Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Lieferdienst: Teuer, aber die einzige Einnahmequelle
Viele Restaurants wollen so ihre Krisenfolgen abfedern – Doch Einstieg ist ohne Branchenriese kaum möglich
RAVENSBURG - So manches Restaurant in der Region Ravensburg versucht in der Corona-Krise mit der Lieferung seiner Gerichte Geld zu verdienen. Doch der Einstieg in den Lieferservice ist technisch aufwendig. Wer schnell starten möchte, kommt um einen gewissen Branchenriesen kaum herum – und zahlt dafür. Verdient ist dabei fast nichts mehr, sagen einzelne Gastronomen.
Wer sich Essen liefern lassen möchte, bestellt entweder direkt bei seinem Lieblingslokal – oder sucht im Netz nach Möglichkeiten. Einer der ersten Treffer in der Suchmaschine garantiert: Lieferando. Die Plattform listet mehr als ein Dutzend Restaurants und Imbisse in und um Ravensburg. Dafür lässt sie sich bezahlen, die Provision liegt nach Angaben eines Ravensburger Gastronomen bei 13 Prozent des Umsatzes. Inklusive Fahrdienst würde die Provision 30 Prozent betragen, wie aus einem Bericht der „Süddeutsche Zeitung“hervorgeht. Doch LieferandoFahrer wie in Großstädten gibt es in Ravensburg nicht, jeder Gastronom muss sein Essen selbst ausfahren.
Der große Vorteil der Plattform ist nach Ansicht der Teilnehmer, dass sie im Netz gefunden werden. „Die verlangen Provision, machen aber auch Werbung für uns“, sagt der Betreiber des India-House in der Grüne-Turm-Straße, Nabeel Sahi, über Lieferando. Auf seiner eigenen Internetseite erreichten ihn so wenige Bestellungen, dass er ohne Lieferando gar nicht arbeiten könnte, sagt Sahi. Er liefert in der Krise an einem Mittwoch etwa 15 Gerichte aus, im Restaurant hätte er 80 oder 90 verkauft. „Der Lieferdienst bringt was ein, aber nicht so viel, dass man alles zahlen kann“, sagt Sahi, der den Monatsersten wegen der eintrudelnden Rechnungen schon fürchtet.
Auch das Colours in der Bachstraße arbeitet mit Lieferando zusammen. „Das Gute an Lieferando: Man wird gefunden vom ersten Tag an“, sagt auch Geschäftsführer Kai Ayari. Aber mit dem Kundenservice der Plattform ist er nicht zufrieden, außerdem würden Bestellungen nicht immer zuverlässig übertragen. Vor diesem Hintergrund findet er die Provision zu hoch, die verlangt wird. Trotzdem nutzt er den Service. Die Ausgaben dafür sieht er als Investition an, um neue Kunden zu erreichen, die er dann aber auf andere Bestellkanäle umleiten will. Das Colours nimmt zum Beispiel auch über Messengerdienste und Soziale Medien Bestellungen an und muss dort keine Provision bezahlen.
„Ich bin froh, dass ich da affin bin“, sagt Ayari. Er berät inzwischen auch Gastronomen-Kollegen, wie sie im Internet Kunden gewinnen und eine Struktur für Bestellungen aufbauen können. Ayari ist überzeugt, dass er damit – übrigens schon vor Corona – aufs richtige Pferd gesetzt hat. „Es gibt immer mehr Singlehaushalte, immer mehr Leute, die es bequem haben wollen“, sagt er. In vielen anderen Ländern sei das Bestellen im Restaurant per Klick schon viel üblicher als in Deutschland. „Durch die Krise ist der Wandel jetzt auch hier angekommen“, so Ayari, der von einem über die Corona-Zeit hinaus anhaltenden Trend ausgeht.
Auch der Inhaber von „Rigg’s Burger“in der Südstadt, Thomas Kötzer, lieferte schon vor der Corona-Krise Essen aus. „Man muss gut rechnen, sonst zahlt man drauf“, sagt er über diesen Geschäftszweig. Schließlich seien Fahrzeuge, Versicherungen und die Fahrer zu bezahlen.
Um selbst die Abwicklung der Bestellungen sicher zu gewährleisten, brauche es einen Server und zeitlichen Vorlauf, um die Technik auf den Weg zu bringen. Nicht zuletzt komme man derzeit nicht mehr an Liefertaschen. So groß sei die Nachfrage. Er hat all das und kann sich mit dem Lieferdienst, der aber viel weniger einbringt als der reguläre Restaurantbetrieb, über Wasser halten, wie er sagt.
Wer jetzt überhastet ins Liefergeschäft einzusteigen versuche, den könne ein Boomerang treffen, so Kötzer. Er verstehe jeden, der seinen Betrieb lieber vorübergehend schließt, als für den Aufbau des Lieferservices Geld zu investieren. Und wer mit einem Dienstleister wie Lieferando zusammenarbeite, verliere oft gerade die Marge, mit der noch Geld zu verdienen wäre, meint Kötzer.
Lieferservice, nein danke – das ist derzeit die Einstellung von Ulrich Schmalz, Geschäftsführer des Gasthofs Engel am Marienplatz. Er sagt angesichts von Mitarbeiter- und Fahrzeugkosten bei Auslieferungen: „Ich habe keine Ahnung, wie Kollegen das rechnen, ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirtschaftlich ist.“Nur im Zusammenschluss könnte er sich einen Lieferservice vorstellen – nicht zu groß, nur auf lokaler Ebene. Weil das bisher nicht mehr als eine Idee ist, lässt er die Küche zur Zeit zu.