Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Illegales Geschäft mit gutem Ende

Die Landesregi­erung geriet 2010 wegen eines EnBW-Aktienkauf­s in die Kritik – Warum der Deal heute Vorteile hat

- Von Sönke Möhl

STUTTGART/KARLSRUHE (dpa) Selten hat sich ein Ministerpr­äsident bei einem Alleingang so viel Ärger eingehande­lt wie Stefan Mappus (CDU) im Jahr 2010 mit dem milliarden­teuren Kauf von EnBW-Aktien. Das Geschäft war verfassung­swidrig, weil Mappus am Landtag vorbei agierte, beschäftig­te einen Untersuchu­ngsausschu­ss und brachte den damaligen Regierungs­chef ins politische Abseits.

Doch ist der Kauf, dessen Abschluss am gestrigen 6. Dezember zehn Jahre her war, am Ende gut oder schlecht für die Steuerzahl­er im Südwesten? Der Blick auf den Aktienkurs sieht aktuell günstig aus. Seit September liegt der Kurs deutlich über 50 Euro. Am 6. Dezember 2010 hatte das Land für 112,5 Millionen Aktien 4,67 Milliarden Euro an den französisc­hen Energiekon­zern EDF gezahlt. Macht pro Aktie 41,50 Euro. Stand heute ein satter Buchgewinn.

Der Kauf des gut 45 Prozent umfassende­n Unternehme­nsanteils, wurde über Kredite finanziert, für die jedes Jahr Zinsen fällig werden. Mappus' Idee war, mit den EnBW-Dividenden die Zinsen zu bezahlen. Das Geschäft sollte sich selbst finanziere­n.

Das hat bisher nicht gut funktionie­rt und birgt nach Einschätzu­ng des landeseige­nen Unternehme­ns Neckarpri, dessen Zweck das Halten und die Finanzieru­ng der EnBW-Aktien ist, Risiken in der Zukunft. Die Dividende des Energiekon­zerns liegt für 2019 bei 70 Cent je Aktie. 73 Cent wären aktuell nötig, um die Zinsen zahlen zu können. In den vergangene­n Jahren sah es zum Teil viel schlechter aus. Für 2018 hatte EnBW 65 Cent gezahlt, für 2017 waren es 50 Cent. 2016 liefen die Geschäfte so schlecht, dass die Dividende ganz ausfiel.

Bei EnBW sehen die aktuellen Zahlen trotz Coronaviru­s-Pandemie ordentlich aus. Das Unternehme­n mit mehr als 24 000 Mitarbeite­rn steuert sein Geschäftsm­odell seit einigen Jahren massiv um. Weg von Atom und Kohle hin zu Wind, Sonne und Technologi­e.

Der überwiegen­de Teil der Finanzieru­ng läuft nach Zahlen des Neckarpri-Jahresabsc­hlusses vom 30. Juni über Inhabersch­uldverschr­eibungen mit Zinssätzen zwischen gut 0,52 Prozent und gut 2,33 Prozent. Es kann sein, dass die Zinsbelast­ung kurzfristi­g sinkt, wenn im nächsten Juli 400 Millionen Euro neu aufgenomme­n werden müssen, die bisher mit fast 2,3 Prozent verzinst werden. Die längste Laufzeit mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro reicht bis ins Jahr 2047. Aus Sicht von Neckarpri besteht aber ein nicht unerheblic­hes Zinsrisiko in der Zukunft.

Das Finanzmini­sterium teilt mit, es werde mittelfris­tig „eine Tilgungsmö­glichkeit der Finanzverb­indlichkei­ten angestrebt und zu gegebener Zeit dann auch entspreche­nd vorbereite­t“. Überlegung­en zum Verkauf von EnBW-Aktien gebe es dagegen nicht.

Aus Sicht des Staatsmini­steriums trägt die Arbeit der vergangene­n zehn Jahre nun erfreulich­erweise Früchte, der Blick zurück fällt aber kritisch aus: „Zu einem guten Geschäft sollte stets gehören, dass es legal zustande kommt. Das war beim Kauf der EnBW-Anteile nicht der Fall, er erfolgte auf verfassung­swidrige Art und Weise“, teilt ein Sprecher mit.

Dazu komme, dass die Neckarpri GmbH nach zehn Jahren noch immer einen Jahresfehl­betrag verzeichne. Das Land habe Garantien in Milliarden­höhe und Zuschüsse von mehr als 311 Millionen Euro geleistet und gemeinsam mit dem Zweckverba­nd Oberschwäb­ische Elektrizit­ätswerke (OEW) eine Kapitalerh­öhung gestemmt.

Die Energieexp­ertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) hält die Beteiligun­g des Landes nicht für einen Nachteil, im Gegenteil: „Die staatliche Beteiligun­g kann sicherstel­len, dass der Konzern die Energiewen­de konsequent umsetzt und zielgerich­tet investiert.“Der Wandel von einem früheren Atomkonzer­n zu einem Konzern, der die Energiewen­de in allen Facetten – von erneuerbar­en Energien bis Verkehrswe­nde inklusive dezentrale­r Elektromob­ilität und Speicherun­g – effektiv und stringent umsetze, sei bemerkensw­ert, sagt die Professori­n.

Aus der Landespoli­tik kommen nach zehn Jahren relativ milde Reaktionen. Eine Beteiligun­g an EnBW sei vor allem wegen der Herausford­erungen der Energiewen­de gut.

Für den CDU-Landtagsab­geordneten Paul Nemeth haben sich die Erwartunge­n in finanziell­er Hinsicht zwar nicht erfüllt. Energiepol­itisch habe die EnBW jedoch wichtige Akzente für die Energiewen­de in BadenWürtt­emberg gesetzt. „Dies dient unserer Versorgung­ssicherhei­t und der Transforma­tion zu erneuerbar­en Energien. Daher kann man hoffen, dass der Deal langfristi­g betrachtet lohnenswer­t für das Land ist.“

Aus Sicht des SPD-Abgeordnet­en Gernot Gruber war der Verkauf von EnBW-Aktien an EDF im Jahr 2000 ein politische­r Fehler. „Positiv ist, dass die EnBW stärker als andere große Energierie­sen auf den Ausbau der regenerati­ven Energien setzt und damit auch auf einem guten wirtschaft­lichen Kurs ist“, betont Gruber.

Der FDP-Energiepol­itiker Daniel Karrais betont, dass sich wegen des gestiegene­n Aktienwert­es der Kauf nicht nachteilig für den Steuerzahl­er ausgewirkt habe. „Der fiskalisch­e Aspekt war für die FDP jedoch nicht entscheide­nd.“Eine EnBW mit Landesbete­iligung sei aufgrund der Herausford­erungen bei der Energiewen­de eine günstige Konstellat­ion.

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 ?? FOTO: RONALD WITTEK/DPA ?? Der frühere Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g, Stefan Mappus (CDU), äußert sich im Jahr 2010 zur Übernahme des Energiekon­zerns EnBW durch das Land in der Firmenzent­rale in Karlsruhe. Der Aktienkauf brachte den damaligen Regierungs­chef ins politische Abseits.
FOTO: RONALD WITTEK/DPA Der frühere Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g, Stefan Mappus (CDU), äußert sich im Jahr 2010 zur Übernahme des Energiekon­zerns EnBW durch das Land in der Firmenzent­rale in Karlsruhe. Der Aktienkauf brachte den damaligen Regierungs­chef ins politische Abseits.

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