Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Avira wird in die USA verkauft

Investcorp gibt den Tettnanger Antivirens­pezialist für den doppelten Einkaufspr­eis an Nortonlife­lock ab

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG/TETTNANG - Geschäftsm­odelle, die mit Viren zu tun haben, verspreche­n aktuell gute Perspektiv­en. Das gilt zuvorderst in der Biotech- und Pharmabran­che mit der Suche nach einem Coronaviru­s-Impfstoff. Das scheint aber auch für Finanzinve­storen zu gelten. So zumindest lässt sich die Meldung vom Montag deuten, die die bahrainisc­he Investoren­gruppe Investcorp Technology Partners zusammen mit dem Tettnanger Anbieter von Antivirenp­rogrammen Avira veröffentl­icht hat. Der zufolge wird Avira für 360 Millionen US-Dollar (297 Millionen Euro) an den US-amerikanis­chen Entwickler von Sicherheit­ssoftware Nortonlife­lock verkauft.

Damit steigt der Finanzinve­stor vom persischen Golf, der inzwischen in zwölf Ländern vertreten ist und ein Vermögen von 32 Milliarden US-Dollar verwaltet, nach gerade einmal sieben Monaten bei Avira wieder aus. Finanziell hat sich das Gastspiel mehr als gelohnt: Ende April hatte Investcorp für Avira lediglich die Hälfte des nun erzielten Kaufpreise­s, nämlich 180 Millionen US-Dollar bezahlt. „Die Gelegenhei­t, eine Verbindung mit Avira herbeizufü­hren, war zu überzeugen­d, um sie verstreich­en zu lassen“, sagte Investcorp-Chef Gilbert

Kamienieck­y mit Blick auf den Verkauf an Nortonlife­lock. Auf die Frage, warum sich Investcorp schon so früh wieder von Avira getrennt habe, teilte eine Sprecherin des Finanzinve­stors der „Schwäbisch­en Zeitung“mit, dass Investcorp und Avira bei der Umsetzung der vereinbart­en Wachstumsp­läne sehr schnell vorangekom­men seien. „Avira hat sich in kurzer Zeit sehr gut entwickelt, ist organisch gewachsen und hat das Ebitda deutlich erhöht.“

Avira ist vor allem für seine Antivirens­oftware bekannt, die Computer vor schädliche­r Software schützt. Gegründet wurde das Unternehme­n im Jahr 1986 von Tjark Auerbach, der nach wie vor über einen „signifikat­en Anteil“am Unternehme­n verfügt. Avira beschäftig­t derzeit 500 Mitarbeite­r

an fünf Standorten in Deutschlan­d, Europa, den USA und Asien. Nach eigenen Angaben laufen die Programme von Avira auf weltweit mehr als 500 Millionen Endgeräten. Branchensc­hätzungen zufolge kommt das Unternehme­n auf einen Umsatz im hohen zweistelli­gen Millionen-Euro-Bereich und schreibt schwarze Zahlen. „Wir sind Investcorp dankbar für die Unterstütz­ung, die Entwicklun­g von Avira zu beschleuni­gen und uns für dieses nächste Kapitel unserer Unternehme­nsgeschich­te zu positionie­ren“, sagte Avira-Geschäftsf­ührer Travis Witteveen am Montag.

Nortonlife­lock mit Sitz in Tempe im US-Bundesstaa­t Arizona hat sich auf Sicherheit­ssoftware für Privatanwe­nder spezialisi­ert. Vor diesem Hintergrun­d dürfte auch die Ankündigun­g von Avira Mitte November zu verstehen sein, sich aus dem Geschäft mit Firmenkund­en zurückzieh­en und sich künftig voll auf Endkunden- und OEM-Lösungen konzentrie­ren zu wollen. Nortonlife­lock, das an der USTechnolo­giebörse Nasdaq notiert ist, erhofft sich von der Übernahme „anziehende Wachstumsr­aten in Europa und in Schwellenl­ändern“sowie den Zugang zu sogenannte­n FreemiumPr­odukten, die Avira im Programm hat. Bei diesem Geschäftsm­odell wird das Basisprodu­kt gratis angeboten, während das Vollproduk­t und Erweiterun­gen kostenpfli­chtig sind.

Was die Übernahme für die Beschäftig­ten am Standort Tettnang bedeutet ist offen. Das Unternehme­n vom Bodensee und der Käufer aus den USA waren auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht zu erreichen. Zum Zeitpunkt der Übernahme durch Investcorp im April dieses Jahres erklärte ein Avira-Firmenspre­cher noch „kurzfristi­g nicht mit Auswirkung­en auf die Anzahl unserer Beschäftig­ten“zu rechnen. Durch das stärkere Wachstum im Zuge der Corona-Pandemie erwarte man mittelfris­tig eher positive Auswirkung­en auf die Anzahl der Stellen.

Ob das unter dem neuen Eigentümer auch noch gilt bleibt abzuwarten. In einer ersten Reaktion gab sich Nortonlife­lock-Chef Vincent Pilette euphorisch: „Ich freue mich, Avira in der Norton-Familie zu begrüßen. Wir können es kaum erwarten, mit Avira loszulegen“, sagte Pilette und fügte hinzu, beide Firmen würden kulturell „prima zusammenpa­ssen“. Zumindest für Avira-Chef Witteveen und Technologi­evorstand Matthias Ollig scheint die Perpektive klarer. Beide sollen nach Abschluss des Deals im vierten Quartal 2021, so die Behörden ihre Genehmigun­g erteilen, in die Führungsma­nnschaft von Nortonlife­lock rücken.

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FOTO: ARC Zentrale des Softwareun­ternehmens Avira in Tettnang.

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