der vor zehn Jahren noch 40 bis 50 Euro gekostet hat, heute bei mehr als 100 Euro. Auch die jährlich abgefüllte private Edition von Glenmorangie mit immerhin bis zu 70 000 Flaschen kostet ab Distillerie zunächst um die 85 Euro, während ältere Jahrgänge rasch auf mehrere 100 Euro für eine Flasche angezogen sind. „Bei limitierten Abfüllungen kann man sicher von Preissteigerungen ausgehen“, legt sich Altstadt fest. Spätestens wenn ein Trend erst mal erkennbar ist, macht es für viele Sammler Sinn, limitierten Flaschen hinterherzujagen – sofern man sie überhaupt noch erhält. Wie Weihnachten und Ostern zusammen ist es, wenn ein Sammler die Flasche einer Abfüllung erhaschen kann, die mehrere Jahrzehnte in einem einzigen Fass gereift ist. Dann können durchaus Preise von 2000 Euro pro Flasche aufgerufen werden.
Es sind wenige große Konzerne wie Diageo, Beam-Suntory oder Pernod-Ricard, die zusammen 70 Prozent der schottischen Distilleries beherrschen und die Kontingente an Händler zuteilen, die sich nach den bisherigen Absatzzahlen richten. Was nicht selten zu einem Hauen und Stechen um die begehrten Abfüllungen führt, wie ein Insider sagt. Für private Sammler kommt es daher darauf an, gute Kontakte zu den Händlern zu pflegen, die häufig Clubs für Stammkunden führen. Der Weiterverkauf erfolgt vielfach über Ebay, Online-Auktionen oder Händler in Kommission. Sollte sich am Ende die erwartete Preissteigerung doch nicht einstellen, wählt man am besten die naheliegendste Variante: Man öffnet die Flasche und genießt ihren Inhalt.