Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der sanfte Weg bringt nichts
Dass sich der bayerische Ministerpräsident mit seinem erneuten Corona-Alleingang nicht nur Freunde macht, war erwartbar. Markus Söder haftet seit Jahren der Ruf an, keine Gelegenheit auszulassen, um sich gut in Szene zu setzen. Doch die Pandemie lässt auch den CSU-Chef weniger großspurig auftreten. Wenn er jetzt Entschiedenheit zeigt, geht es ihm in erster Linie um die Sache. Deshalb gibt es an seinem Vorpreschen bei der Virus-Bekämpfung nichts zu mäkeln – zumal ihm die Zahlen recht geben. Es wäre doch geradezu fahrlässig, wenn er ruhigen Blutes zuschauen würde, wie sich in Passau oder im Landkreis Regen das Coronavirus weiter ausbreitet, weil die bisherigen Einschränkungen nicht greifen. Rund 19 000 Corona-Tote weist das Robert-Koch-Institut (RKI) inzwischen bundesweit aus, kein anderes Land hat so viele Tote wie Bayern.
Die Kritik an der Politik sollte folglich nicht auf Söder zielen, sondern auf diejenigen, die härtere Corona-Einschränkungen fürchten wie der Teufel das Weihwasser und auf bundesweit einheitliche Regelungen pochen, auch wenn sie der Ausbreitung des Virus nicht angemessen sind. Seit Wochen pfeifen es die Spatzen von den Dächern, und zwar nicht nur beim RKI, dass die Anfang November verordneten Regelungen nicht die von Kanzlerin Merkel geforderte „Trendumkehr“brachten. Selbst epidemiologischen Laien und freiheitsliebenden Bürgern wurde klar, dass der softe Lockdown nur dazu geeignet ist, die Verordnungen in eine stetige Verlängerung zu führen. Das hat einen Teil der Menschen nicht nur coronamüde, sondern auch verantwortungslos gemacht.
Söder hat etwas verstanden, womit sich andere Ministerpräsidenten noch schwertun: Wenn sie weiterhin an ihren soften, aber wirkungslosen Regelungen festhalten, ist das nicht nur eine Gefahr für die Gesundheit der Bürger, sondern es schürt auch den politischen Verdruss. Die Menschen haben schon längst begriffen, dass das Coronavirus weder Familienfeiern noch Ferienpläne respektiert – und nicht einmal an Weihnachten Urlaub macht.