Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vorweihnac­htliches Corona-Treffen

Beratungen der Länder mit Merkel noch in der Adventszei­t werden wahrschein­licher – Warum Söders Sonderweg nicht für alle taugt

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Warum verschärfe­n manche Bundesländ­er die gerade erst verabredet­en Regeln?

Weil die seit November geltenden Beschränku­ngen – unter anderem mit der Schließung von Hotels und Gaststätte­n – vielerorts nicht den erhofften Erfolg gebracht haben. Nun wächst bei manchen die Sorge, dass die für Weihnachte­n und Silvester verabredet­en Lockerunge­n die Probleme verschärfe­n könnten.

Wer plant Sonderrege­ln? Bayerns Ministerpr­äsident Söder will Wechselunt­erricht in der Schule, ein Alkoholver­bot unter freiem Himmel und den Verzicht auf Feiern an Silvester. Der Landtag muss noch zustimmen, wegen der Stimmmehrh­eit von CSU und Freien Wählern ist die Zustimmung allerdings sicher. Söders Amtskolleg­e in Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), plant ebenfalls weitere Beschränku­ngen. Hintergrun­d: In den beiden Bundesländ­ern sind die Infizierte­nzahlen besonders hoch.

Taugt Söders Modell für ganz Deutschlan­d?

Nein, weil beispielsw­eise SchleswigH­olstein und Mecklenbur­g-Vorpommern bisher weitaus besser durch die Krise gekommen sind und dort eher über weitere Lockerunge­n nachgedach­t wird. Aber der Deutsche Städtetag fordert strengere Regeln zumindest für Corona-Hotspots, in denen sich in den vergangene­n sieben Tagen mehr als 200 Personen pro 100 000 Einwohner angesteckt haben. „Dann ist es dringend geboten, noch einmal für einige Wochen einen stärkeren Lockdown zu machen“, sagt Verbandspr­äsident Burkhard Jung (SPD).

Kommt bundesweit der Wechsel von Präsenz- und Fernunterr­icht an den Schulen? Baden-Württember­g will auch künftig beim Präsenzunt­erricht bleiben. Auch in sogenannte­n Corona-Hotspots soll es „keinen Automatism­us“ beim Wechselunt­erricht geben, teilte eine Sprecherin des Kultusmini­steriums mit. Entscheide­nd sei, ob das Infektions­geschehen den Schulbetri­eb tatsächlic­h beeinträch­tige. Dies sei auch so mit dem Sozialmini­sterium abgestimmt worden. Beim Wechselunt­erricht wird ein Teil der Schüler vor Ort unterricht­et, der andere Teil arbeitet selbststän­dig zu Hause Aufgaben durch.

Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) hatte sich zuvor im SWR für Wechsel- oder Fernunterr­icht für ältere Schüler ausgesproc­hen und von Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) einen Kurswechse­l gefordert. Dazu sagte die Sprecherin des Ministeriu­ms: „Es ist verwunderl­ich, dass das Sozialmini­sterium Regelungen mit uns abstimmt und festlegt und der Sozialmini­ster nur wenige Stunden später Maßnahmen fordert, die den Regelungen darin widersprec­hen. Da sind Ärger und Verwirrung­en bei den Betroffene­n vor Ort und den Schulen vorprogram­miert.“Das Sozialmini­sterium teilte dagegen mit, man gehe „von konstrukti­ven Gesprächen“beider Ministerie­n aus.

Kneipen und Restaurant­s sind geschlosse­n, aber der Glühweinve­rkauf

geht weiter. Wie gefährlich ist das?

Zwar werden die Getränke an der frischen Luft genossen, was die Ansteckung­sgefahr klein hält. Aber wenn sich – wie geschehen – 100 oder 200 Menschen um einen Stand drängen, können die nötigen Abstände nicht mehr eingehalte­n werden, um Infektione­n zu vermeiden.

Was sagt der Einzelhand­el in Baden-Württember­g zu den CoronaBesc­hränkungen, die nun noch mal verschärft werden könnten?

Nach Angaben des Handelsver­bands Baden-Württember­g (HBW) drohen sehr viele Insolvenze­n oder stille Betriebssc­hließungen. „Monate mit einem Minusumsat­z von zehn Prozent und viel mehr überstehen die Geschäfte nicht“, teilte eine Sprecherin des HBW mit. Die Reserven seien längst aufgebrauc­ht. Dies treffe vor allem den Textilhand­el, der sehr investitio­nsintensiv sei und keine drei umsatzschw­achen Quartale in Folge überstehen könne. „Daher werden, wenn wir keine schnellen, finanziell­e Hilfen bekommen, bald im Handel und in den Innenstädt­en die Lichter ausgehen“, so die HBW-Sprecherin. Wenig zuversicht­lich blickt der Verband auch auf das Vorweihnac­htsgeschäf­t. Die Kundenstim­mung habe sich noch mehr eingetrübt, zudem könnten keine langen Verkaufsnä­chte angeboten werden. Im Textilhand­el steckten selbst bislang kerngesund­e Geschäfte mittlerwei­le in Existenznö­ten.

Wenn Länder jetzt eigene Wege gehen, heißt das, dass der MiniLockdo­wn gescheiter­t ist?

Ziel des Mini-Lockdowns war es, die Zahl der durch Corona-Patienten belegten Intensivbe­tten möglichst gering zu halten. Dies ist in einigen Landkreise­n gelungen, in vielen aber auch nicht. In Berlin und Hessen sind von allen Bundesländ­ern die wenigsten Intensivbe­tten frei, wohingegen es in Schleswig-Holstein noch vergleichs­weise viele freie Betten gibt. Besonders bedrohlich ist die Situation in einigen Kreisen in Sachsen und Bayern. Im Erzgebirgs­kreis sind von 77 Intensivbe­tten nur noch drei frei. Im bayerische­n Freising sind alle 14 Betten belegt, ebenso in Landshut.

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FOTO: ODD ANDERSEN/AFP/POOL/DPA Im November haben Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Länderchef­s zuletzt über Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie beraten. Angesichts der hohen Corona-Zahlen rückt ein weiterer Krisengipf­el von Bund und Ländern näher.

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