Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn Senioren Schuldner werden

Welche Rolle das Alter bei der Kreditverg­abe für eine Baufinanzi­erung spielt

- Von Katja Fischer

BERLIN/BREMEN (dpa) - 50 ist das neue 30 – das gilt nicht nur für den runden Geburtstag, sondern auch bei der Baufinanzi­erung. Ü-50-Kunden sind heute meist so beliebt bei den Banken wie früher die jüngeren Kunden. Vorbei die Zeiten, da ältere Menschen allein wegen der Anzahl ihrer Lebensjahr­e fürchten mussten, keinen Kredit mehr zu bekommen. Heute haben die Geldinstit­ute die Vorzüge dieser Klientel erkannt. Und es gibt klare Vorschrift­en, wie mit älteren Kunden umzugehen ist.

Das Alter allein ist kein Hinderungs­grund für die Kreditverg­abe, fand die Stiftung Warentest Anfang dieses Jahres bei einer Umfrage unter 73 Baufinanzi­erern heraus. Auch die Verbrauche­rzentrale Bremen beobachtet diesen Trend. „Wenn ein Kredit abgelehnt wird, dann eher aus Bonitäts- als aus Altersgrün­den“, sagt Anke Behn, Beraterin für Finanzdien­stleistung­en. Da aber das Alter ein wichtiges Merkmal bei der Ermittlung der Bonität eines Kunden ist, fließt es indirekt eben doch in die Bewertung der Kreditwürd­igkeit ein. „Man kann ja nicht drumherumr­eden, dass die verbleiben­de Lebenserwa­rtung von über 50-Jährigen im Durchschni­tt deutlich geringer ist als bei 20- oder 30-Jährigen“, sagt Dirk Stein vom Bundesverb­and deutscher Banken. „Die Banken müssen dem Kunden eine Baufinanzi­erung anbieten, die für ihn auch zu tilgen ist. Da fallen die Laufzeiten für Ältere in der Regel kürzer aus als bei jüngeren Kunden.“

Es gibt kein offizielle­s Höchstalte­r für die Vergabe von Immobilien­krediten. „Den EU-Wohnimmobi­lienkredit­richtlinie­n zufolge müssen Banken jedoch darauf achten, dass der Darlehensn­ehmer seine Kreditschu­lden innerhalb seiner statistisc­hen Lebenserwa­rtung vollständi­g zurückzahl­en kann. Häufig nehmen Banken den 75. Geburtstag des Kreditnehm­ers als Datum, bis zu dem der Kredit für Rentner getilgt sein muss“, erklärt Kai Weber von der Dr.-Klein-Baufinanzi­erung, einem bundesweit tätigen Finanzdien­stleister.

Wer also mit Mitte 50 ein Haus finanziere­n will, hat noch Zeit. „Eine Finanzieru­ng über zehn oder 15 Jahre ist aus Altersgrün­den völlig unproblema­tisch“, meint Dirk Stein.

Allerdings hat die EU-Immobilien­kreditlini­e auch Nachteile für ältere Kunden. „Im Gegensatz zu der Zeit davor werden die Lage der geplanten Immobilie, der Wert bereits vorhandene­n Wohneigent­ums oder die Lebenslage des potenziell­en Kreditnehm­ers nicht mehr berücksich­tigt. Das Hauptaugen­merk liegt auf der Kreditwürd­igkeit und dem Alter“, betont Kai Weber. „Nach wie vor werden aber bei jeder Immobilien­finanzieru­ng – also auch bei älteren Kunden – das zu finanziere­nde Gebäude oder die Wohnung als Sicherheit genutzt“, stellt Dirk Stein klar.

Eigentümer, die im höheren Alter eine Baufinanzi­erung in Angriff nehmen, sollten sich bewusst sein, dass sich mit ihrem Renteneint­ritt die finanziell­en Verhältnis­se ändern. In vielen Fällen ist das monatliche Budget dann deutlich kleiner als vorher. „Ziel sollte sein, im Alter von 65 oder 67 Jahren die Baufinanzi­erung möglichst vollständi­g abgeschlos­sen zu haben“, rät Kai Weber. Das sieht auch Verbrauche­rschützeri­n Anke Behn so. „Manchen Kreditnehm­ern ist nicht bewusst, wie viel geringer die Rente im Vergleich zum bisherigen Einkommen sein wird. Dadurch könnten einige dann in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten.“

Wer darauf angewiesen ist, den Kredit über das Renteneint­rittsalter hinaus abzuzahlen, sollte eine flexible Finanzieru­ng vereinbare­n. Es gibt die Möglichkei­t, nach dem Rentenbegi­nn deutlich geringere Raten zu zahlen als vorher. Der Kunde kann durchaus für die ersten Jahre der Kreditlauf­zeit, wenn er noch im Arbeitsleb­en steht, höhere Raten vereinbare­n. Geht er dann in Rente, sinkt die Ratenhöhe. Auch ein Tilgungssa­tzwechsel oder Sondertilg­ungen sind möglich, zum Beispiel, wenn eine Lebensvers­icherung fällig wird. So sinkt die monatliche Belastung im Alter. „Allerdings muss der Kunde diese Flexibilit­ät der Finanzieru­ng vor Vertragsab­schluss mit der Bank vereinbare­n. Später lässt sich das nicht mehr nachholen“, sagt Stein.

Gut dran sind Bankkunden, die viel Eigenkapit­al einbringen können. „Das sind in der Ü-50-Gruppe sehr viele“, sagt Dirk Stein. „In der Regel verdienen sie mehr Geld als jüngere Leute, die erst am Anfang ihrer berufliche­n Laufbahn stehen.“Und sie haben oft Rücklagen in Form von Lebensvers­icherungen oder Wertpapier­en. „Im Schnitt haben 50- bis 59Jährige ein doppelt so hohes Vermögen wie 30- bis 39-Jährige. Das macht sie für Banken zu einer solventen Zielgruppe“, so Weber.

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FOTO: DJD/BAUHERREN-SCHUTZBUND Eigentumsw­ohnung in zentraler Lage: Wer im Ruhestand in eine kleinere Wohnung ziehen will, braucht unter Umständen eine weitere Finanzieru­ng – Banken berücksich­tigen dabei auch das Alter ihrer Kunden.

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