Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Reicht ein Impfzentrum im Kreis Ravensburg?
Wangens OB bezweifelt das auch wegen der weiten Wege – Das Land sieht die Lage optimistischer
WANGEN/KREIS RAVENSBURG Seit Mitte vergangener Woche ist klar: Ab dem 15. Januar gibt es im Landkreis Ravensburg ein Impfzentrum zur Bekämpfung der CoronaPandemie – und zwar in der Ravensburger Oberschwabenhalle. Doch weil das Kreisgebiet das zweitgrößte im Land ist und die Wege lang sind, keimen erste Zweifel auf, ob das genügt. Das Sozialministerium entwarnt allerdings – und nennt erste Details, wie die Impfungen konkret ablaufen könnten.
Der Vergleich ist einfach und wirft Fragen auf: Der Landkreis Ravensburg hat rund 285 000 Einwohner und bekommt ein Impfzentrum. Im bayerischen Nachbarlandkreis Lindau leben dagegen nur etwa 85 000 Menschen. Die Kreisverwaltung dort will aber zwei Zentren einrichten, wahrscheinlich eines in Lindau und vermutlich ein weiteres in Lindenberg. Nicht nur deshalb stellt sich die Frage, ob die Kapazitäten der Oberschwabenhalle ausreichend sind – zumal die Wege im flächenmäßig fünfmal größeren Kreis Ravensburg deutlich weiter sind.
Wangens Oberbürgermeister Michael Lang hat diese Zweifel und befürchtet: „Das ist wenig, wenn man möchte, dass die Menschen möglichst schnell zum Impfen gehen.“Angesichts einer derzeit hohen Anzahl an Skeptikern – laut Sozialministerium sind derzeit lediglich 50 bis 70 Prozent der Menschen bereit, sich auf das Corona-Virus impfen zu lassen – müssten die Hürden zu den Zentren so niedrig wie möglich sein. Dazu zählt er unter anderem kurze Wege – gerade mit Blick auf den bevorstehenden Winter und besonders gefährdete Senioren, die nicht allesamt Auto fahren. So kann eine Autofahrt von Leutkirch nach Ravensburg gut und gerne eine Dreiviertelstunde dauern, bei Schnee und Glätte auch deutlich länger.
Vor diesem Hintergrund hatte der Rathauschef vor der Festlegung der Standorte durch das Sozialministerium die Alte Sporthalle in Wangen als Standort für ein zweites Kreisimpfzentrum ins Gespräch gebracht. Das Angebot gelte nach wie vor, sagt Lang, unterstreicht zugleich aber: „Ich will mich da nicht vordrängen.“Leutkirch oder Kißlegg seien als Standort ebenso gut geeignet.
Daraus wird zunächst aber nichts, weder in Wangen, noch in Leutkirch oder Kißlegg. Denn das Sozialministerium stellte auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“am Freitag klar: Derzeit habe das Kabinett die Mittel für jeweils ein Impfzentrum pro Kreis genehmigt, nur in den sechs bevölkerungsreichsten Städten und Kreisen sind es zwei. Allein die kosten nach Angaben eines Sprechers einen dreistelligen Millionenbetrag. Und: „Die Einrichtung der 50 Zentren ist eh schon eine logistische Mammutaufgabe.“
Die Grenzen der Leistungsfähigkeit sieht auch Wangens OB. Deshalb wünscht er sich eine länderübergreifende Zusammenarbeit. „Darüber sollten die Länder ganz schnell reden“, so Lang. Denn Lindau liegt näher an Wangen als Ravensburg und ist von der Allgäustadt aus auch mit dem Zug erreichbar.
Diese Kooperation ist momentan aber ebenfalls kein Thema. Beim Impfen gelte grundsätzlich das Wohnortprinzip, so das Ministerium – und von dem könne nach Stand der Dinge nur innerhalb eines Bundeslandes abgewichen werden. Der Sprecher sagt beispielhaft, dass ein Bürger aus Bad Waldsee auch das Impfzentrum des Landkreises Biberach ansteuern könnte. Nicht aber der Wangener das Lindauer. Gleichwohl gibt es eine Ausnahme: Bei Klinikund Pflegepersonal greife das Prinzip nicht. Dieses soll die Impfungen durch zusätzliche mobile Zentren am Arbeitsplatz erhalten.
Überhaupt schätzt der Sprecher die Situation aus mehreren Gründen anders ein als Wangens OB. Zunächst glaubt er nicht an einen großen Ansturm auf die Impfzentren gleich Mitte Januar. Zum Einen, weil noch völlig offen sei, welcher und wie viel Impfstoff bis dahin vorhanden ist. Zum Anderen, weil das Land eben mit zunächst zahlreichen zurückhaltenden Menschen rechnet. Und zum Dritten, da nur nach Terminvergabe geimpft werden soll.
Die soll telefonisch oder per App möglich sein. Vor Ort, also in der Oberschwabenhalle, sollen die Bürger dann per Video über das Thema informiert werden, dem ein persönliches Vier-Augen-Gespräch mit einem Mediziner folgen könnte, ehe die eigentliche Impfung ansteht. Nach Angaben des Sprechers werden die Menschen dann gebeten, anschließend noch 15 bis 30 Minuten zur Beobachtung durch Fachpersonal vor Ort zu bleiben, „falls Akutes auftreten sollte“.
Ungeachtet der derzeit positiven Einschätzung des Ministeriums zur Erreichbarkeit der Impfzentren und zum voraussichtlichen Ablauf, bleibt aber ein Hintertürchen offen für die mögliche Einrichtung weiterer Standorte: „Sollte sich herausstellen, dass die Zahl nicht ausreicht, kann gegebenenfalls nachgesteuert werden“, so der Sprecher. Offen bleibt zunächst, ob dies nötig sein wird. Das Ministerium glaubt das auch aus einem weiteren Grund nicht: Denn über kurz oder lang sollen die niedergelassenen Ärzte die Impfungen übernehmen. Spätestens dann wäre die Wohnortnähe also gegeben.